Ich war schon als Kind fasziniert von Hunden.
Ein lebendiges Plüschtier mit dem man interagieren kann und das man fast überall mit hinnehmen kann.
Ich habe meine Mutter nur ein einziges Mal gefragt ob ich einen Hund haben darf. Sie sagte daraufhin dass sie eine Allergie gegen Hunde hat. Damit war das Thema für mich erledigt.
Als ich erwachsen war hat sie mir gestanden dass das gelogen war. Der wahre Grund war dass sie Angst vor Hunden hat.
Sie hat mir dann die dazugehörige Geschichte erzählt. Als Kind mochte sie Hunde sehr gerne. Sie hat auf dem Weg zur Schule jedesmal einem Schäferhund eins von ihren Pausenbroten gegeben und ihn gestreichelt.
Als sie eines Tages kein Pausenbrot hatte und den Hund nur streicheln wollte hat er ihr in die Hand gebissen. Seitdem war es bei ihr vorbei mit dem Thema Hund.
Im Nachhinein bin ich froh dass sie mir das nicht erzählt hat als ich noch klein war. Ansonsten wäre mein Verhältnis zu Hunden wahrscheinlich anders geworden und folgendes wäre nicht passiert:
Wir sind als Kinder oft in einer Gruppe durch die Stadt gelaufen und haben uns die Zeit mit mehr oder weniger sinnvollen Dingen vertrieben.
Auf einem großen Parkplatz stand wochentags immer ein Ford Transit mit offener Heckklappe und einem Gitter dahinter. Im Laderaum war ein Schäferhund der jedesmal neugierig ans Gitter kam wenn wir uns dem Wagen genähert haben.
Das warf natürlich Fragen auf. Die erste Frage war:
Kann man den streicheln oder beisst der?
Da an dem Wagen kein Schild war und kein Erwachsener in der Nähe war mussten wir das selbst rausfinden.
Es musste also irgendjemand seine Hand durch das Gitter stecken und gucken was passiert.
Da sonst niemand wollte hab ich es dann gemacht. Etwas mulmig war mir zwar aber der Wissensdurst war größer als die Angst.
Hätte ich damals gewusst was meiner Mutter passiert ist hätte ich das ganz sicher nicht gemacht.
Der Hund kam zum Gitter und hat sich streicheln lassen. Das hat auch die anderen Kinder ermutigt und es ist gut gegangen.
Wir sind dann in den nächsten Tagen wieder dahin gegangen zum streicheln und es kam die nächste Frage auf:
Warum muss der Hund den ganzen Tag in dem Auto sein?
Wir haben dann in der Umgebung Passanten gefragt und die umliegenden Geschäfte abgeklappert bis wir tatsächlich den Besitzer gefunden haben.
Der war sehr freundlich und hat uns erklärt dass der Hund während der Arbeitszeit da drin ist und er mit ihm in den Pausen Gassi geht.
Er ist auch noch mit uns zum Wagen gegangen und wir haben da ne Weile gequatscht und den Hund gepüngelt.
Spätestens da war für mich klar dass ich ganz sicher einen Hund haben will wenn ich erwachsen werde. Damals war ich 10 Jahre alt.
Dann kam Ausbildung und Beruf und die Erkenntnis dass ein Hund nicht nur ein Kuscheltier ist sondern ein komplexes Lebewesen dessen Bedürfnisse ich nicht erfüllen kann.
Außerdem wurde mir klar dass der Hund alt werden und sterben würde und dass ich dann tieftraurig und untröstlich sein würde.
Thema erledigt.
Jahrzehnte später hat meine Freundin erwähnt das sie gerne einen Hund haben würde (sie hatte als Kind schon Katzen und Hunde in der Familie). Also habe ich ihr obenstehende Geschichte erzählt.
Thema erledigt.
Ein paar Jahre später erzählte sie mir dass eine Bekannte von ihr einen kleinen 4-jährigen Hund abgeben will der ins Tierheim kommen würde wenn ihn niemand nimmt.
Ich weiß nicht mehr genau was ich genuschelt habe, irgendwas so nee, muss nicht sein grummel grummel bla bla ...
Wir haben uns dann darauf geeinigt dass der Hund ne Woche zur Probe kommt.
Ich kam von der Arbeit und der Hund war da. Er hat mich nicht groß beachtet. Der erste Eindruck war dass er mich nicht besonders gut leiden kann. Ich saß auf dem Sofa und während der Hund an mir vorbei ging drehte er kurz den Kopf zur Seite und bedachte mich mit einem misstrauischen Blick.
Na super dachte ich mir. Ich habe mich dann zusammengerissen und gemacht was Hund und Freundin von mir erwartet haben.
Der kleine Köter war unproblematisch und wir haben uns gegenseitig in Ruhe gelassen.
Ich habe ihn gestreichelt, bin mit ihm rausgegangen usw.
War ganz nett, alles prima aber ich wollte mich nicht in ihn verlieben weil ich ja noch im Hinterkopf hatte dass er alt werden und sterben würde und ich dann tieftraurig und untröstlich sein würde.
Nach der Probewoche ging er dann zurück zur Besitzerin und ich sagte zu meiner Freundin:
Ja, der Hund ist nett und süß aber du weißt ja wie ich darüber denke laberlaber ...
Thema erledigt.
Nach ein paar Wochen kam dann die Info dass niemand den Hund haben will und er ins Tierheim muss.
Ich sagte nur drei Worte zu meiner Freundin:
Bring ihn mit.
Mir wurde schlagartig klar dass ich mich in dieses Viech verliebt hatte.
Es kam natürlich so wie es kommen musste. Der Hund wurde alt und starb und ich war tieftraurig und untröstlich.
Thema erledigt.
Dachte ich jedenfalls. Mittlerweile hatte ich ja schon einiges hinter mir was Hundeverhalten, Krankheiten und Kosten betrifft.
Sie war eine Hündin und heißt Kessi. Hatte 3 OPs und ist 17 Jahre alt geworden.
Das Ende kam langsam und vorhersehbar. Ich hatte hier so eine Art Altersheim für sie gebastelt. Bett tiefergelegt damit sie noch draufhopsen kann, Rasenteppich damit sie auf dem Holzboden nicht wegrutscht, Inkontinenzauflagen, Windeln, selbst gekochtes Futter usw.
Dann kam die Zeit der Abwägung wann wir sie einschläfern lassen müssen. Es war grauenvoll.
Hund auf den Tisch legen, ihm beim Sterben beistehen, Hund einpacken, nach Hause fahren, Hund aufbahren, einsargen, Grab schaufeln und beerdigen.
Genau das was ich mir niemals antun wollte.
Das hat sich aber relativiert. Mir war klar dass es ein Glücksfall ist wenn ein Hund so alt wird und bis dahin soweit fit war.
Es hätte wesentlich schlimmer kommen können.
Ich habe es nicht bereut. Die Freude über die Zeit die ich mit Kessi verbringen durfte überwiegt den Schmerz über ihren Tod.
Kessi ist jetzt ein Teil von meinem Leben den ich nicht missen will.
Thema erledigt.
Dachte ich. Mal wieder.
Einen Ersatz für Kessi kann es nicht geben.
Aber warum nicht einen anderen Hund nehmen der ein neues Zuhause sucht?
Wieder ein kleines Hundemädel im mittleren Alter?
Stattdessen wurde es Rocco, ein mittelgroßer einjähriger Rüde. Passt eigentlich überhaupt nicht. Hat mich aber beim ersten Treffen so freundlich begrüßt dass ich nicht nein sagen konnte.
Natürlich hat er sich als giardienverseuchte verhaltensauffällige Großbaustelle entpuppt.
Ich wollte eigentlich was um mein Arbeitsleben gemütlich ausklingen zu lassen.
Stattdessen habe ich einen hormonstrotzenden Rüpel bekommen. Im ersten Jahr habe ich 5 Kilo abgenommen weil ich mit ihm stundenlang durch die Gegend gelaufen bin damit er sich draußen auspowern kann anstatt die Bude zu zerlegen.
Er ist inzwischen mehr geworden als das was ich mir als Kind erträumt habe.
Er ist voll das Kuscheltier aber er ist auch ein selbstbewusstes Lebewesen das Ansprüche stellt mit denen ich mich auseinandersetzen muss.
Wenn es nach ihm ginge müsste ich noch einen Hundestreichler einstellen um die Zeit zu überbrücken wenn Frauchen und Herrchen arbeiten oder schlafen müssen.
Dass er andere Rüden nicht ausstehen kann, an roten Ampeln bellt weil er warten muss und total verfressen ist nehme ich ihm nicht übel.
Ich bin ja selbst auch nicht viel besser ...
Abschließend kann ich sagen dass ich zum Hund gekommen bin wie die Jungfrau zum Kind.
Ich weiß nicht ob ich mir einen Hund angeschafft hätte wenn ich vorher hier im Forum mitgelesen hätte.
Die Fülle von Berichten über schwer diagnostizierbare und unheilbare Krankheiten, Ängste und Aggressionen hätte mich wahrscheinlich davon abgehalten.
Ich hätte die Wahrscheinlichkeit einen passenden Hund zu finden mit dem es gut läuft im Bereich eines Hauptgewinns im Lotto eingeordnet und es gar nicht erst versucht.
Wenn ich mich selbst als Hundehalter einstufen müsste würde ich sagen:
Volltrottel mit Riesenglück.
Dieses Glück kann und werde ich auch nicht weiter strapazieren. Rocco ist der letzte Hund in meinem Leben.
Ich habe schon den Konsum von Fett, Zucker, Alkohol und Drogen reduziert damit ich noch so lange lebe wie er. 