Also das Stehenbleiben nicht als Strafe einsetzt, sondern vielmehr als Möglichkeit für den Hund, seine Umwelt mal in Ruhe wahrzunehmen.
Hunde brauche oft länger dazu, als wir glauben, weil wir mit unserer Denkgeschwindigkeit vergleichen. Auch bei meinem kleinen Portugisen beobachte ich das jetzt dauernd.
Beispiel: Der Wind treibt ein Blatt über die Straße, Hund starrt drauf: "Denk ... denk ... denk ... merkwürdig ... denk ... denk ... denk ... ach so, langeweilig ... ok, wir können weiter!" Man merkt wirklich, wenn er neue Reize/Erfahrungen in seinem Köpfchen "einsortiert" hat.
Mit einem früheren Hund, einem Angstbeisser und "Wanderpokal" aus dem Tierheim, habe ich gelernt, dass man Hunden diese Denkzeit gewähren muss. Leider wusste das mein damaliger Tierarzt nicht. Da solllte es "schnell, schnell" gehen und nur auf mein Drängen hin hat er sich etwas mehr Zeit gelassen für die Impf-Spritze. Seine Strategie "Hund fixieren, Spritze, fertig!" wäre eine Katastrophe geworden, die ohne Maulkorb übel geworden wäre. Die wenigen Sekunden mehr für Spritze zeigen, schnuppern lassen, gut zureden, warten bis Hund entspannt den Kopf wieder auf den Tisch legt, machten den Unterschied. "Pieks", großes Lob, und es ging ruhig, ohne fixieren, ohne Maulkorb. Nur weil der Hund Zeit hatte, zu verstehen.
Man wird im Alltag nicht immer die Zeit haben, dauernd auf den Hund zu warten, wenn man von A nach B will. Dann muss es halt mal schnell gehen. Aber wenn man die Gelegenheiten nutzt, bei denen man sich die Zeit nehmen kann, ist dem Hund schon geholfen.
Zu den Stresshormonen: Leider ist es so, dass sie sehr schnell und in "großzügigen Mengen" ausgeschüttet werden, aber nur sehr, sehr langsam abgebaut werden. Und alles addiert sich und schaukelt sich hoch; konstruiertes Beispiel: Hund ist auf 100% Stress, zwei Tage Ruhe und er ist auf 80% runter. Dummerweise 5 stressige Hundebegegnungen und es kommen 90% dazu - wir sind auf 170% ...
Meine Nachbarn haben eine völlig verängstigte Hündin aus Rumänien adoptiert. Jetzt nach 4 Jahren ist sie auf ein "normales" Angst- uns Stresslevel runter und Gassigehen ist ganz normal möglich, sogar ohne Panikgeschirr. Aber nach Silvester wird sie 3 Wochen brauchen, um den Stress wieder abzubauen, sagen die Nachbarn - aus leidvoller Erfahrung.
Deswegen auch die vielen Ratschläge "erst mal runter fahren". Erst, wenn Nero nicht mehr Stresshormon-gesteuert ist, kann man mit den weiteren Tipps langsam aufbauen. Und da bin ich sehr optimistisch, dass der Hund sich prächtig entwickeln wird! Ich sehe da auch nicht unbedingt die Einschränkungen, die Einige machen.
Mit meinem oben genannten Nervenbündel konnte ich nach ~2 Jahren "offline" durch den Wald, auch querfeldein durchs Unterholz. Alles mit Flüstern und Fingerzeig. Das war großartig. Und die 2 Jahre waren kein "steiniger Weg"; es war eine Mischung aus Erfolg, Rückschritt (auch mit Frust und Enttäuschung), aber immer wieder: mehr und mehr Erfolg.