Hallo Wakan!
Tolles Thema!
Ronja ist 5, ich kenn ihre Vorgeschichte lückenhaft und kannte sie bevor ich sie übernommen habe schon. Somit wusste ich in etwa was auf mich zukommt, was mir sehr geholfen hat...!
Ronja hatte bis zu ihrem 3. Lebensjahr 3 Vorbesitzer, wobei sie beim 3. Vorbesitzer, einer Bekannten von mir, eigentlich als Pflegehund war. In dem Jahr in dem sie bei ihr war wurde sie 3 mal vermittelt und kam 3 mal aus diversen Gründen zurück.
Das Optimum an Erziehung haben wir (noch) nicht erreicht... Ich frage mich auch, wo genau ich dieses Optimum ansetzen würde!? Mit jedem Erfolg steigt auch die Anforderung an einen selbst und an den Hund...
Ich arbeite täglich an verschiedenen Dingen und freu mich auch über kleine Fortschritte, weil ich mittlerweile an einem Punkt bin, den ich mir nie erhofft hätte in der Anfangszeit!
Ich hatte mit Ronja ein großes Problem, dass sie nicht allein blieb und Verlassenseinsängste hatte, Autos und Türen innerhalb von Minuten zerlegt hat und wir für jeden Fortschritt 2 Rückschritte gemacht haben.
Zu diesem Zeitpunkt konnte sie ca. eine halbe Stunde alleine bleiben. Effektiv allein war sie genau 13 Minuten von dem Zeitpunkt an dem ich aus der Wohnung raus war bis ich wieder im Flur stand! Ich weiß es so genau, weil ich zu diesem Zeitpunkt noch eine Stoppuhr vor der Tür liegen hatte, die ich angemacht hab, wenn ich gegangen bin...
Tür
Ähnlich ist es mit dem Autofenster passiert, welches halb geöffnet war, ein Anschnallgurt, der die freie Sicht aus dem Fenster versperrte musst dran glauben und der Sitz wurde im Laufe der Übungen angekaut, ebenso der Auto-Himmel...
Ich vermute, dass es daher kommt, dass sie viel in kleine dunkle Räume gesperrt wurde, nie gelernt hat richtig allein zu bleiben und auch sonst wenig Zuwendung hatte.
Ich habe fast ein Jahr täglich mehrmals geübt und übe immernoch um das beibehalten zu können. Anfangs nur Schlüssel in die Hand nehmen, Schuhe/Jacke an und wieder ausziehen, bis sie das gelassen hingenommen hat. Dann Tür auf, Tür wieder zu. Dann Tür auf, raus, wieder rein, Tür zu. Dann Tür auf, raus, Tür zu, Tür wieder auf rein. Bis sie nicht mehr gekratzt gejault oder gesprungen ist. Dann bin ich bis zur Haustür und hab es langsam mit vielen Rückschritten immer wiederholt...
Bei diesem Problem bin ich an die Grenzen des Hundes gestoßen. Ronja blieb nie gern allein, hatte immer Verlassenseinsangst und wird es nie gern bleiben! Sie kann mittlerweile in der Wohung um die 2 Stunden gut allein bleiben ohne Jaulen ohne Kratzer/Bissspuren an der Tür. Im Auto bleibt sie je nach Auslastung um die 3 bis 4 Stunden allein. Und ich muss sagen das reicht auch bei uns, deshalb haben wir es hier aufgegeben die Zeit weiter auszudehnen!
Ein anderes Problem waren andere Hunde, wenn sie an der Leine war. Sie ist wie ein Berserker in die Leine gesprungen, hat gebellt und versucht zum anderen Hund zu kommen als hinge ihr Leben davon ab. Sie war dabei allerdings nie agressiv. Ich weiß nicht ob es davon kommt, dass einer ihrer Vorbesitzer sie bei jedem Ziehen an der Leine zu einem anderen Hund hin gepackt hat und bei ihr dann soetwas wie ein "ich muss das nächste mal mehr ziehen und schneller sein um zum Hund und weg von der unangenehmen Behandlung durch den Leinenhalter zu kommen" aber so kam es mir vor!
Ich kann mitlerweile an den allermeisten Hunden an hängender Leine vorbei... Zu großen schwarzen Hunden, die vom Aussehen ihrem Typ entsprechen braucht es oft noch ein "Lass das! Wir gehen weiter" Aber ich denke das gibt sich mit der Zeit und der Ruhe im Alter noch!
Sie ist ein ambitionierter Jäger und ich denke sie wird es auch bleiben, wenn ich nicht in ihrer Nähe sondern außer Sichtweite bin und schneller reagieren kann als sie. Sie lässt sich durch viel viel Training zwischenzeitlich ziemlich sicher abpfeiffen und ich muss sagen das ist etwas, was ich niemals nicht gedacht hätte, dass wir das irgendwann hinbekommen, wie es jetzt ist!
Allerdings war es ein steiniger Weg bis dahin. Ronja hat mir wegen einem Hasen, den sie vor mir gesehen hat die Schulter an der Schleppleine ausgekugelt, wegen einem Eichhörnchen, dass sie schneller gesehen hat als ich den Nacken verrenkt, dass ich 3 Wochen mit Halskrause rumgelaufen bin und mir eine eher weniger wünschenswerte Flugstunde über die Straße verpasst, die auch blutende Knie und Ellbogen zur Folge hatte und wegen Katzen hatte ich mehr als einmal an meiner Hand mehr Brandblase als gesunde Haut.
Es gab Zeiten, in denen ich von kaum einem Spaziergang ohne Tränen in den Augen heim kam und mir gewünscht hab, dass ich Ronja von klein auf gehabt hätte und mir in solchen Momenten geschworen hab niemals wieder einen Gebraucht-Hund zu übernehmen! Aber der nächste kleine Erfolg hat das meist wieder wett gemacht, weil ich jedesmal gesehen hab, dass es nicht so ganz hoffnungslos ist...
Da sie 2,5 Jahre ihres Lebens in einem Stall gehalten wurde in dem in jeder Ecke Brötchen, Karotten, Pferdefutter und sonstiges Fressbares zur freien Verfügung rumliegt, fällt es ihr sehr schwer zu generalisieren, dass ALLES Fressbare auf der Strasse einfach Tabu ist. An einem Brötchen an dem wir vorbei gehen von dem ich ihr gesagt habe sie soll es lassen versteht sie es, wenn es am nächsten Tag noch immer daliegt und schielt es nur noch an. Aber das Brötchen an der nächsten Ecke braucht dann wieder ein "Lass das!". Ich geb's nicht auf, dass ich den Kampf um alles Fressbare schlussendlich ohne Worte gewinnen werde aber auch das wird noch Arbeit sein!
Ein Problemchen oder eher gesagt eine Marotte ist das Klauen in der Wohnung, womit ich allerdings auch wunderbar klar komme! Wenn Nachts ein letztes Stück Pizza in der offenen Pizzaschachtel auf dem Tisch liegt, dann ist es am Morgen eben weg oder zumindest angeschleckt! Aber das fällt in die Kathegorie: "So ist sie eben!" So leise und vorsichtig wie mein Hund kann nicht mal ich einen Keks aus der Keksschachtel nehmen :freude:
Was bei der Arbeit mit Ronja ein sehr großer Vorteil ist, ist ihre Anhänglichkeit, ihr für ihr Alter sehr verspieltes Wesen und ihre Aufmerksamkeit. Auch dass sie sich ihr freundliches Wesen behalten hat hilft natürlich!
Ich hatte früher immer ein sehr konkretes Bild von meinem Traumhund im Kopf und für mich stand fest, dass ich ihn irgendwann vom Züchter holen würde und dass ich alles, was in meiner Macht steht, richtig machen will! Ich wollte immer Rettungshundearbeit machen und aus diesem Grund auch einen jungen Hund. Vieles kommt anders als man denkt! Denn als ich Ronja übernommen hab, war für mich klar, dass das wohl ihres Alters wegen flach fällt... Und wie gesagt es kommt vieles anders als man denkt und ich denke, dass wir bei der nächsten Prüfung dabei sein werden!
Ich würde zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich wieder einen solchen Hund wie Ronja nehmen, weil ich gemerkt habe wie viel man durch einen solchen Hund lernt und wie viel auch ein "alter" Hund noch lernt. Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich mir bei Problemen, die Hunde betreffen immer Rat und Mut holen kann bei Menschen, denen ich in Sachen Hund sehr vertraue und die länger Erfahrungen mit Hunden habe als ich auf der Welt bin. Allein hätte ich es vermutlich nicht bis an diesen Punkt geschafft!
LG murmel
Edit: Sorry für den vielen Text!