Ich selbst war als Musiker in einem deutschen Großcircus 1 Jahr lang engagiert. Ich wohnte in diesem Zeitraum in unmittelbarer Nähe der Tiere und der Artisten. Ich hatte die Möglichkeit, Tiere und Tierlehrer bei den täglichen Proben zu beobachten.
Ich habe keinen Fall gesehen, in dem ein Tier misshandelt oder mit Gewalt zu etwas gezwungen wurde.
Bei diesen seriösen Unternehmen werden den Tieren (je nach Eignung) Freizeitaktivitäten angeboten. So weiß ich von KRONE, dass die Elefanten dort teilweise zum Zeltaufbau eingesetzt werden. Auch regelmäßige Ausflüge über den Wochenenmarkt oder zum nächsten Badesee, Stadtpark oder Stadtwald gehören bei vielen großen Zirkussen zum Alltag. Langweilig ist diesen Tieren nicht!
Das bedeutet aber nicht, dass es keine Gewalt gegen Tiere in reisenden Unternehmen gibt! Es gibt professionelle anerkannte Tierlehrer, die ihre Tiere gewaltfrei ausbilden - und es gibt Menschen, die absolut keine Erfahrung mit Raubkatzen haben und dennoch meinen, diese vorführen zu müssen. Diese Menschen arbeiten aber nicht bei seriösen Großzirkussen.
Auch höre ich immer wieder: Die Tiere vom Zirkus XY!
Das ist Quatsch! Kein Großzirkus hält heute aus finanziellen Gründen noch eigene Tiere. Die Nummern werden über Agenturen eingekauft und der Artist reist mit seinen eigenen Tieren an. Er bekommt eine Festgage, mit welcher er seine Kosten selbst übernehmen muss. Die Tiere gehören dem Artisten, nicht dem Zirkus!
So richtig gute anerkannte Tierlehrer für Großkatzen gibt es in Deutschland ca. 8 - 10 Personen. ... fast genauso viele, wie es in Deutschland Großzirkusse gibt.
Die Tiere werden in den meisten Fällen ein Leben lang nur für diesen einen Trick ausgebildet. Diese Ausbildung beginnt schon, sobald sich ein Welpe in die Gruppe eingefügt hat.
Zu den Tricks:
Der berühmte "Tiger durch Feuerreifen" wird heutzutage dadurch gelehrt, dass der betreffende Tiger schon als Welpe an Feuer gewöhnt wird. So wird er das Feuer nicht fürchten, weiß aber um dessen Gefahren. Damals hatte ich einen Westie, welcher sich aus dem Lagerfeuer dauernd die brennenden Zeige gepflückt hat. Das Tier hat gelernt, mit dem Feuer umzugehen.
Der berühmte, oft beklagte "Tiger auf Pferderücken" Trick. Manche sagen, er wäre nicht artgerecht, weil Pferd und Tiger in der Natur Fressfeinde sind.
Nun ja, ich habe hier im Forum Bilder gesehen, auf welchen Katzen mit Meerschweinchen spielen und ich sah Bilder von Hunden und Katzen in friedlicher Eintracht. Und ich sah im Zirkus einen Tigerwelpen und ein Fohlen, welche zusammen spielten. Die beiden werden ein Leben lang aneinander gewöhnt - da ist von Angst keine Spur.
Wir müssen unterscheiden zwischen seriösen Großzirkussen und kleinen Wanderzirkussen!
Im Großzirkus kommen alle 2 Wochen der TÜV und ein Amtstierarzt. Die Zirkusdirektion muss sämtliche Papiere für die Tiere (Cytes, Impfungen, Kaufbelege, ...) offenlegen. Im gleichen Atemzug werden auch die Stallungen, Paddocks und Käfigwagen inspiziert. Sobald da Unregelmäßigkeiten auftauchen, gibt es richtig Ärger mit den Behörden. Das kann sich kein seriöser Zikus leisten und diese Prozedur gönne ich keinem privaten Hunde- oder Katzenhalter!
Bei Wanderzirkussen gibt es scharze Schafe!
Plötzlich sind Cytespapiere nicht aufzufinden, Baupläne für Transportwagen sind verschwunden, Tiere werden untereinander ausgeliehen und haben dadurch keine Bezugspersonen, ...
In einem Fall weiß ich von einem Elefanten, dessen Haltungsbedingungen so schlecht waren, dass der Tierhalter vom Publikum nach der Vorstellung daraufhin angesprochen wurde. Ein Zirkusbesucher erstattete daraufhin Anzeige gegen den Elefantenhalter. Als am nächsten Tag ein Amtstierarzt mit Polizeigeleit den Elefanten begutachten wollte, war der Elefant "quasi über Nacht" verschwunden. Wenige Tage später wurde dieser Elefant bei einem anderen Wanderzirkus gesehen. "Maja" ist mittlerweile in irgendeinem Wanderzirkus jämmerlich verreckt. Es gab für sie keine Papiere - ... niemand hat sie vermisst. Plötzlich war sie eben weg.
Das wäre in einem Großzirkus technisch gar nicht machbar!
Bei vielen kleinen Zirkussen sind die Bedingungen für Tiere und Menschen sehr schlecht, weil es an Geld fehlt. Das aber darf keine Entschuldigung sein, Tiere nicht artgerecht zu behandeln und unterzubringen.
Tiere kosten nunmal Geld und wenn das Geld nicht da ist, müssen diese Tiere eben abgeschafft oder beschlagnahmt werden.
Wohin aber mit einem alten Elefanten oder einem aggresiven Tiger, der niemals gelernt hat, sich in einem Rudel einzugliedern?
Diese Tiere will niemand haben.
Einen Gnadenhof für alte Tiere, wie ZIRKUS KRONE ihn hat, können sich kleine Unternehmen finanziell nicht leisten.
Ein exotisches Tier zu bekommen, ist kein Problem - aber: kein deutscher Zirkus arbeitet heutzutage noch mit Wildfängen. Die meisten Tierlehrer züchten heutzutage ihren Nachwuchs selbst.
Ich habe Internetseiten gefunden, auf denen Tiger, Löwen, Elefanten, ... zum Kauf angeboten werden. Auch Tierparks geben regelmäßig "schwache" Tierkinder an Zirkusse zum Kauf an. Wenn das Geld stimmt, fragt keiner, was mit dem Tier geschehen wird. Niemand verlangt eine Qualifkation zur Haltung solch eines Tieres.
Was anderes ist es mit professionellen Elefanten- und Kamelzüchtern. Die verkaufen nicht an x-beliebige Wanderzirkusse.
Man darf Zirkusse nicht verallgemeinern.
Seriöse Tierlehrer leben von und mit ihren Tieren 24 Stunden rund um die Uhr. Gerne geben sie bereitwillig Auskunft über sich und ihre Tiere und man kann sie sogar bei ihren täglichen Proben beobachten.
Mittlerweile gibt es Zirkusfreunde, die sich in eigenen Foren darüber austauschen, wie es Tiger YX oder Seelöwe XY geht.
... bei Wanderzirkussen ist die allerdings nicht möglich und hier ist der Zirkusbesucher gefragt, Mißstände öffentlich anzuprangern.
Aber es ist falsch, wahllos durch die Gegend zu laufen und alle Zirkusunternehmen anzuprangern, ohne sich darüber vorher informiert zu haben.
Wenn jemand Tierparks und Zirkusse nicht mag, ist das völlig okay. Aber man sollte sich vorher informieren, bevor man Unwahrheiten in die Welt setzt und somit jahrhundertealtes Kulturgut anprangert.
Sorry, wenn manches vielleicht etwas durcheinander erscheint. Mich regt es nur immer wieder auf, wenn einem Berufszweig (der es eh schon schwer genug hat) auch noch Steine in den Weg werden, von Menschen, die teilweise absolut null Ahnung haben.
Liebe Grüße,
a.