Dieses Thema ist schon sehr schwierig und mit Sicherheit nicht auf eine JA/NEIN Frage beschränkbar.
Kein Hund wir aggressiv geboren - aber die Anlagen zu Aggressivität können durchaus schon im ganz jugendlichen Alter gefördert werden (bewusst oder unbewusst). Je nachdem, wo ein Hund landet, werden die Fehler der ersten Wochen (unterlassene Sozialisierung usw.) verstärkt oder ausgemerzt. Wenn aber ein Hund zu Leuten kommt, die einen ach so süssen Welpen übernehmen und NICHTS tun, dann kann das nach hinten losgehen. Nicht umsonst ist es heute nahezu überall möglich, schon im frühen Welpenalter mit Trainern zu arbeiten. Aber viele unbedarfte Leute denken halt: Och, so ein süsser Welpe, das schaffen wir schon alleine. Und das ist ja so niedlich, wie er gefährlich tut....
Ja, und dann wird der süsse Welpe grösser, die Zähne stabiler, ein Wesen entwickelt sich, das man in dem süssen Welpen ja NIEMALS vermutet hätte. Und man ist machtlos gegenüber diesem Tier - holt sich aber immer noch keine kompetente Hilfe, denn man hat ja Cesar Millan im Fernsehen gesehen, der das mit einem Halsband usw. schon gerichtet hat. Und das Unheil nimmt seinen Lauf.....
Glück, wenn sich die Aggressivität, die in vielen Fällen Unsicherheit ist, nur gegen Aussenstehende wendet - man kann zu unpopulären Zeiten an von wenigen Menschen frequentierten Stellen gassi gehen und ansonsten den Hund zu Hause lassen. Pech, wenn es auch Familienmitglieder "trifft".
Wenn so ein Hund dann in kompetente Hände kommt, KANN es noch gut gehen. Wenn weiter "herumgedoktert" wird, dann wird der Hund zur Zeitbombe. Und irgendwann findet er das Loch im Zaun (oder buddelt unten durch), reisst sich von der Leine los und findet sein "Opfer".
Wer ist schuld? Natürlich "das andere Ende der Leine" - aber diese Menschen werden das in den seltensten Fällen so sehen. Diese Menschen werden wir in der Regel auch nicht in einem Forum wie diesem finden, denn sie sind ja gar nicht der Meinung, dass sie Hilfe brauchen.
Wer hier liest, hat zumindest die Möglichkeit, sich zu informieren und - das kann ich für mich sagen - eine Menge guter Tipps zu bekommen. Für diese Tipps muss man aber offen sein - und man muss auch in der Lage sein, gute Tipps von schlechten zu unterscheiden, das ist für Neulinge (wie ich es damals war) oft verdammt schwer.
ICH habe selbst einen Hund, der unsicher und scheinbar aggressiv ist. Ich sage scheinbar, denn ich habe gelernt, dass die scheinbare Aggressivität eine Art Schutzmechanismus ist. Uns gegenüber ist sie niemals aggressiv - obwohl sie schonmal beim Bürsten schnappt (das bedeutet dann "Aua, es ziept" - erfolgt aber nie in Verletzungsabsicht). Nach aussen hin ist es oft ein "Komm mir nicht zu nahe" - "Komm meinem Herrchen/Frauchen nicht zu nahe". Wir haben damit umzugehen gelernt. Leika hat Freilauf, wo das möglich ist. Im Wohngebiet ist es für uns absolut nicht möglich - zu unserem und Leikas Schutz und um Schaden an anderen zu vermeiden. In Wald und Feld wird aufgepasst - und das klappt seit mehr als 8 Jahren hervorragend.
Ob man nun aggressive Hunde einschläfern darf oder nicht kann - wie schon oben gesagt - nicht einfach mit JA oder NEIN beantwortet werden. Es muss immer der Einzelfall mit all seinen Begleitumständen geprüft werden.
Ist der Hund krank? Wenn ja - besteht Heilungsaussicht?
Gibt es die Möglichkeit, durch Training eine Änderung zu bewirken? Ist der aktuelle Halter auch wirklich bereit dazu? Wenn ja - wunderbar!
Gibt es die Möglichkeit, den Hund in kompetente Hände abzugeben? Wenn ja - wunderbar, wobei es ganz schön schwer ist, die Kompetenz des neuen Halters zu beurteilen.
Wenn es gar keine Alternativen gibt, wenn weder Tierheime, Pflegestellen, Trainingszentren, Nothilfeorganisationen bereit sind, den Hund zu übernehmen, wenn ein Weiterleben des Hundes nur mit Maulkorb am Kurzführer und zuhause im Zwinger möglich ist - dann kann das Einschläfern die gnädigere Lösung sein - für Mensch und Tier.
Gruss
Gudrun