Hallo zusammen,
ich brauche mal euren Rat zu einer Rasse, die uns sehr interessiert: dem Lagotto Romagnolo.
Wir haben bereits Hundeerfahrung, da wir in der Vergangenheit zwei Tierschutzhunde hatten – einen Labrador-Mix und einen Malteser. Beide kamen im Alter von 12 bzw. 9 Jahren zu uns. Nun, mit Mitte 40, möchten mein Mann und ich die Herausforderung annehmen, einen Welpen aufzuziehen. Am liebsten von einer aktiven, mittelgroßen Rasse, die körperlich alles mitmacht, aber nicht so groß ist, dass man sie im Notfall nicht auch mal tragen könnte.
Unsere Aufmerksamkeit fiel auf den Lagotto, nachdem wir einen dieser Hunde kennengelernt haben. Er sucht Kräuter und Pilze mit seinem Herrchen – das hat uns so begeistert, dass wir sofort gesagt haben: „Das wollen wir auch!“ Mittlerweile stehen wir auf der Warteliste bei einer Züchterin für einen Wurf im Herbst 2025. Es bleibt also noch viel Zeit, sich vorzubereiten. Die Züchterin und ihre Hunde haben wir bereits besucht, um einen ersten Eindruck zu gewinnen.
Die Zuchthündin hat uns sehr gut gefallen: Sie war lebhaft, aber insgesamt entspannt. Sie bellte kurz, als wir ankamen, beruhigte sich dann aber schnell und begrüßte uns freundlich. Neben ihr gab es noch drei weitere Lagotti bei der Züchterin: zwei ältere Hündinnen aus Italien und Serbien, die nicht mehr in der Zucht eingesetzt werden, und einen Junghund aus dem letzten Wurf, der von seinen Erstbesitzern zurückgebracht wurde.
Zum zurückgegebenen Junghund:
Die Züchterin erklärte uns offen, dass die Vorbesitzer mit ihm überfordert waren. Er kam abends nicht zur Ruhe, bellte stundenlang und zerstörte Gegenstände in der Wohnung (u.a. hat er alle Fußleisten im Wohnzimmer rausgerissen ). Nach sechs Wochen bei der Züchterin, in denen er die „Basics“ gelernt hat, konnte er weitervermittelt werden. Am Tag nach unserem Besuch sollte er von seinen neuen Besitzern abgeholt werden.
Wir haben die Züchterin gefragt, wie man solche Probleme vermeiden kann. Sie erklärte, dass viele Lagotti unter mangelnder Konsequenz leiden. Regeln würden oft aufgeweicht, weil die Hunde „so niedlich“ aussehen. Zudem seien manche Besitzer zu ambitioniert und überfordern ihre Hunde, etwa mit zu viel oder falscher Beschäftigung. Das führt dazu, dass die Hunde nicht mehr abschalten können. Auf unsere Nachfrage, wie viele Welpen sie pro Wurf zurückbekommt, gab sie an, dass im letzten Wurf zwei von sechs Welpen zurückgingen. Im Wurf davor (2021, während der Pandemie) waren es sogar drei von fünf. Sie gab zu, dass sie früher weniger streng darauf geachtet hat, an wen sie verkauft, und mittlerweile z. B. keine Welpen mehr an Familien mit Kindern unter 12 Jahren abgibt.
Wir hatten auch Kontakt zu einer weiteren Züchterin, die aktuell keinen Wurf plant und darüber nachdenkt, ihre Zucht aufzugeben. Nach einem kurzen Telefonat hat sie uns eingeladen, was wir natürlich begeistert angenommen haben. Sie erzählte, dass viele Käufer überfordert seien, weil der Welpe nicht „funktionierte“, wie sie es erwartet hatten und sie dann wieder kontaktieren, damit sie hilft. Auch bei ihr gab es Rückläufer, darunter einen aggressiven Junghund, der nach mehreren Beißvorfällen zurückkam. Sie arbeitete mit einer auf aggressive Hunde spezialisierten Trainerin zusammen und hat es nicht geschafft, die Aggressionen wieder zu triggern. Bis heute ist unklar, wie es zu den Beißvorfällen gekommen ist, aber nach zwei Monaten bei ihr wurde der Hund an ein Paar vermittelt – ohne dass jemals wieder Aggressivität auftrat.
Auf unsere Frage, wie man solche Probleme verhindern kann, meinte auch sie, dass viele Lagotti in die falschen Hände geraten. Sie ist zudem überzeugt, dass moderne Trainingsmethoden oft nicht zu dieser Rasse passen. Diese Hunde seien darauf gezüchtet, immer arbeitsbereit zu sein. Sie würden selbst Ruheübungen, wie z. B. Deckentraining, als Aufgabe interpretieren. Die Belohnung für das „auf der Decke bleiben“ würde sie zusätzlich motivieren, „noch besser“ darin zu werden. Das eigentliche Ziel – Ruhe – würde dadurch komplett verfehlt. Stattdessen entsteht oft Frust, weil die Hunde nicht verstehen, warum sie plötzlich „ruhig sein“ sollen, wenn sie eigentlich zur Arbeit eingeladen werden. Das würden viele Trainer nicht verstehen oder sie hätten einfach nicht genug Erfahrung mit Arbeitshunden.
Kürzlich stieß ich dann auch noch auf Social-Media-Beiträge von Hundetrainern, die das Verhalten vieler Lagotti kritisieren. Eine Trainerin schrieb: „Wie bei Labbis, Viszlas und Co. – wir haben die nächste Rasse kaputt bekommen. Lagottos waren bestimmt wirklich tolle Hunde [...]“. Das macht mich nachdenklich. Von Seiten der Züchter wird die Schuld oft den Trainern zugeschoben, während Trainer behaupten, die Hunde seien durch unüberlegte Zucht „kaputt“. Gleichzeitig habe ich aber den Eindruck, dass Lagotto-Züchter sehr umsichtig vorgehen und regelmäßig Hunde aus den Ursprungsländern einkreuzen. In Italien und anderen Ländern werden Lagotti weiterhin für die Trüffelsuche eingesetzt. Dort steht ein ausgeglichener Charakter in Kombination mit hoher Arbeitsmotivation im Fokus – und nicht die Optik. Mir ist klar, dass das eine Herausforderung ist, aber nach all der Recherche, die ich betrieben habe, sehe ich nicht, wo der Lagotto kaputtgezüchtet wurde. Es gibt vor allem auch nahezu keine Züchter, die nicht dem Verband angeschlossen sind.
Wir sind jetzt hin- und hergerissen. Einerseits sind wir von der Rasse begeistert, andererseits machen uns die Berichte über problematische Verhaltensweisen und hohe Rückläuferquoten nachdenklich. Habt ihr Erfahrungen mit Lagotti oder Tipps, wie man die Erziehung und das Training dieser Rasse richtig angeht? Besonders interessieren uns eure Erfahrungen mit Ruhetraining und wie ihr die Balance zwischen Beschäftigung und Entspannung hinbekommen habt.
Ich freue mich auf eure Meinungen und Ratschläge!
Viele Grüße!