Wir haben Probleme mit unserem Rüden - ich versuche erstmal alle Backgroundinfos rauszuhauen:
Wir haben unseren Rüden nun ziemlich genau 2 Jahre lang bei uns. Er ist ein Beaglerüde, kam mit 6 Monaten zu uns, kommt vermutlich von einem Vermehrer, hatte 3 (!) Familien bevor er dann mit 4,5 Monaten im TH landete von wo aus er dann zu uns kam.
Unsere Hundeerfahrung: Beaglehündin Nr. 1, die nun fast 4 Jahre ist und ziemlich gut gelungen ist.
Seit vier Wochen ein Pflegelabbi, mit dem wir ebenfalls super zurecht kommen.
Hundeschulbesuch für Gruppenunterricht und Agility, Einzelunterricht mit Hündin und auch Rüde bei insgesamt 3 Trainern.
Ernährung und Gesundheit:
Unser Rüde wird mit hochwertigem TroFu ohne Getreide ernährt. Seine Figur ist okay, auch wenn er seit der Kastra 1kg zugenommen hat. Er ist kastriert. Blutwerte waren bisher immer okay. Er hat/hatte "Head bobbbing" - hatte deshalb, weil es seit der Kastra nur noch im Schlaf auftritt und das äusserst selten, vor der Kastra war es zeitweise sogar täglich da, im wachen Zustand und er war danach immer desorientiert.
Lebensumstände:
Es ist immer jemand zuhause, Haus mit kleinem Garten, Spazierweg direkt auf der anderen Strassenseite.
So, kommen wir nun zum eigentlichen "Problem":
Unser Rüde hat in den 2 Jahren wo er bei uns ist, eigentlich NICHTS dauerhaft gelernt. Zeitweise machen wir immer wieder kleine Fortschritte, die aber auch immer wieder vergessen gehen, machne schneller, manche nur zeitweise.
So kann es durchaus passieren, dass er Wochen hat, wo er plötzlich wieder ins Haus pinkelt. "Sitz" ist bekannt, wird im häuslichen Umfeld auch umgesetzt, naja... in 50% aller Fälle. Die anderen 50% macht er einfach einen Schritt rückwärts. Und dann steht er da und nichts geht mehr. Er wirkt nicht bockig, sondern eher hilflos. Erst wenn ich ihn aus der Situation befreie und ihn ein paar Schritte nach vorne locke und erneut das "Sitz" gebe, habe ich Chancen, dass er sich setzen kann.
Er ist absolut NICHT stressresistent. Ein neuer Spazierweg? Keine Chance auf nur einen Hauch Aufmerksamkeit - und da reden wir über einen einsamen Weg wo sonst kein Mensch ist. Ich kann auch nur mit ihm alleine gehen, da er 120% Aufmerksamkeit braucht und natürlich auch nicht von der Leine kann. Er kann binnen Sekunden auf ein Level kommen, auf dem er nicht mehr ansprechbar ist, sei es, weil uns ein Hund entgegen kommt, er irgendwo hin will zum schnuffeln oder weil er einfach nur einen Baum anbellt. Heute war ein verdammt guter Tag beim Gassi gehen, heisst: 1h für 1km, er war in der Lage dazu Leckerchen anzunehmen, auch wenn ich ihn dazu jedes Mal förmlich beknien musste und zig mal gelockt habe. Nein, kein Leckerchen- Terror, aber wenn das Ende der 10m Schleppleine erreicht sind, fordere ich ihn auf zurückzukommen und das klappte erstaunlich gut, für seine Verhältnisse. Gebellt wurde heute nur bei einem Hund. Auch ein Grund zur Freude. Aber Spielen beim Gassi gehen, Kontaktaufnahme von seiner Seite aus - Fehlanzeige. Und danach ist er dann erstmal so voller Druck, dass er ein paar Mal ums Haus rennt und die anderen Hunde anpöbelt.
Aber wie gesagt, heute war ein guter Tag: Ein Spaziergang kann auch so aussehen: Nur in der Leine hängen wie ein Gestörter, ins nichts bellen, gar nicht mehr ansprechbar sein.
Seit neuestem zeigt er immer mal wieder "Schwellenangst" und weigert sich (mit eingeklemmten Schwanz) durch Türen zu gehen - egal ob zum Gassi gehen durch das Hoftor, Nachmittags ins Wohnzimmer oder Abends ins Schlafzimmer - obwohl alle Hunde schon im Zimmer sind. Diese Schwellenangst tritt nicht immer auf - mal 2x täglich, dann wieder ein paar Tage lang gar nicht mehr.
Im Spiel mit den anderen Hunden regel ich immer wieder herunter, weil es immer wieder mal zu oben beschriebenem "nicht mehr ansprechbar" kommen kann und er dann auch aus Spass Ernst macht. Zum Glück sind die anderen beiden Hunde sehr vernünftig und gehen schon von alleine weg,was nicht heisst, dass unser "Pflegefall" dann hinterher geht, deswegen bin ich beim Spielen auch immer dabei.
Geistige Auslastung ist bei ihm sehr schwierig. Nasenarbeit ist nur auf niedrigstem Niveau möglich, also Leckerchen hinwerfen und suchen lassen - und dann bitte auch nur kurze Sequenzen, sonst ist er wieder überdreht und braucht ewig bis zum runterfahren. Apportieren will er nicht. Einzig Reizangeltraining geht - allerdings fehlt uns dazu hier der Platz, so dass wir das nur machen können, wenn wir in der Hundeschule sind und den Platz für uns alleine haben. Generell ist das Sicht-Hetzen schon seins, auch im Spiel mit anderen Hunden, aber auch hier muss seine Verfassung stimmen - auch hier gibt es Tage, wo gar nix geht.
"Platz" ist bis heute nicht erlernt worden, Leinenführigkeit ist Glückssache (es sei denn, ich kann ihn hinter mir halten, dann trottet er halt so mit) und weitere Grunderziehung haben wir überhaupt noch nicht angegangen.
Wenn er tief und fest schläft, dann kann es passieren, dass er schon bei einer leisen Berührung aus dem Schlaf heraus knurrt und schnappt. Davon wird er dann wach und guckt wieder reichlich desorientiert. Das war mal fast weg, akut ist es wieder sehr massiv da.
Und so ist es mit vielem, also eigentlich fast allem: sämtliche Fortschritte, egal in welchem Zusammenhang verschwinden von heute auf morgen und wir fangen wieder von null an.
Menschen gegenüber, insbesondere Fremden, ist er sehr anhänglich und freundlich, sein "wahres Gesicht" zeigt er erst nach längerer Zeit, so als würde er sich bei Fremden zusammenreissen. Aber auch uns gegenüber (um das nicht falsch darzustellen) ist er immer freundlich gesinnt, braucht viel Streicheleinheiten und hat nichts böses an sich. Und der Beagle-typische-Dickkopf zeigt sich auch manchmal bei ihm - aber das ist was ganz anderes als die oben geschilderten Situationen. Er hat z.B. auch manchmal Probleme, das Kommando "Nimms" im Zusammenhang mit Futter umzusetzen, obwohl das ja wohl des Beagle liebstes Kommando ist.
Ganz schön viel Text, ich weiss. Aber ich bin mittlerweile einfach ratlos. An ein normales Hundehalter-Leben, also Gassi-Gehen mit allen Hunden, die Hunde mal mit ein Restaurant nehmen oder den Hund alleine lassen - daran ist nicht zu denken. Wir haben mehrere Trainer durch, die Tatsache, dass der Rest der Hunde ja ziemlich gut gelungen ist, bzw. grade dabei ist, zu gelingen, zeigt mir auch, dass ich nicht völlig untalentiert bin.
Wir sagen im Scherz immer, "er ist mit dem Leben überfordert" - aber mal im Ernst: gibt es sowas wie Autismus bei Hunden? Gibt es vielleicht irgendeinen Denkansatz, den wir noch verfolgen könnten? Homöopathisch? Erziehungstechnisch? Hat irgendeiner von euch einen vergleichbaren Hund? Ich suche also Denkansätze und Tipps - hier sind so viele Spezialisten - ich zähl auf euch! :)