Querida Im Spoiler, weil es zu rasse- und lernspezifisch wird:
Warum ist da zuchttechnisch etwas falsch gelaufen?
Ich vermute, dass der Versuch der Halter, dies erzieherisch zu bewältigen, von der falschen Seite angepackt wurde: Einem Hund, der begierig auf Kontakte ist - dem VERBIETET man keine Kontakte - dem ERLAUBT man das.
Man bringt ihm "nur" bei, unter welchen Regeln das abzulaufen hat ...
Meine Vermutung basiert dabei auf einschlägigen Erfahrungen im Reallife, und ist dementsprechend natürlich anekdotisch und nicht wissenschaftlich belegt zu sehen.
Aber vielleicht kennt das der/die ein-oder andere auch: "Der Hund muss erst mal lernen, vernünftig an der Leine an einem anderen Hund vorbei zu gehen...!"
Das ist bei einer schon vorhandenen Leinenaggression genauso schwierig wie bei einem Hund, der grundsätzlich an freundlicher Interaktion interessiert ist.
Dass bei bestimmten Rassen der selektive Fokus auf "freundliche Zuwendung" das Ganze noch verstärkt, halte ich für wahrscheinlich. Das ist aber kein Zuchtfehler, der ursächlich für das Fehlverhalten verantwortlich ist, sondern eben nur ein weiterer Faktor, der eine Fehlentwicklung im Verhalten leichter entstehen lässt.
Das wird nur von vielen nicht gesehen, weil die eingschlägige Beurteilung "leichtführig, familienfreundlich, artgenossenfreundlich" ausreicht, um davon auszugehen dass der Hund quasi "von selbst" diese gewünschte Entwicklung zeigt.
Eines der Beispiele, bei denen mir jedes Mal das Herz blutet, wenn ich das sehe...
Ich denke nur immer, dass diese vielen Rassen, die wir heute haben, genauso aus egoistischen menschlichen Vorstellungen entstanden sind. Heute liegt der Anspruch halt meistens im Alltag begründet oder im Hundesport.
Ja, die hohe Anpassungsfähigkeit des Canis Familiaris ist sein Segen und Fluch zugleich.
Er ist entstanden als nahezu eigene Spezies, WEIL er sich so leicht nach menschlichen Vorstellungen formen ließ.
Ich würde dann lieber von Grund auf sagen, ich will eine neue Rasse machen, als diese vielen Rassen dem heutigen Anspruch so anzupassen.
Siehst du - das sehe ich aus einem anderen Fokus.
Ich finde: Es ist GENUG!
Es ist genug der Anpassungen, und Ansprüche und Formungen des Haushundes.
Es wird Zeit, dass der Mensch einmal sein eigenes Anspruchsdenken unter die Lupe nimmt und erkennt, was der Hund IST: Ein denkendes und fühlendes Säugetier, mit dem Erbe eines Wolfes, welches sich nicht mehr weiter formen lässt, ohne deformiert zu werden.
Ich habe null gegen Begleithunde, ganz im Gegenteil: Ich liebe die Eigenschaft von Hunden, ein fantastischer Alltagsbegleiter des Menschen zu sein!
Es gibt kein Tier welches das so sehr kann wie der Hund!
Wenn man mal die Augen öffnet, dann sieht man ganz viele Hunde (nicht nur Rassehunde, sondern auch Mischlinge, die keiner Rasse mehr zugeordnet werden können), die einen ganz großen Teil der Anforderungen erfüllen, die an einen Gesellschafts- und Begleithund gestellt werden.
Teilweise sogar noch besser, als die in der Kategorisierung des FCI aufgeführten Gesellschafts- und Begleithunde.
Ich denke da zum Beispiel an die immer häufiger auftretende Artgenossenunverträglichkeit bei den Bullies, wenn sie erwachsen sind ... das passt doch absolut nicht zu den Vorstellungen eines Gesellschafts- und Begleithundes!
Es ist eine KATEGORISIERUNG, und kein idealer Standard, der 1:1 die Realität trifft.
Wenn man es mal ganz genau betrachtet, dann reicht auch vielen diese Einordnung als Gesellschafts- und Begleithund nicht aus, und es muss NOCH MEHR daran herumgeformt werden, um den Vorstellungen des Menschen zu entsprechen... Puppygesicht und Handtaschengröße sind dabei nur zwei Beispiele für ...
Aber auch der Bully, der einen so übermäßig ausgeprägten Brustkorb hat, dass seine Vorderläufe von Geburt an deformiert sind ... NUR damit er dieses "imposante" bulldoggenartige Aussehen hat, aber dabei noch in "handlicher" Größe bleibt ... zum
Oder übermäßige Ängstlichkeit, die oft mit Zwergenwuchs und geringer körperlicher Robustheit einhergeht - ja Leute, wenn auf mich ein Koloss zuwalzt, dann würde ich es auch mit der Angst kriegen, ob der rechtzeitig stoppen kann und mich nicht plattwalzt ... wenn er mich überhaupt wahrnimmt...
Vieles liegt darin begründet, dass Hundehaltung heute einfach leichter ist - leichter zu bekommen, leichter zu versorgen, leichter erlaubt zu halten (bezieht sich jetzt auf die Haltungserlaubnis wohntechnisch gesehen).
Was leicht zu bekommen ist ... wird auch leichter angeschafft.