Für alle, die bereits ihre Popcorntüte in der Hand halten und hier mitlesen eine kleine Geschichte:
Auch ich war mal 7. Ok, die Zeiten waren etwas anders, wir Jungs rannten 7-8 Monate im Jahr mit kurzen Lederhosen rum, die Milch gab es noch nicht in Flaschen sondern mußte noch mit der Kanne im Krämerladen geholt werden, aber es gab damals bereits Hunde und wir hatten den größten und tollsten im Dorf, eine Dogge. Damals hatten die Erwachsenen nicht viel Zeit übrig, um ihne Hunde zu erziehen, die Scheppleine war noch nicht erfunden und wenn jemand am Stammtisch etwas von positiver Verstärkung und verhaltenspsychologischem Hintergrund erzählt hätte, dann wäre er vermutlich dauerhaft aus der Dorfgemeinschaft ausgegrenzt worden. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wie meine Eltern unser Riesenmonster erzogen haben, aber sie haben es wirklich gut gemacht. Seit ich mich erinnern konnte war er da, riesig, stark absolut souverän. Egal an was ich zog und zerrte und wenns sein Schniedel war, er war die Ruhe selbst. Er begleitete mich wie mein Schatten auf Schritt und Tritt, zog stoisch den Leiterwagen, brachte mir meine Meerschweinchen zurück wenn sie mal wieder auf Wanderschaft gingen und verhinderte allein durch seine imposante Erscheinung, daß der Rolf von der Poststraße mich verdachteln konnte, obwohl er gut zwei Kopf größer war und ich es mehr wie verdient hatte.
Er hielt sich an seine Regeln und die Hauptregel war unser Gartenzaun. Nun ja es war eher ein Zäunchen, nur einen halben Meter hoch und für unseren Aaron nicht wirklich ein Hindernis. er mußte schon aufpassen, daß er beim dranpinkeln nicht drübergefallen ist, aber er hielt sich strikt an die Regel die da lautete: nicht über den Zaun!
Nun, wahrscheinlch wäre meine Kindheit für die damalige Zeit als harmonisch zu bezeichen gewesen, wäre da nicht dieser Spitzmischling von der Oma aus der Nachbarschaft gewesen. Er mochte mich nicht. Vielleicht war es, weil ich ihm nicht den richtigen Respekt als Hund entgegenbrachte, aber wie sollte ich auch, Hunde hatten für mich einfach eine bestimme Größe, alles andere ordnete ich mehr der Gattung Katzen zu. Daß er mich nicht mochte zeige er mir jedoch auf eine recht unmissverständliche Art. Immer wenn ich beim Milchholen am Haus der Oma vorbeiging schoß er wie ein Blitz unter der Gartenbank hervor und tobte zähnefletschend den Gartenzaun auf und ab. Das Schauspiel wiederholte sich jeder Woche und wäre eigentlich nicht erwähnenswert, wenn, ja wenn da nicht ab und zu die Gartenzauntüre offen gewesen wäre. Die Gelegenheit nutzend stürmte der Spitz geradewegs auf mich zu und versenkte seine Zähne in meiner nackten Wade. Er zerrte ein wenig daran herum und verschwand gerade rechtzeitig wieder hinter seinem Gartenzaun, ehe ich ihm mit der Milchkanne eine verbraten konnte.
Klar wußte ich daß Indianer keinen Schmerz kennen, aber in diesem Moment war mir auch klar, daß ich kein Indianer war.
Schreiend humpelte ich nach Hause und als ich die Gartentür öffnete stand er schon da, schnüffelte an meinem verletzten Bein, schleckte es fürsorglich ab und nahm mich an seinem starken Hals mit ins Haus. Dort wurde ich medizinisch mit Kamillenlspülung und Pflaster versorgt wie es damals halt so üblich war.
Nun was soll ich sagen, wie jeder richtige Tierbiss heilte die Wunde schlecht und war über Wochen vereitert. Besonders unangenehm und schmerzhaft wurde es, wenn der Spitz dann in diese, noch nicht verheilten Wunden biß. Ach, ich vergaß wohl zu erwähnen, daß sich dieser Vorgang insgesamt siebenmal so ereignet hat, eben immer, wenn die offene Gartentür mit meinem Milchholen kollidierte und jedesmal nahm mich mein bester Freund in Empfang, schnüffelte und lecke und tröstete mich mit einem Blick aus seinen traurigen Augen.
Nun, die Dinge verändern sich und das ist gut so, sonst würden wir mit der Zeit auch das Murmeltier totschlagen.
Ich erinnere mich noch genau. Es war ein schönner Sommermorgen, einer mit diesem Duft nach frischem Heu und kindlichem Abenteuer. Gerade war der Gasmann vorgefahren und stemmte die leeren Gasflaschen aufseinen Kleintransporte, Mutter stand an der offenen Gatentür, die Geldbörse in der Hand und da fuhr sie langsam vorbei auf ihrem schwarzen Damenfahrrad und an ihrer Seite trabte, mit stolz erhobenem Kopf ihr Spitz.
Mein großer schwarzer Schatten löste sich von mir, huschte leichtfüßig an meiner Mama vorbei, sprintet los und.... ein Biß, ein Quitschen ein Schütteln. Das Blut spritzte... der Kopf kullerte in eine ausgetrocknete Wasserpfütze und Fellflocken schwebten durch die Luft. Ruhig kam er zurück durchs Gartentor und holte sich seine Strafe ab. er schaute mich an und ich wußte daß er es nur für mich gemacht hat...damit sich endlich was ändert.
Seither habe ich ihn mit anderen Augen gesehen, und ihn nie wieder zu unseren kleinlichen und kindlichen Bandenkämpfen mitgenommen. Ich wollte nicht, daß er nochmal was ändert.