Patrick! Herrlich geschrieben!
Deine Kamele erinnern mich an meinen Wicht, hätte ich zwei davon, ich wette, ich könnte auch den Jesus mimen.
Bei uns beginnt der Morgen meist mit einem dumpfen, sich ausbreitenden Schmerz im Bereich des 3. Lendenwirbels. Ich liege im Bett wie ein Schlangenmensch, der ich leider nicht bin. So biege ich mich wenig grazil, dafür umso anatomisch sensationeller um den Wicht herum, der die komplette Diagonale des Bettes für seine schlafwandlerischen Yogaübungen benutzt. Ich möchte in diesen Momenten lieber kein Röntgenbild meiner Wirbelsäule sehen.
Auf Finger-und Zehenspitzen kraxle ich dann aus dem Bett, möglichst, ohne dem Wicht ein Härchen zu krümmen, schlurche in die Küche, fabriziere mir meinen allmorgendlichen Instantkaffee/Milch Mix, statte dem Bad einen kurzen Besuch ab und kämpfe mit harten Bandagen gegen meinen inneren Schweinehund, mich gleich wieder zu dem genüsslich vor sich hin müffelnden Schlafewicht dazu zu legen. Obwohl dieser augenscheinlich gerade seine Tiefschlafphase erreicht hat, reicht ein kurzes Antippen mit dem Finger und er rollt sich stilsicher, aber mit weiterhin geschlossenen Äuglein auf den Rücken. Wer möchte nicht mit einem gekraulten Bauch in den Tag starten? Das Bäuchlein erscheint mir ziemlich dick, und ein aufmerksamer Beobachter weiß, dass darin neben dem regulären Hundeabendessen im besten Fall auch noch ein Stück geklaute Pizza, ein erbettelter Spekulatius, ein paar Dönerreste samt Soße aus der Biotonne sowie ein erbeutetes unreifes Äpfelchen vor sich hin gären.
Wie Antennen recken sich zwei schwarze Vorderpfötchen schließlich gen Himmel, während die Hinterbeine gewohnt freizügig gespreizt und unbelebt bleiben. Was folgt ist ein tiefer Einblick in den Raubtierschlund, untermalt vom Soundtrack quietschender Gähngeräusche.
Klar muss der Wicht, bei dem gefüllten Bäuchlein, bereits ultra aufs Klo. Das jedoch ignoriert er gekonnt zugunsten seines immensen Schlafbedürfnisses, bis es so dringend ist, dass man es kaum noch durch die Wohnung zur Haustür schafft und am Besten aushaltbar gerade noch im Sitzen. Spätestens dann ist der Wicht plötzlich hellwach und verflucht die Lahmarschigkeit seines Frauchens, das plötzlich noch tausend andere Dinge tun muss, bevor sie startklar ist: kämmen, anziehen, Schlüssel suchen, was anderes anziehen, Kacktütchen suchen, Mütze suchen, Leine suchen. Den Wicht ins Geschirr einfädeln. Oh wie stressig. Gähn.
Dann steht man im Hof, den rettenden Busch hinter dem Hoftor bereits vor dem inneren Auge, die Blase drückt, gleich, endlich, kann man das Beinchen heben, nur noch ein paar Schritte - da fällt Frauchen ein, dass sie doch noch was anderes anziehen möchte.
Letztendlich schafft es der Wicht noch gerade so in den Vorgarten, und es plätschert glückselig auf Herrchens liebevoll arrangierte Sukkulenten.
Weiter geht's die paar Meter Richtung Kreuzung; man muss sich vorstellen, dass ein kleines Dorf wie unseres, das gerade mal aus zwei Straßen besteht, nur exakt eine Kreuzung hat, nämlich die, wo eben diese beiden Straßen sich kreuzen und so etwas wie den Dorfmittelpunkt bilden. Hier ist zum Beispiel auch das Bushäuschen und der Briefkasten, sozusagen der Hotspot unseres Dorfes, und wie soll es anders sein: die Lieblingsstelle des Wichts. Gerade als man die Kreuzung überqueren will, und dabei sollte man es inzwischen eigentlich schon wissen, bremst der Wicht abrupt ab, so dass man regelmäßig nur noch mit einem Ausfallschritt davon kommt. Als hätte er es mit dem Lineal ausgemessen, "sitzt" er also mitten auf der Kreuzung, und hat die Ruhe weg, da möchte ihm manch mitfühlender Mitbürger gerne noch eine Zeitung reichen, während Frauchen hektisch nach dem Kacktütchen kramt. Es kommt wie es kommen muss, Auto von Osten, Auto von Süden, beide bremsen ab, Frauchen mit Schweißperlen auf der Stirn, der Wicht unverrückbar, ja nichtmal das Tütchen lässt sich auseinanderfriemeln. Fenster werden herunter gekurbelt: "Na DER sitzt aber gut!"
Frauchen tut so, als würde sie den Wicht, der da mitten auf der Kreuzung fest getackert scheint, gar nicht kennen. Zwei Autos schlängeln sich also mit einem Manöver über den Bordstein am selig thronenden Wicht vorbei. Ein Frauchen, das nach wie vor das knallrot angelaufene Gesicht hinter dem auseinanderzufriemelnden Kacktütchen verbirgt, und sich schließlich bückt, um die bis auf einzelne Maiskörner verdauten Pizzareste vom Asphalt zu klauben, merkt nicht, dass der Wicht bereits einen Plan hat.
Kaum das Tütchen mit einem Knötchen versehen, muss Frauchen hilflos mit ansehen, wie der Wicht plötzlich einen Blitzstart in Richtung Nachbarshof hinlegt, und versucht, sich durch die Katzenklappe zu zwängen. Das gelingt natürlich auch mit entschlacktem Bäuchlein nicht, zum Glück steht das Hoftor einen spaltbreit offen, und der Fresssack macht sich gierig über den Katzennapf her, während das am liebsten unsichtbare Frauchen sich den Mund fusslig pfeift.
Zum Glück taucht der Wicht bald wieder auf, duftet nach Whiskas und hat einen nagelneuen Fußball mitgebracht. Frauchen macht sich im Geiste eine Notiz: - Dose Whiskas kaufen, - unbemerkt Ball zurückbringen.
Ist der morgendliche Schmachabschnitt schließlich überstanden, starten Wicht und Frauchen ins Feld zu einem feuchtfröhlichen Morgenplantsch in der nächstbesten Suhle...