So fachlich versiert kann jemand, der einen Hund am Halsband hochzieht, um ihn zu korrigieren, meiner Ansicht nach leider nicht sein. Also versteh mich nicht falsch, ich arbeite auch mit teils deutlichen Korrekturen und habe deshalb prinzipiell gar nichts gegen aversive Trainingsansätze. Nur speziell diese Art der Korrektur, die dein Bekannter da angewendet hat, geht meiner Ansicht nach gar nicht. Einen Hund am Halsband hochzureißen schnürt ihm die Luft ab und fügt ihm Schmerzen zu. Und dem Hund absichtlich Schmerzen zuzufügen, als bewusste und genau so geplante Trainingsmaßnahme, ist nicht nur vollkommen unnötig, sondern widerspricht auch ganz klar dem Tierschutzgesetz.
Wie gesagt: Es muss nicht alles rein positiv sein. Deinen Ansatz mit dem Click für Blick und Belohnung ist grundsätzlich super. Bei vielen Hunden reicht das auch schon als alleinige Maßnahme, um das Fehlverhalten zu unterbinden. Für andere Hunde, wie vielleicht auch deinen, ist das Pöbeln trotz Alternative aber weiterhin attraktiver und dann macht es meiner Ansicht nach prinzipiell schon Sinn, das Pöbeln (zusätzlich zur Belohnung des Alternativverhaltens) unattraktiv zu machen. Da hat dein Bekannter sicher auch irgendwo Recht. Die Frage ist nur, welche aversiven Mittel man dafür in welcher Intensität anwendet. Von einem lauten "Hey!" über ein Auf-den-Boden-stampfen, einen körperlichen Block, Runterbeugen oder Abdrängen gibt es da ja eine riesen Bandbreite. Was davon in welcher Intensität zu deinem Hund und dir passt, ist individuell und sollte im Zweifelsfall fachmännisch begleitet werden. Aber das geplante Zufügen von Schmerzreizen sollte halt einfach niemals nie eine Option sein.
Auf Distanz gegt es wie gesagt schon. Aber zu nah eben noch nicht. Es sei denn ich gebe ihr gute Leckerlis währenddessen oder der andere Hund scheint für sie nicht aufregend genug zu sein. Deshalb will ich versuchen sie erst zu belohnen, wenn wir vorbei sind.
Ich habe hier z.B. gute Erfahrungen damit gemacht, jedes einzelne Umorientieren zu belohnen. Heißt, den Hund nicht mit Leckerlies ablenken, aber sehr hoch frequentiert jeden Blick und jedes Ohrzucken zu mir zu belohnen. Von mir aus auch x-mal, während der andere Hund vorbei läuft. Also quasi Hund schaut zum Fremdhund -> Hund schaut zu mir -> Leckerlie -> Hund schaut zum Fremdhund -> Hund schaut zu mir -> Leckerlie usw.
Nichtsdestotrotz breche auch ich jegliches Fixieren und Drohen frühzeitig mit einem lauten "Ey", Sicht versperren und ggf. Zurückdrängen ab. Hier ist halt wichtig, dass man die Körpersprache des eigenen Hundes gut beobachten und deuten kann und sofort erkennt, ob er "nur" schaut oder doch fixiert. Dann klappt das auch mit dem Timing.
Und da du nach Erfahrungen mit dem "am Halsband hochziehen" fragst: Nicht mit meinem eigenen Hund (und ich vermute, da wirst du hier auch eher niemanden finden), aber ich kenne genug Hunde aus dem Tierschutz, die aufgrund genau solcher Methoden (Leinenruck, Hochziehen, Luft abschnüren usw.) das Vertrauen ins andere Ende der Leine verloren haben. Das Ergebnis sind Hunde, die bei Begegnungen wahlweise erst recht ausrasten, weil sie komplett überfordert sind oder die nur noch ängstlich bis meidend unterwegs sind. Ich habe auch schon Hunde erlebt, die, als sie ins TH kamen, panisch vor Halsband und Leine geflüchtet sind. Oder Hunde, die abgegeben wurden, weil sie sich irgendwann zunehmend umgedreht und ihren eigenen Halter gebissen haben. All das muss natürlich nicht passieren - aber es kann halt passieren. Und auch wenn ich absolut nachvollziehen kann, dass man sich, nachdem man so lange Zeit schon ohne die gewünschten Erfolge rumtrainiert hat, endlich eine endgültige Lösung erhofft: Gewalt ist einfach keine Lösung.