Hätten wir damals gewusst, was auf uns zukommt, hätten wir Leika wahrscheinlich nicht aufgenommen. Wir waren unerfahren mit Hunden - hatten uns aber lange überlegt, ob ein vierbeiniger Hausgenosse passen würde.
Die DF-Gemeinde hätte wahrscheinlich gesagt: Ja - das sind doch tolle Bedingungen. Ich war selbstständig mit einem Laden - der Hund sollte eigentlich mit. Mein Mann war in Altersteilzeit, 3 Tage Vollzeit je Woche. Wir lebten und leben in einer Wohnung im 3. Stock, mit Aufzug auf der Halbetage, 5 Minuten vom Wald entfernt. Eigentlich alles ganz gut.
Nun, wir machten uns auf die Suche. Es war klar, dass wir keinen Hund wollten, der rund um die Uhr bespasst werden will. Er sollte mit uns wandern oder Rad fahren, kuscheln, spielen und einfach da sein. Über die Rasse hatten wir uns wenig Gedanken gemacht. Wir stellten uns etwas maximal kniehohes nicht zu haariges vor, ein Tier, das man zur Not auch mal tragen kann.
Irgendwie fanden wir in den Tierheimen der Umgebung nicht das Richtige, obwohl wir die Farbe schwarz nicht ausschlossen und einen erwachsenen Hund suchten. Ja, und dann rief mich eine Kundin an - die Nachbarn ihrer Friseurin wollten ihren Hund abgeben, da die Besitzer ein zweites Kind erwarteten und das erste inzwischen allergisch sei. Ein Labrador/Schäferhund Mix - hiess es. Wir sagten zu, uns die Hündin einmal anzusehen, sagten aber auch, dass ein Einzug erst im Juni möglich ist - das war im März.
In der Woche vor meinem Geburtstag im April kam dann der Anruf, dass es nun ganz schnell gehen muss. Wir fuhren samstags - an meinem Geburtstag - zu den bisherigen Besitzern. Schon beim Aussteigen aus dem Auto sah ich sie - und sagte: Die ist aber gross..... Sie begrüsste uns wie alte Bekannte. Wir machten einen Spaziergang mit ihr, bei dem sich rausstellte, dass sie das so gar nicht kannte. Sie hatte noch nicht einmal ein richtiges Halsband und eine Leine. Aber von Anfang an achtete sie darauf, dass wir uns nicht zu weit voneinander entfernten. Ich blieb halt immer mal stehen, um zu telefonieren (Geburtstagsanrufe). Zurück beim Haus wollte sie da nicht wirklich wieder rein.
Wir vereinbarten, sie mit nach Hause zu nehmen und übers Wochenende "auszuprobieren". Sie stieg problemlos ins Auto und machte es sich bequem. Wir bekamen 2 Dosen Aldi-Futter und eine Tüte mit Mixflocken sowie eine schmutzige Decke mit. Zuhause angekommen war der Aufzug überhaupt kein Problem, dann ging sie in die Wohnung, schnupperte überall rum. Ich sammle Teddybären, die teilweise auf optimaler Schnauzenhöhe sassen. Einmal "nein, das sind meine" hat gereicht. Sie hat die Teddies bis heute in Ruhe gelassen. Wir stellten ihr Wasser hin, das sie sofort annahm. Die Decke legten wir hin - sie legte sich daneben....
Alles schien supergut - und natürlich fanden wir es toll, dass sie sich gleich so anschloss. Die Probleme kamen später. Sie war nicht wirklich umwelttauglich. Warum - das erfuhren wir durch die Nachbarin: Sie hatte bisher nur draussen gelebt, Zwinger und Garten, durfte absolut nicht ins Haus. Das heisst, sie kannte nichts - mit 4 Jahren. Und wir waren die blutigen Anfänger, die damit schwer umgehen konnten. Ins Geschäft konnte sie nicht mit, denn sie verbellte mir die Kundinnen - lebte ihren Schutztrieb aus. Zum Glück war es kein Problem, sie zuhause zu lassen, da war sie ruhig. Mittags hetzte ich nach Hause, ging mit ihr raus, dann wieder ins Geschäft. In Biergärten und Lokale nahmen wir sie nicht mehr mit, denn sie konnte dort keine Ruhe finden und ging Passanten und Bedienungen an. Zuhause und im Wald war sie der tollste Hund - aber mit Fremden gab es Probleme - es sei denn, sie hatten Hunde dabei. In einer grossen DF-Gruppe hier in Rhein-Main hat sie und haben wir viel gelernt.
Übrigens ist Leika ein Mix aus Border Collie und Belgischem Schäferhund (Groenendahl) - allein schon diese Information hätte vermutlich ausgereicht, dass wir sie gar nicht angeschaut hätten. Ihr Wesen hat den Mix bestätigt - sie hat Züge von beiden Rassen: Schutztrieb, Hütetrieb, schnelle Auffassungsgabe usw.
Wir haben nur kurz mit Trainerinnen gearbeitet und uns dann unsere eigene Strategie zurechtgelegt - im Nachhinein war das auch ok. Sie hat sich sehr gut entwickelt. Unsere Tierärztin hat die Entwicklung miterlebt und bestätigt, dass Leika es wohl "gut getroffen" hat.
Nun ist sie 14 Jahre und 3 Monate alt - kämpft mit ihrer Spondylose, die sie schon bei ihrem Einzug hier im Anfangsstadium hatte - mag nicht mehr sehr viel laufen, ist kuschelbedürftiger geworden... Wir sind wohl "auf der Zielgeraden" - aber noch sagt sie uns nicht, dass es Zeit ist. Sie schafft die 8 Stufen zum Aufzug noch, braucht aber Motivation und ein bisschen Hilfe, denn sie sieht die Stufen wohl nicht mehr richtig. Autofahren macht ihr immer noch Spass, sie will gerne dabei sein. Es wird viel geschlafen - und zwischendurch mal gründliches Kuscheln eingefordert. Ich hoffe, wir haben noch etwas Zeit mit ihr.
Wir sind damals sehr blauäugig an das Thema Hund herangegangen. Mit dem heutigen Wissen und den Erfahrungen wäre vielleicht einiges anders gelaufen - aber hätten wir sie dort lassen können? Definitiv nein! Die Alternative wäre Tierheim gewesen, und dort wäre sie vermutlich elend zugrunde gegangen.
Unsere Geschichte zeigt, dass man halt nicht alles planen kann - dass es aber auch hilft, wenn man materiell abgesichert ist (um Trainerhonorare und gutes Futter und gute Tierarztbetreuung zu gewährleisten) und zeitlich eine gewisse Flexibilität besteht. Wir konnten uns vorher nicht vorstellen, wie stark ein Hund die Lebensweise beeinflusst. Da wir keinen "Plan B" hinsichtlich Betreuung hatten haben wir schon vieles umgestellt und z. B. den Tanzsport aufgegeben, weil das zeitlich nicht mehr drin war.
Ob wir nach Leika wieder einen Hund bekommen werden weiss ich noch nicht. Aber das ist derzeit ja hoffentlich noch in weiter Ferne... Jedenfalls werde ich dazu das DF nicht fragen. Und ich bin sicher, dass es auch mit DF mit Leika nicht anders gelaufen wäre.
Wir sind damals recht schnell aufs DF gestossen und haben dort viele gute und manche überflüssigen Informationen sowie einige richtig gute Freunde gefunden. Aber man darf so ein Forum halt auch nicht als Mittelpunkt der Welt sehen. Die Praxis ist immer anders....
Gruss
Gudrun