Beiträge von Ricarda2001

    Hi zusammen,


    ich bin Ricarda, 23 Jahre alt, und Hunde haben mich schon mein ganzes Leben begleitet. Mein Opa hat Schäferhunde gezüchtet und sich nebenbei auch um Pensions- und Pflegehunde gekümmert. Im Rückblick würde ich sagen, er war seiner Zeit weit voraus – er hatte so gar nichts für das klassische Training auf dem Schäferhundeplatz übrig. Stattdessen hat er sich auf Fährtenarbeit spezialisiert und darin sogar andere Hunde ausgebildet.


    Fast alle seine Hunde hatten einen ausgeprägten Ball- und Stock-Fetisch, haben am Tisch gebettelt und jeden kleinen Mucks rund ums Haus gemeldet. Wenn ein Hund zu viel bellte, wurde er von meiner Oma aus dem Wohnzimmer ausgesperrt – das war die größte Strafe. Richtige Probleme gab es aber eigentlich nie.


    Mein Interesse am Hundetraining kam erst später, während meines Studiums, als ich mich im Rahmen der Entwicklungspsychologie intensiver mit Hunden beschäftigt habe. Für eine Seminararbeit habe ich mich dann tief in das Thema eingelesen, und seitdem lässt es mich nicht mehr los. Ich habe diverse Bücher verschlungen, war Praktikantin in einer Hundeschule und überlege sogar, nach dem Studium eine Ausbildung zur Hundetrainerin zu machen.


    Deshalb bin ich auch viel auf Social Media unterwegs und schaue mir an, was Trainer dort so teilen. Dabei fällt mir immer wieder auf, dass viele Hunde – oft schon Welpen – unter enormem Druck stehen. Da gibt es Trainingspläne, bei denen Impulskontrolle, Frustrationstoleranz und Ruhe trainiert werden sollen, aber ich habe oft das Gefühl, dass den Hunden dabei kaum Raum für eigene Entwicklung gelassen wird und stattdessen sehr viel Druck aufgebaut wird. Manchmal scheint mir, dass der Frust erst entsteht, weil sie in extrem enge Trainingssituationen gebracht werden.


    Ruhe, meiner Erfahrung nach, kann man Hunden nicht aufzwingen. Was ich als Trainings sehe, ist meist eher eine Art Belohnungsaufschub: Der Hund lernt, dass er für das Aushalten irgendwann eine Belohnung bekommt – und spätestens nach der dritten Wiederholung weiß er das auch. Für mich wirkt das eher wie eine Geduldsprobe als wie eine Übung für echte Frustrationstoleranz. Bei Menschenkindern wird ja auch oft empfohlen, diese Toleranz im Alltag zu fördern und nicht in künstlichen Situationen zu erzwingen.


    Umso mehr frage ich mich, warum man mit Junghunden auf belebten Supermarktparkplätzen Deckentraining macht und sie dann körperlich begrenzt, wenn sie aufstehen. Ich würde meinem Hund so etwas nie antun, und trotzdem habe ich einen Schäferhund-Mix, der Weihnachten entspannt schlafend auf seiner Decke verbracht hat – obwohl viel Trubel war.


    Kürzlich wurde ich auf einen Instagram-Account aufmerksam gemacht, wo eine Trainerin einen Malinois mit Aggressionsproblematik adoptiert hat. Das Thema finde ich spannend, weil ich durch meinen Opa immer wieder Malinois kennengelernt habe. Die Trainerin spricht oft darüber, wie viel in der Vergangenheit bei diesem Hund falsch gemacht wurde – und Frustration spielt dabei eine große Rolle.


    In einem ihrer Beiträge sieht man ein Video, in dem der Hund angeleint auf einen Ball starrt und unbedingt hin möchte. Dazu schreibt sie:

    "Und dadurch, dass sowas hier tabuisiert, moralisiert und dementsprechend nicht mehr zugemutet wird, sollen Hunde wie Percy getötet werden. Frusttoleranz minus zehn, weil Frust ist ja böse, sowas darf ein Hund ja nicht erleben! Und wenn dann doch mal Frust aufkommt, das Tier vor Mangel an Strategien in ungehemmte Aggression mit massiver Beschädigungsabsicht kippt, dann machen wa ihn halt tot. Geht’s noch?"


    Ist es wirklich so einfach? Fehlen Hunden bei Frust tatsächlich die Strategien? Und können sie diese entwickeln, wenn "nach Lehrbuch" trainiert wird, indem sie in eine Box gesperrt oder auf einer Decke festgehalten werden?


    Ich würde mich über eure Meinungen dazu freuen – und über Literaturtipps, falls ihr da etwas empfehlen könnt!