Ich denke, ihr macht aus Freilauf auch eine ziemliche Mammutaufgabe im Vergleich. Meine Hunde können auch zu 100% alleinebleiben oder zu 100% Autofahren. Dabei geht es doch nicht darum, ob irgendwelche konstruierten Ereignisse in der Zukunft passieren könnten, sondern rückwärtsgerichtet danach, wie der Hund sich tagtäglich in der vorhandenen Umgebung zeigt und da kann ich nun mal von 100% sprechen, weil auch zu 0,00001 keiner durchstartet. Nein, auch nicht bei Katzensichtung, Wild vor der Nase, Menschen die uns passieren, lauten Geräuschen oder fremden Hunden. Gäbe es einen Trigger, würden sie nicht freilaufen, ich hab keine Lust die von der Autobahn zu kratzen oder das womöglich noch jemand verunfallt wegen meines Hundes. Das gibt unsere westliche Welt einfach nicht mehr her, so ist das nunmal.
Und manche Schwierigkeiten liegen eben anderswo, ob ihr es nun glauben wollt, oder nicht. Hier ist es schwieriger zu trainieren, dass beim klingeln nicht gebellt wird, als Freilauf. Nein, es sind keine Maschinen, aber nicht alle Hunde haben die gleichen Herausforderungen, die liegen manchmal auch einfach anderswo. Und nur weil 100% Freilauf klappt, heißt es nicht, dass der Hund sonst keine Schwierigkeiten hat, auch wenn es für einen selbst die Königsdisziplin zu sein scheint.
Im Rückblick könnte ich jetzt auch sagen, dass mein Gos dAtura 100% Zuverlässigkeit und Gehorsam im Freilauf erreicht hatte. Aber als der zu mir als Welpe kam, konnte ich das einfach nicht. In seiner Pubertät hätte ich auch nix drauf verwettet. Und später, solange er lebte, hätte ich gesagt, 98 %. Die 2% Abzug waren aber nicht ihm geschuldet, sondern den Umweltbedingungen und ab und an auch dem unkalkulierbaren Verhalten anderer Menschen.
Aber ich denk da wohl ganz anders als du: für mich ist meine Definition von 100% "Sicherheit" bzw "Risikoabwägung" im Freilauf nicht nur auf das Verhalten meines Hundes bezogen sondern immer auch ein wenig aufs "drumrum". Und ja, da bin ich dann vielleicht ein wenig weniger optimistisch und eher auf der vorsichtigen Seite. Liegt vielleicht auch an meinem fortgeschrittenen Alter und ganz subjektiv an den Erfahrungen, die ich so im Laufe meines Hundehalterlebens gemacht hab. (Von den Eigenarten der Rassen/Mixe die bei mir gelebt haben mal ganz abgesehen). Es gibt eben nix, was es nicht gibt.
Der Ben kann und darf einen Großteil unserer Gassigänge im Freilauf erleben aber zu 100% tiefenentspannt werd ich auch wenn er selber 100% im Gehorsam stehen sollte, nie werden. Meine Aufmerksamkeit ist da schon immer beim Hund und bei meiner Umgebung. In städtischer Umgebung, im Menschengewusel mit starkem Verkehr - nein, da gibt es bei mir keinen Freilauf, schon gar keinen tiefenentspannten. Draussen, im Wald und im Feld ist es eine ganz andere Nummer.
Wie du schon geschrieben hast: dafür kann mein Hund 100% ohne Stress allein bleiben, 100% entspannt im Auto mitfahren, er ist zu 100% ein Menschenfreund und macht seinen "Job" mit jeder Faser seines Herzens zu 100% mit Leidenschaft. Da fallen die paar % wo er mal an der Leine bleiben muss weil die Bedingungen einfach für mich nicht passen, nicht ins Gewicht.