Hallo ihr,
ich würde mir gerne aus aktuellem Anlass einen Rat bei euch einholen. Der aktuelle Anlass ist ein übles Erlebnis heute mittag, ich muss aber etwas ausholen:
Ich habe einen dreijährigen Hovawart, die Hündin Ida. Wir haben von ihrem vierten Lebensmonat an bis vor einem knappen halben Jahr mit ihr aus beruflichen Gründen in Dänemark gelebt. Nun sind wir auf Zeit wieder in Deutschland und unsere Wohnumgebung hat sich sehr verändert. Wir leben zwar immer noch ländlich, aber natürlich nicht vergleichbar wie in Dänemark, wo wir äußerst selten jemanden auf unseren Spaziergängen begegneten.
Mit Ida haben wir in D und in DK die Welpengruppe, später Ausbildungsgruppen besucht. Schon als Junghund hörte sie auf, sich für andere Hunde zu interessieren, mit der Geschlechtsreife hörte das dann ganz auf. Wir hatten allerdings keine Probleme mit Hundekontakten auf dem Hundeplatz, in der Ausbildungsgruppe hat Ida die Anwesenheit anderer Hunde problemlos akzeptiert, wobei das ja auch eine Arbeitssituation war. Auf unseren Spaziergängen ignorierte Ida andere Hunde (die wir aber sowieso selten trafen).
Nun muss ich dazu sagen - und da sehe ich eines der Probleme - dass es in DK eine ganz andere Kultur gibt, was den Umgang mit dem Hund und Fremdbegegnungen anbelangt. Es ist in DK ein absolutes No go, seinen Hund einfach zu einem fremden Hund hinlaufen zu lassen. Wenn man sich aus der Ferne sieht, wird jeder Hund angeleint, man geht aneinander vorüber bzw. im Bogen aneinander vorbei, grüßt sich und leint die Hunde danach wieder ab. Fremde Hunde miteinander spielen zu lassen, kommt dort praktisch nicht vor. Wenn wir am Strand mal auf einen Hund trafen, der nicht abgerufen wurde, sondern unkontrolliert zu Menschen lief, dann handelte es sich in aller Regel um (deutsche) Touristen .
Ida kennt es also praktisch nicht, dass Hunde einfach auf sie zulaufen. Sie lässt sich problemlos abrufen, würde selbst auch nie in die Richtung eines Hundes laufen.
Nun sind wir nach Deutschland gekommen und ich merkte schnell, dass sich da ein Problem anbahnt. Ida spannte sich zunehmend an, wenn wir frontale Hundebegegnungen hatten. Ich musste feststellen, dass Hunde auch oft zu uns hingelassen werden, selbst wenn ich noch so demonstrativ und umständlich anleine, um zu signalisieren, dass wir an einem Kontakt nicht interessiert sind. Ich fahre jetzt schon täglich mit ihr an die entlegensten Orte, in der Hoffnung, keinem zu begegnen und merke, dass auch ich zunehmend angespannt und nervlich angestrengt bin.
Begegnen wir Hunden, bitte ich die andere Person, den Hund abzurufen. Tut die Person dies nicht, lasse ich Ida absitzen. Sie tut dies auch, beäugt aber immer wieder den nahe kommenden Hund. Unterschreitet dieser eine Distanz von ca. zwei Metern, knurrt Ida und möchte vertreiben. Es ist ein Desaster.
Heute war ich mit Ida eine Runde im Wald und wir begegneten einer Frau mit einer Labradorhündin, unangeleint. Ich rief Ida ab, leinte sie an und bat die Frau aus der Ferne, ihren Hund abzurufen. In dem Moment startete die Labradorhündin durch und lief in vollem Tempo auf uns zu. Ich brachte Ida noch ins Sitz, da hatte sich die Labradorhündin auch schon unter Idas Vorderläufe geschmissen Ich konnte überhaupt nicht so schnell reagieren, sie war zwischen den Vorderbeinen von Ida und schmiss sich auf den Rücken. Ida stand knurrend über ihr und hat sie am Ohr erwischt. Es war nur eine kleine Wunde, aber ich war vollkommen schockiert. Die Besitzerin der Labradorhündin schrie mich an, dass mein Hund einen Maulkorb brauchen würde, wenn er sofort zubeißen würde.
Ich war so sprachlos und damit beschäftigt, Ida wieder zur Raison zu bringen, dass ich nicht reagieren konnte. Ich band Ida an einen Baum, um nachzusehen, wie verletzt die andere Hündin ist und entschuldigte mich. Glücklicherweise war es nur ein Kratzer.
Aber ich bin nun wirklich inzwischen verzweifelt. Ich vermisse so die entspannten Spaziergänge mit Ida, merke, wie angespannt und unglücklich sie ist und die ganze Situation ist einfach nur schrecklich. Sowohl unser Trainer in DK als auch ein Trainer in D, beim dem wir trainieren, haben von Ida die Einschätzung, dass sie eine große Individualdistanz hat. Sie hat außerdem hovawarttypisch ein ausgeprägtes Terretorialverhalten. Sie zeigt sehr deutlich, dass sie auf andere Hunde keinen Bock hat. Das alles wäre nicht problematisch, wenn wir nicht immer wieder in so unkontrollierbare Situationen geraten würden.
Ich habe schon mit anderen Hundehaltern diskutiert, behauptet, Ida hätte einen Infekt, versucht, Ida auch frei laufen zu lassen (das endete dann in Keilereien, sobald der Hund zu nah zu ihr kam). Das Problem ist ja auch, dass BIS ich dann den anderen Halter gebeten bzw. davon überzeugt habe, seinen Hund abzurufen, dieser schon längst bei uns ist bzw. schlichtweg nicht gehorcht, so dass die anderen Halter gar keine Chance haben, ihren Hund unter Kontrolle zu bringen. Schon häufig stand ich dann mit Ida am Wegesrand, Ida im Sitz, ihre Nerven zum Zerreißen gespannt, während Hund und Halter im Kreis um uns herum rannten...
Meine Frage ist, wie geht ihr mit solchen Situationen um? Habt ihr einen Rat, was ich tun könnte? Warum soll Ida einen Maulkorb tragen, nur weil andere Halter nicht in der Lage sind, ihre Hunde abzurufen? Wir hatten bereits mit dem Trainer, bei dem wir in der Gruppe trainieren, Einzeltermine und er hat sich auch Hundebegegnungen angeschaut. Er meinte, Ida würde terretoriale Aggression zeigen, wenn andere Hunde eine gewisse Distanz unterschreiten. Dieses Verhalten sei nicht abtrainierbar, sondern liege im Wesen von Ida und ich müsse damit leben und die Konsequenzen daraus ziehen, also abrufen, anleinen. Das mache ich selbstverständlich. Ida gehorcht absolut zuverlässig, lässt sich aus Entfernung abstoppen, ablegen etc. Nur was hilft es mir, wenn ich sie unter Kontrolle bringe und ein kleiner Jack Russell (wo ich wahnsinnige Angst habe, gerade bei kleinen Hunden, dass es eines Tages nicht mehr bei Kratzern bleibt) versucht, sie zu berammeln, während ich sie im Sitz halte - eine Situation, wie wir sie vor einigen Tagen hatten...
Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.