Mein Mensch
Du stehst vor mir und flehst mich an,
Mensch - sag, was hab ich dir getan?
Nur Schläge hast du mir gegeben,
war es dir gar nichts wert, mein Leben?
An dem Tag, als ich zu dir gekommen,
hast du mich in den Arm genommen
und auch gelächelt hat dein Mund
und ich war glücklich, ich - dein Hund!
Doch kaum hatt' ich 4 Jahr gezählt,
schriest du mich an, hast mich gequält,
wo war deine Liebe, war sie fort -
warum so plötzlich, an welchen Ort?
Warum war ich deines Hasses Ziel?
Bin ich geworden dir zu viel?
Aus deinem Haus wurd' ich verdammt,
oft nächtelang, ich armes Vieh,
hast du mein Wimmern nachts gehört?
Wenn ja, hat es dich nicht gestört?
Und schließlich kam dann jener Tag,
an den ich gar nicht denken mag...
Du hast mich in ein Tierheim gegeben!
Und einen Klaps auf meinen Kopf.
Und ich hab mich gefragt, ich Tropf,
ob du jemals dran gedacht,
welch tolle Sachen wir gemacht.
Ich sah dich an, bellt' in die Nacht,
du drehtest dich um und gingst aus meinem Leben!
Und so verging dann Jahr um Jahr,
wo ich geweint hab viel um dich...
So saß ich nun im Tierheim da,
sag, Mensch, vermisstest du mich nicht?
Ach, wärst du nur zurückgekommen,
und hättest mich dann mitgenommen,
denn keiner will mich mehr!
Jetzt bin ich alt und dürr und krank,
der Tod, der naht, ach Gott sei Dank!
Nach meinem jahrelangen Leiden
will ich frei sein, vom Leben scheiden.
Und wünsche mir an diesem Tag,
dass doch noch was passieren mag.
Und sieh, es öffnet sich des Käfigs Tür,
ich spring' hinaus, ich armes Tier
und laufe weg, so schnell ich kann,
lauf weg vom Tierheimpflegermann.
Die Nacht ist kalt und es liegt Schnee,
und ich weiß nicht, wohin ich geh.
Ich alter Hund, wo soll ich hin?
In dieser dunklen, kalten Nacht!
Ach, es ist gerade Weihnachtszeit
und alle Menschen sind erfreut.
Doch ich steh hier, ich armes Tier,
im kalten Schnee -
vor deiner Tür!
Und ich schau in dein Fenster rein,
du sitzt mit Frau und Kinderlein
vorm Tannenbaum bei Kerzenschein,
nur ich, ich steh hier, bin allein
und weine ganz, ganz laut.
Und sieh, du trittst aus der Tür!
Nun stehst du vor mir, schaust mich an,
Sag, Mensch - was hab ich dir getan?
Zitternd erheb' ich mein Gesicht,
mein Mensch, erkennst du mich denn nicht?
Dein Kind kommt, nimmt mich in den Arm,
dort ist mir richtig wohl und warm,
du kommst und streichst über mein Fell,
die Lichter leuchten schön und hell,
mein letzter Wunsch war, dich zu sehn,
und deine Liebe zu erflehn!
Du gibst sie mir in der heiligen Nacht,
mein lieber Mensch, gib auf dich Acht,
war wunderbar, dich wieder zu sehen,
doch ich bin schwach und muss jetzt gehen.
Dahin, wo es die Liebe gibt,
und wo man arme Hunde liebt.
Und wenn ich vor dem Herrn werd' stehen,
werd' ich um deine Seele flehen.
Mein Mensch, ich muss dich jetzt verlasen,
seh' dein Gesicht schon leicht verblassen.
Die Weihnachtslichter leuchten grell,
Musik erklingt, so schön und hell,
und meine Augen werden trüb,
mein Mensch, ich hab dich immer lieb!
(Verfasser: Sirin)
Was der Hund doch für ein naives Tier ist...glaubt an den Menschen...