Hallo,
normalerweise bin ich ja eher der stille Mitleser, doch dieses Thema interessiert mich
"Meideverhalten, das Mittel der Wahl..."...
Immer wieder beim Lesen stelle ich fest, dass viele der Meinung sind, aversive Mittel wären körperliche Gewalt gegen Hund und deshalb überzeugte "A - Typ" Hundehalter (Hundeerzieher) sind.
Zitat
Wow, so siehst du Hundehalter ? Das sind zwei extreme und ein überzogenes Modell. Wo bleibt der gesunde Menschenverstand, der Mittelweg, das hundgerechte ?
Ich würd mich bei keiner deiner Varianten sehen, ich nutze von allem etwas und laß vieles weg ;-)
Gruß, staffy - nicht katalogisierbar
Sehe ich genauso
Zitat
Die Frage die Du Dir stellst - sind manche Erziehungsziele nur durch Meideverhalten erreichbar - stelle ich mir auch seit ein paar Wochen.
Und ich glaube inzwischen die Antwort ist "JA".
Clickerei, Tüdelü und Leckerchen sind toll.
Aber manche Dinge sind eben genauso toll oder toller und schlimmstenfalls auch noch selbstbelohnend.
Ich bin mir recht sicher das ich, ohne mit aversiven Maßnahmen trainiert zu haben, meinen Hund nie mit 95%iger Sicherheit abrufen kann wenn er durchgestartet ist und einem Hasen hinterher rennt.
Und auch ein ohne Meideverhalten erlerntes Platz auf Entfernung wird in dem Moment nicht klappen.
Die Frage die sich mir also stellt ist wie gehe ich mit diesem Wissen um.
Bin ich, bekennender Wattebauschwerfer und Verfechter der ruhigen, leisen und geduldigen Erziehung bereit zu aversiven Maßnahmen zu greifen?
Bin ich bereit mit meinem Hund so umzugehen das er Meideverhalten nicht nur zeigt wenn ich mal "im Affekt" die Leine hinterherwerfe sondern das Platz zB so aufbaue das Hund es nicht als Option sieht sondern als MUSS aus Angst vor negativer Konsequenz die sonst folgen wird?
Bin ich bereit spürbar negative Konsequenz punktgenau und vor allem emotionslos einzusetzen?
Nur dann bekäme ich die Sicherheit rein die ich gerne hätte.
Aber eben für den Preis gegen meine ganz eigene ,Einstellung zu arbeiten.
Ein Platz zu haben das in allen Lebenslagen SICHER und SOFORT funktioniert, auf Nähe und Entfernung, ÜBERALL und JEDERZEIT wäre ein wunderbarer Gedanke.
Es ab morgen völlig neu aufzubauen, meine Hündin ab sofort jedes Mal runterzudrücken wenn sie nicht sofort reagiert - so lange bis sie, egal was um sie herum passiert, schneller unten ist als ich drücken kann, das konsequent zu tun und dabei verbal und körperlich auszudrücken das ich voll dahinterstehe, .... kann und will ich nicht.
Mich gruselt bei dem Gedanken so mit ihr umzugehen.
Aversives durchdacht und gezielt einzusetzen, und das in den Trainingsphasen immer und immer wieder.
Den Respekt ihr gegenüber den ich lebe sausen zu lassen um sie auf biegen und brechen gehorsam zu machen.
Das Ziel klingt verlockend aber ich persönlich erreiche es lieber gar nicht als auf diese Art.
Weil ich nicht so bin wie ich dafür sein müsste.
Und ich mich auch nicht so hinbiegen kann.
Also kanns auch nicht mein Weg sein.
LG
Tina
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Sorry für die Menge an Zitat, dennoch finde ich dieses Beispiel sehr interessant, eben im Bezug auf das, was ich ganz am Anfang schrieb.
Gerade das "Platz" auf Entfernung klappt bei uns zu 99,5 %, und das bei einem Hund der schon Jagderfolge hatte. Es klappt auch, wenn er sich bereits 2 Meter hinter einem Wild im vollen Lauf befindet und in - na ja, sagen wir mal ca. 30 - 50 m Entfernung von mir.
Erreicht habe ich das mit Meideverhalten. ABER!!! ohne dass ich meinen Hund auch nur ein einziges Mal angefasst hätte, oder ihm Schmerzen in irgendeiner Art zugefügt hätte! Nur mit Rückruftraining hätte ich das niemals in 100 Jahren erreicht.
Baustellen haben wir trotzdem noch, gerade was die Leinenaggressivität betrifft, doch auch hier haben wir einen Fortschritt von 70 % erreicht. Alle üblichen "Methoden" haben nicht oder nur kurzfristig funktioniert.
Den Fortschritt haben wir auch nur mit vielen verschiedenen Dingen, individuell auf MEINEN Hund ausgerichtet, erreicht. Bin ich nicht so gut drauf, betreiben wir Management, bin ich gut drauf, arbeiten wir intensiv daran.
Wichtig bei aller Erziehung und Baustellenarbeit finde ich, dass nicht und nur ausschließlich in der Situation die es betrifft gearbeitet wird, sondern insgesamt und ständig. Es nützt nichts, mit dem Hund spazieren zu gehen und alle 5 gerade sein zu lassen um dann im nächsten Moment in der kritischen Situation plötzlich überfordert einzugreifen.
Gerade Jagdverhalten und Leinenaggression sind Baustellen, die intensives Arbeiten mit dem Hund erfordert, nicht nur in den dementsprechenden Situationen sondern eben immer und immer wieder. Es ist anstrengend, es ist nervig, es erfordert flexibilität und immer wieder darüber nachdenken, wie tickt mein Hund, wie lernt er, was braucht er.
Und genau dieses, sind viele Hundehalter nicht bereit zu bringen. Sie wollen entspannte Spaziergänge - vielleicht auch noch mit anderen Hundehaltern, sich mit diesen unterhalten, schwätzen - und auf der anderen Seite einen funktionierenden Hund, der in kritischen Situationen die Ruhe selbst ist und keine Probleme bereitet. Arbeiten mit dem Hund, wenn denn dann eben nur in dieser Situation aber ansonsten bitte schön einen Spaziergang ohne Arbeit.
Bitte, ich meine hier bestimmt nicht alle und möchte nicht über einen Kamm scheren, aber doch einen Großteil der Hundehalter.
LG, Andorra