Ich war eigentlich Katzenmensch.
Hunde waren bei meinen Eltern eher out: Hunde riechen, wälzen sich in ekeligen Sachen, sabbern, furzen, scheißen die Bürgersteige voll, man muss mit ihnen andauernd Gassi gehen, sie bellen, beißen auch manchmal, haaren, der ganze Freundeskreis und die Verwandschaft mag keine Hunde, der Wohnwagen und das Paddelboot sind zu klein... soll ich weiter machen?
Es war gar nicht so, dass sie einen Hass auf Hunde gehabt hätten oder Angst davor, aber sie kommen beide vom Land, wo Hunde in den Stall oder auf die Tenne gehören und auf den Hof aufpassen - kein Grund, so ein Tier haben zu wollen, wenn man nicht mindestens nen Reiterhof zu bewachen hat.
Und schoßhunde wurden immer mit Mißtrauen beäugt: Überzüchtet, krank, ein Kunstprodukt, komisch Frisiert oder sogar angezogen...
So ne Katze dagegen: Sauber, ruhig, kann man auch mal alleinlasssen (unsere sind immer Freigänger und alt damit geworden), haaren wenig, stinken nicht, müssen nicht Gassi, vergraben ihre Häufchen...
Ich mochte alles Viehzeug, auch Hunde, aber mir einen gewünscht hab ich nie, ich dachte immer an eine Siamkatze oder andere Orientalen...
Dann lernte ich mit 17 Jahren ne Freundin mit Irish Wolfhounds kennen. Die Hunde an sich fand ich nett, aber ziemlich träge und verpennt, auch machten sie mörderviel Dreck und die Hinterlassenschaften waren gigantisch.
Nja, aber irgendwie schon schön, so ein Begleiter für 24 Stunden, richtige Familie...ich informierte mich das erste mal etwas über Wolfhounds, nur aus Interesse, ich hab immer schon gern recherchiert... und stieß dabei auf eine verblüffende Tatsache: Wolfhounds gehören tatsächlich zu den Windhunden! Fand ich komisch, für Laien ist das ja eher schwerer nachzuvollziehen, was es mit der Abstammung des IWs auf sich hat....
Und Windhunde waren für mich diese spillerigen, arroganten, immer zitternden Hunde mit dem eingeklemmten Schwanz.
Irgendwie keimte dann aber mit der Zeit doch der Wunsch nach nem eigenen Hund, weil mein Hunde-Freundeskreis immer größer wurde. Ich tendierte in Richtung groß, kurzhaarig, athletisch, ästhetisch: Meine Favoriten waren Dobermann, Deutsch Kurzhaar, Weimeraner, Magyar Viszla und Rhodesian Ridgeback. Ich kenn diese Hunde (bis auf Dobi und Ridgeback natürlich) übrigens alle im jagdlichen Einsatz und hatte und habe auch immer noch vor, mal den Jagdschein zu machen....
Ein DK oder Visz wärs dann auch geworden, allerdings erst in ein paar Jahren, eigentlich wollte ich erst studieren, zumindest erstmal anfangen und gucken wie es so ist.
Aber erstens kommt es anders....
Die IW-Freundin von mir wollte schon immer einen "echten" Windhund. Sie hatte auch mit den Sloughi oder saluki geliebäugelt, aber letztlich waren ihr die zu klein. sie hörte dann über sieben Ecken von einer Orga, die ausgediente Rennhunde, also Greyhounds aus Irland importierte und vermittelte.
Da hat sie dann einen Hund "bestellt": Möglichst groß, Rüde, weiß, nicht schüchtern... sie bekam Fotos geschickt und suchte sich einen aus. Die Leute sagten ihr noch, das sei "kein Kind von Traurigkeit" - aber sie hatte ja Hundeerfahrung usw, also wurde nichtmal ne Vorkontrolle gemacht.
Der Hund kam dann mit dem Transport aus Irland, ich passte an dem Tag bei meiner Freundin auf die Wölfe auf.
Ich war etwas skeptisch, ich hatte mich nämlich, im Gegensatz zum ihr, im Vorraus etwas schlau über die rasse gemacht und hatte so meine Bedenken. Ich hatte ordentlich Respekt davor, einen solchen Profisportler mit gewaltigem Hetztrieb aufzunehmen, der sein Leben lang nur Zwinger, Bahnbetrieb und andere Greys kennt. Hätt ich mir als Anfänger nie zugetraut.
Und dann stieg ER aus: 74 cm groß, schneeweiß, muskulös, elegant, mit einem Kajalblick sondergleichen. Und so freundlich und offen... Gar nicht spillerig, nicht mit eingeklemmtem Schwanz und nicht zitternd, sondern strotzdend vor Selbstbewustsein, nur sehr vorsichtig.
Mein erster Gedanke war: "Wow. Warum kann das nicht mein Hund sein? Der ist für MICH!" Der pure Neid...
In der ersten Nacht liefen wir den Hund dann auch gleich auf dem Gelände laufen, alles gut abgezäunt... der Junge war dann wohl doch noch etwas reserviert, er zog es vor, abends nicht mit uns reinzukommen. Wir ließen alles offen.
Ich pennte in Zelt, da es drinnen etwas eng war.
Was für ein unbeschreibliches Gefühl, als dieser Hund (MEIN HUND!!!) ganz vorsichtig mit seiner langen Nase den Reißverschluss aufdrückte, abwartend draußen stand und dann zögernd reinkam und sich neben mich legte...
Das nächte Jahr war dann ein einziges auf und ab, meine Freundin fand einfach keinen Draht zu dem Hund, einer ihrer IWs wurde schwerstkrank und der Grey wollte nicht mit dem Junghund spielen, für den er als Kumpel angeschafft wurde.
Sie hatte nicht damit gerechnet, dass dieser Hund doch "etwas" meht Jagdtrieb hat als ein IW, schnell genug ist, fast alles zu kriegen, und dass ein normaler Gartenzaun kein Hinderniss für ihn ist.
Der Hund verrottete an der Leine, Schleppleinentraining ist ja sooo kompliziert, Windhunde sind ja eh total dumm und nicht lernfähig.
Die Rudelsituation wurde immer komplizierter, der Junghund immer schwerer krank, die Besitzerin hatte nur noch Augen für dieses Sorgenkind, der Grey geriet immer mehr ins Hintertreffen.... zwischenzeitlich wollte sie ihn mehrmals dem TS-Verein zurückgeben, von dem er kam, hat es sich dann aber immer in letzter Minute anders überlegt.
Irgendwann eskalierte das Ganze, sie wurde von diesem Hund (in der Situation völlig zu Recht und 100% selbstverschuldet) gebissen. Schmerzhaft, aber nicht gefährlich. Aber nun sollte er weg - zwar möglichst irgendwo hin wos gut ist, aber auch irgendwann bald. Der TS Verein sagte, dass sie diesen Hund nur sehr ungern zurücknehmen würden, bissige und im Rudel nicht verträgliche Hunde hätten ja so schlechte Chancen...
Zu dem Zeitpunkt machte ich gerade Abi. Ich hab dann, mit dem zähneknirschenden Einverständniss meiner Eltern, angeboten, den Hund zu übernehmen, sobald ich von zuhause ausgezogen wäre.
Nochmal TH und das Label "Problemhund" hätten diese Hund zerstört.
Am Abend vor meinem ersten Studientag hab ich ihn dann übernommen - für uns beide ein neuer Lebensabschnitt.
Ich hatte ganz schön Angst, was, wenns alles nicht so klappt? Mit dem Studium, mit dem Hund?
Aber ich hab ihm versprochen, dass ich ihn nie wieder hergebe. Und das werde ich halten.
In der ersten Zeit hatten wir ganz schön zu kämpfen - er musste ein Leben als Renn/Jegdhund, Straßenhund, Tierheimhund und ein Jahr missglückte "Erziehung" hinter sich bringen, ich hatte mein Studium, Vetmed ist nicht gerade ein Zuckerschlecken. Und als Ersthund ein leinenagressives Kalb, von dem ich nie wusste, ob ich ihn je frei laufen lassen kann.
Das ist jetzt 14 Monate her.
Lawrence ist ein ausgeglichener Hund geworden, der täglich seine 2-3 h leinenlosen Auslauf im Gelände genießt, dank konsequenten SL-Trainig sogar sehr schnell. Der zunehmend aufblüht, sogar anfängt zu spielen, andere Hunde nicht mehr kategorisch anpöbelt, mit Mensch und Tier verträglich ist, mich zur Uni begleitet und sogar schon Menschen mit ausgeprägter Hundeangst zum kraulen überredet hat mit seinem geschminkten Schmelzblick, der eigentlich überall gern gesehen ist und fast immer nur positiv auffällt.
Er war nie schwierig, immer nur er selbst, ein Hund halt.
Aber manche Hunde brauchen IHREN Menschen und manche Menschen IHREN Hund. Ich weiß nicht, ob man noch einmal im Leben so einen Seelenhund haben kann, es ist ja mein erster.
Aber ich würd keinen mehr wollen, wenn ich nicht genauso intensiv weiß: Der und kein anderer!
Von der Rasse bin ich völlig begeistert, ich würd mir nie was anderes holen - aber wer weiß, was der Zufall so bringt.
Eigentlich würd ich später gern Greys züchten. Viel zuwenig Leute wissen diese tollen, unkomplizierten Hunde zu schätzen.
Im Herbst soll eventuell noch ein zweiter einziehen, aber nur, wenn meine Finanzen bis dahin entsprechend geordnet sind.
Und wenn es PASST - zu mir und zu meinem Hund!