Moin,
da haben doch noch mehr gelesen, als ich gedacht habe - da bin ich doch erleichtert.
Also, ich beantworte von hinten nach vorne:
Conny06:
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Wieso werden z.B. Setter nicht kupiert?
Das sind doch auch Jagdhunde!
Das hat gleich zwei Gründe. Zum einen sind langhaarige Hunde generell deutlich weniger verletzungsgefährdet als kurzhaarige. Deswegen werden ja alle langhaarigen Rassen in Deutschland nicht kupiert.
Wenn der Hund mit langem Fell in den Dornen hängen bleibt, reisst er sich einige Büschel Fell aus...tut weh, ist aber jetzt nicht so tragisch. Der kurzhaarige hingegen gerät gleich mit dem Fleisch rein - und je nachdem, wie die Verletzung ausfällt, kann das dann eben ernsthafte Folgen haben, siehe oben.
Der zweite Grund liegt gerade bei den Settern übrigens in der Verwendung, deswegen werden auch beispielsweise Pointer als kurzhaarige Hunde nicht kupiert. Der Pointer und auch der Setter sollen von ihrer jagdlichen Verwendung her überhaupt nicht in irgendwelche ornen. Diese Hunde sind von ihrem Ursprung her reine Feldjäger, die also offene Feldflächen absuchen und vorstehen, und weil es solche reinen Feldjagden in Deutschland immer weniger gibt, findet man auch hier bei den jagdlich geführten Hunden sehr selten Setter oder Pointer.
Baffo:
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Generell finde ich den Ansatz falsch. Den Ansatz, ein Tier seiner Aufgabe anzupassen. Nicht durch Zucht, nein. Das würde ja zu lange dauern Da verstümmeln wir die Tiere lieber.
mit der Sichtweise kann man allerdings eine problemadäquate Lösung nur schwer finden.
Jagd ist nötig. Das ist wissenschaftlich bewiesen, hier aber nicht das Thema.
Nun muss also gejagt werden und dafür brauche ich Hunde, die ganz bestimmte Eigenschaften aufweisen. Diese Eigenschaften aus einem Hund zu selektieren dauert in der Tat recht lange. Biologen gehen davon aus, dass es mindestens 50 Jahre dauern würde, bis alle Vorstehhunde von sich aus kurze Ruten hätten (so zumindest nach meinen Nachforschungen bei drei voneinander unabhängigen Stellen).
In diesen 50 Jahren dürfte man aber auf nichts selektieren als auf die Rute, will heissen, jagdlich schlecht veranlagte Hunde mit kurzen Ruten müssten in die Zucht, während jagdlich gut veranlagte langrutige Hunde aussen vor blieben.
Und in diesen 50 Jahren müsste ich eben mit langrutigen Hunden jagen, auch, wenn die Verletzungen noch so gravierend sind. Wenn Du jemals gesehen hättest, was ich meine, wüsstest Du, wie man "verstümmelter Hund" noch definieren kann.
Nicht alle Beteiligten machen sich die Sache so einfach, wie Du gemessen an Deinem Posting glaubst.
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Wenn ein Tier für die Aufgabe, die ihm übertragen werden soll, nicht geeignet ist , dann sollte man eben ein passenderes Tier dafür wählen. Und wenn es kein passenderes Tier gibt, muss man halt eine andere Lösung suchen.
Ich kann Deine Argumentation verstehen, denn sie begegnet mir so oder ähnlich häufig. Aber dennoch fürchte ich, dass das etwas zu versimplifiziert ist.
Es gibt kein passendes Tier, das habe ich ja oben erklärt.
Die Aufgabe muss aber erledigt werden.
Ich passe dabei keine Tiere an (was ja früher die hauptsächlichen Beweggründe für das Kupieren aller anderen Hunderassen waren), ich versuche, gegebene Risiken zu minimieren. Ich sehe dabei derzeit keine Alternativen und reine Polemik, die man in der Argumentation dann bisweilen trifft, hilft bei der Alternativensuche eigentlich nicht wirklich.
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Alles andere, was mir sonst zu Jägern auf der Zunge liegt:
Das erklärt jedenfalls die Inhalte Deines Postings.
Ich nehme das zur Kenntnis, wie gesagt, ich will niemanden umstimmen oder überzeugen. Dass jemand Jagdgegner ist oder schlechte Erfahrungen mit Jägern gemacht hat, steht ja für mich hier nicht zur Debatte. Aber dass wissenschafliche Fakten und Probleme dann so angegangen werden, finde ich schade. Dass Du das volle Posting gelesen hast und immer noch damit argumentierst, das sei so leicht vermeidbar und man würde es sich hier so einfach machen, das irritiert mich ein bisschen.
Aber wie ich schon in meinem ersten Posting zum Thema geschrieben habe: Bei dem Thema muss ich damit leben, dass die Jagdkritik aufkommt und man meinen Argumenten nicht glaubt.
Fröhliche Bande:
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Auch käme es für mich nicht in Betracht in meiner Freizeit, zu meinen Vergnügen, Tiere tot zu schießen.
ich für meinen Teil tue es, weil ich von der Notwendigkeit überzeugt bin. Dass Schiessen gehört dazu, ist aber für mich (ich kann ja natürlich nur für mich sprechen) keinesfalls der Beweggrund.
Aber auch hier gilt, ich kann dazu schreiben, was ich will, es wird immer Leute geben, die das nicht glauben - damit muss man als Jäger leben.
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Aber es werden sich gewiss doch Alternativen finden lassen das Wild in diesen Gebieten ohne Hunde zu bejagen.
Nein - ich habe zumindest in 7 Jahren Suche keine gefunden.
Ich kann natürlich mit Stöberhunden in die Hecken, aber Stöberer sind Weitjager und können auch einige der anderen Aufgaben des Vorstehers nicht erfüllen. Dasselbe gilt für Terrier und - schon wegen der Grösse - auch für Dackel.
Es gibt keinen Hund, der die Aufgaben des Vorstehers übernehmen könnte und niemand weiss einen Weg, den Vorsteher in weniger als 50 Jahren schwanzlos zu selektieren.
Das ist mein nicht gerade einfacher Ausgangspunkt bei meiner Alternativensuche.
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Soweit ich das verstehe hetzt der Hund die Tiere ja aus den dicht bewachsenen Gebieten damit der Jager dann einen sauberen Schuss landen kann.
Nein, nicht nur. Er sucht natürlich auch Tiere, die dort liegen, auf Treibjagden. Aber wenn denn mal ein Jäger ein Tier krank schiesst, ziehen die sich für gewöhnlich auch gerade dorthin zurück, wo kein anderes Tier hinkommen soll - und auch dann müssen die Hunde in die Hecken.
(Natürlich umschreibe ich die Aufgaben hier immer nur ganz oberflächlich, weil alles andere den Rahmen sprengen würde.)
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Dann bräuchte auch kein Hund deshalb vorsätztlich verstümmelt werden.
Wie gesagt - es mag sein, dass es Alternativen gibt. Würde ich nicht daran glauben, würde ich ja nicht danach suchen.
Aber diese Alternativen sind eben nicht so einfach zu finden, wie man sich das oft vorstellt.
Die Jagd, auch in dieser Form, muss gemacht werden (wenn man das schon prinzipiell negiert, ist die Argumentation natürlich einfacher), und die Hunde können nicht einfach so angepasst werden, weil es sehr lange dauert und weil es sich sehr schwierig gestaltet, die Leistungsmerkmale dabei züchterisch zu erhalten.
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Du bist sehr umfassend informiert daher wirst du auch wissen was für ein wichtiges Kommunkationsmittel der Schwanz für den Hund ist.
Es ist als ob uns die Hände oder Arme fehlen würden zu Kommunikation.
Dieses wichtige Körperteil profilaktisch zu entfernen ist für mich nicht akzeptabel.
Ja - alleine mit der Schwanzspitze sind mind 10 verschiedene Kommunikationssignale möglich. Das Zucken der Schwanzspitze beispielsweise kann beim Aggressor signalisieren, ob ein Kampf unmittelbar bevorsteht oder ob er noch in der Drohphase ist.
Das alles ist mir bekannt, ich leugne oder beschönige da nichts - aber zu meinem JETZIGEN Kenntnisstand halte ich das Kupieren immer noch für die bessere Lösung.
Shoppy:
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Da Züchter in der Lage sind, Hund hinten tiefer zu leen, sollten sie auch in der Lage sein, Hunde so zu züchten
siehe oben.
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dass sie SChwänze und ohren haben, die nicht so empfinlich sind, dass sie beim Schlagen gegen einen Ast "abfallen" (so ähnlich habe ich das als Begründung für das Kupieren von Deutsch Kurzhaar, Deutsch Drahthaar, Deutsch Langhaar und Viszla gehört.
Nein, sie fallen nicht ab. Sie werden nur an- oder aufgerissen oder die Knochen brechen.
Im Übrigen werden Deutsch Langhaar nicht kupiert, ebenso wie alle anderen langhaarigen Rassen.
Und wie ich weiter oben auch geschildert habe, geht es hier nicht um das Risiko, dass ein Hund mit dem "Schwanz an einen Ast schlägt". Es geht hier darum, dass Hunde mit hoher Geschwindigkeit durch Brombeeren, Schwarzdorn und andere unzugängliche Areale brechen, teilweise Hunderte von Quadratmetern grosse Gebiete und dabei mit dem Schwanz Hunderte von Malen hängen bleiben.
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Also echt, denke Jäger eigentlich, andere Menschen hätten kein GEhirn zum Denken --> Festzustellen, was für einen Dünnpfiff sie da erzählen?
Siehst Du, und weil ich als Jäger davon ausgehe, dass die meisten Menschen ihr Gehirn benutzen, erkläre ich ausführlich, welche Fakten hinter meiner Argumentation stehen. Ich erkläre die wissenschaftlichen, historischen und biologischen Hintergründe und freue mich auf sachliche Diskussionen.
Dabei ist es natürlich frustrierend, wenn auch nach langen Erklärungen jemand zu diesem Deinem Schluss kommt, aber im Zuge der Meinungsfreiheit akzeptiere ich das - in der Hoffnung, dass eine Sachdiskussion vielleicht trotzdem noch zustande kommen kann.
Najira:
ein bekanntes Gesicht *wink*
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Der Bretone wird doch teilweise mit Stummelrute oder ganz ohne geboren - da wären also entsprechende Gene beim Jagdhund vorhanden....
ja, aber die Selektion misslingt immer wieder. Es gab verschiedene Versuche, die Zusammenhänge zu analysieren, die aber gescheitert sind, bei Mixkreuzungen hat die Stummelrute (die übrigens sehr selten ist) bisher so gut wie nie durchgeschlagen.
Es lässt sich historisch nicht belegen, wann die Bretonen in der Form aufgetaucht sind (ähnlich beim ESP), darum steckt man da (zur Zeit noch) mitten in der Analyse des Erbmatierials fest.
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Um die Schwanzverletzungen züchterisch anzugehen, dürfte allerdings nicht mehr vorsorglich kupiert werden, sonst könnte man nicht auf taugliche Ruten selektieren. Das Nachkupieren müsste man da in Kauf nehmen, quasi zum Wohle künftiger Generationen mit kürzerer oder robusterer Rute.
Das ist die einzige Chance, die ich logisch durchdacht auch sehe (sieht man mal von einem Schwanzschutz ab, aber daran glaube ich nicht wirklich).
Aber das Problem ist wie gesagt (s.o.) das gemutmaßte Zeitfenster und die Schwierigkeit, wie die wirklich grundverschiedenen Selektionskriterien über einen so langen Zeitraum zusammen gehalten werden sollen.
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Was allerdings nichts mehr mit Vorsorge vor Verletzungen zu tun hat, ist das vollständige Entfernen der Rute auch bei einigen Jagdhunderassen, bsw. dem Cocker
Das bestreite ich nicht, ebenso wie das Kupieren bei nichtjagdlich geführen Hunden. Das kritisiere ich absolut.
Mieziwauzi:
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Allerdings hatte ich gedacht erst wenn sicher ist das der Hund auch in die Jagd geht wird kupiert und das unter Narkose.
Wird das denn beim kleinen Welpen einfach so gemacht ohne Betäubung ohne Narkose?
im Alter von max 4 Tagen, weil die Schwanznerven sich erst ab dem 6. Tag entwickeln (wobei dennoch ein Schmerzempfinden da ist, das kann niemand leugnen, aber es ist nicht mit der Amputation des fertig entwickelten Schwanzes vergleichbar).
Eine Narkose in dem Alter würden die Welpen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überleben.
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Also ich habe einen Aussie mit langem Schwanz und das finde ich schöner als einen mit Stummelrute
Optisch ist das für mich kein Thema - lange Ruten sind schöner, aber auch wenn ich das anders sähe, optische Beweggründe würde ich in diese Entscheidung nie mit einfliessen lassen.
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wenn er mir damit auch regelmäßig den Couchtisch abräumt. Mir ist gesagt worden das in USA viele Aussies kupiert werden
Das ist korrekt, in den USA werden viele Rassen kupiert, die hier auch früher nicht kupiert wurden, wobei ich die Unterstellung wage, dass es dort nur um optische Gründe geht.
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Wenn doch Hunde seit x Jahren und Generationen auf alle möglichen Eigenschaften gezüchtet werden, warum hat man dann nicht anstatt diese zu kupieren schon seit eh und je auf eine natürliche Stummelrute hin gezüchtet?
Früher waren die Jagdverhältnisse anders. Im Mittelalter, als die selektive Hundezucht begann, hat man eigentlich sowieso nur mit schweren brackenartigen "Sautöter"-Hunden gejagt, bis dann in Großbritannien der Vorsteher aufkam. Über viele Jahrhunderte war es so üblich, dass man mit dem Vorsteher auf dem Feld, mit dem Labrador als Apportierer und mit Bracken und anderen im bewaldeten Gebiet jagte.
Aber dann änderten sich die Jagdauffassungen und die Reviere. Das Niederwild, worauf der Vorsteher vorher ausschließlich bejagt worden war, ging drastisch zurück, gleichzeitig begann man, anders zu jagen, nicht mehr jeder nach eigenem Plan, sondern gezielt und mit Abschussvorgaben und Nachsuchenpflichten.
Dazu brauchte man einen neuen Typus Hund, und als einziger an diese neuen Bedingungen anpassen und universell eingesetzt werden - konnte der Vorsteher, der eben anders als Bracken im jagdlichen Einsatz auch gerne schwimmt und apportiert, der gleichzeitig gerne auf dem Feld - und eben auch in Hecken sucht. Das alles wäre kein Problem, wenn denn die anatomischen Gegebenheiten passen würden.
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Ich weiß das die Selektion durch gezielte Zucht ein langer Weg ist, ich habe jahrelang Katzen gezüchtet. Farbe und Fell gehen zu Lasten des Typs, und beides meist zu lasten der sozialen Verträglichkeit (Wesen) und Gesundheit, weil viele darauf dann nicht auch noch achten.
In etwa das ist das Dilemma, ja...wobei dann neben dem Typ und Wesen eben hier noch die jagdlichen Eigenschaften dazu kommen, die züchterisch erzielt bzw erhalten werden wollen.
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Selbst innerhalb dieser ungefähr "nur" 100jährigen (ich will jetzt nicht wieder alles durchsuchen um die genaue Zahl zu finden) Geschichte die Du schreibst sollte man heute an diesem Standard angekommen sein.
Hätte man vor 100 Jahren bei der Umformung der Rassen damit angefangen, wäre man heute wohl sicher soweit. Allerdings hatte man vor 100 Jahren einfach ein anderes Verständnis von Hunden, Jagd und Tierschutz und war wohl nicht der Ansicht, dass eine solche Selektion verbunden mit der Möglichkeit, dass man das Verletzungsrisiko durch das Kupieren eindämmen konnte, vonnöten war.
Man hat wohl auch damals eher nicht kupiert, weil die Verletzungen für die Hunde so schmerzhaft waren, sondern hauptsächlich, weil (das geht aus einigen alten Aufzeichnungen von der Jahrhundertwende hervor, die wir hier haben) bei solchen Verletzungen viele Hunde verblutet sind oder jagduntauglich wurden.
edit:
auch, wenn es schon wieder ziemlich lange ist, will ich mal noch grade ein Beispiel anfügen von wegen Selektionszeit.
Wir züchten Deutsch Drahthaar. Die Rasse wurde um die Jahrhundertwende gegründet und zu Beginn wurden verschiedene Rassen zusammengekreuzt, jeder der Gründungszwinger hatte einen anderen Rassetyp, mit dem er die Zuchtlinie setzte.
Mein Urgroßvater begann die Zucht 1907 und hat zu bis 1920 Deutsch Kurzhaar eingekreuzt, weil die Hunde dann schneller, eleganter und zierlicher wurden.
Bis heute, also 87 Jahre später und mit Reinselektion von Deutsch Drahthaar, sind noch 10, in manchen Würfen 20 Prozent der Hunde kurzhaarig ohne Bart. Und das, obwohl zwischendrin auch Linien eingekreuzt wurden, die auf Pudelpointer oder Griffon zurückzüchten...und fast 90 Jahre lang nur Hunde verpaart wurden, die jeweils drahtiges Haar und Bart hatten. Insgesamt wurden von 1907 bis 1920 drei Deutsch Kurzhaar-Rüden eingekreuzt, mit dieser Wirkung...da kann man sich vielleicht vorstellen, wie schwierig es wird, zu selektieren, wenn nicht drei, sondern zu Beginn alle der selektierten Hunde das eigentlich auszuselektierende Merkmal (langer Schwanz) mitbringen.