Ein Argument, das noch nicht gefallen ist, ist folgendes:
Wir Menschen haben jahrtausendelang Hunde genau darauf selektiert, dass diese eine enge Bindung an Menschen haben, Emotionen, Körperhaltung und Gesichtsausdrücke von Menschen zu deuten wissen und darauf eingehen können.
Z.B. Fingerzeig irgendwohin in den Raum - Wölfe kennen das nicht, es ist ihnen auch nicht beizubringen, dem ausgestreckten Finger mit dem Blick zu folgen - das ist eine hündische Eigenart, die wir Menschen aber durch unsere Selektion hervorgebracht haben. Selbst Menschenaffen reagieren nicht oder nur nach entsprechender menschlicher Sozialisation auf Fingerzeige, also wäre der selbstverständliche Gebrauch des ZEigefingers bereits eine "Vermenschlichung", wenn der Hund nicht durch uns so bereit wäre, das auch zu verstehen.
Ein Hund ist also bereits evolutionsbedingt (also die künstliche Evolution durch den Menschen) ein sehr viel "menschlicherer" Tierpartner, als alle anderen Tiere und insofern erzwingt diese Prägung auf uns und unsere menschlichen Eigenarten auch bereits eine gewisse "Vermenschlichung".
Klar - wenn einem "jemand" (also ein Hund) mit dem Intellekt eines eineinhalb bis drei Jahre alten Kindes entgegentritt, der dann auch noch die gezüchteten Fähigkeiten mitbringt, Emotionen und Körpersprache des Menschen zu interpretieren UND durch soziale Bindung auch noch eine solche Einheit mit "seinen" Menschen bildet, dann kann man als Mensch doch schon gar nicht mehr anders, als diesem Hundejemand mit einer ganz anderen emotionalen und sozialen Haltung und eher als eigenständiger Persönlichkeit entgegenzutreten als meinetwegen einer Schildkröte, die hauptsächlich auf Temperaturunterschiede reagiert und wenn man an ihr vorbeigeht, nach 10 Sekunden erst gemerkt hat, dass da was passiert ist und dann erst hinterherschaut.
Insofern ist eine gewisse "Vermenschlichung" nicht vermeidbar, denn die Hunde sind durch Zucht einfach schon so unglaublich stark auf uns getrimmt, es tritt einfach ein "Eliza-Effekt" ein (bitte lesen: http://de.wikipedia.org/wiki/ELIZA), wobei ein Hund eben im Gegensatz zu Eliza *tatsächlihc* in der Lage ist, sehr vieles zu verstehen und folgerichtig zu reagieren und auch zu abstrahieren und eigene Kommunikationswege zu "erfinden", um uns Menschen zu bedeuten, was er grade möchte.
Dazu gehört schon ein sehr großes Einfühlungsvermögen in die menschliche Psyche, was ich insofern schon so beachtlich finde, weil Hunde mit Menschen oft sehr gezielt und "menschlich" kommunizieren, während die gleichen Hunde unter Hunden dann wieder ganz anders kommunizieren und "hundisch" reden. Sie sprechen also quasi zwei Sprachen, auch wenn diese Sichtweise jetzt vermenschlicht ist.
Insofern denke ich, dass die einzigen Menschen, die Hunde nicht "vermenschlicht behandeln" (vermenschlichen möchte ich jetzt noch gar nicht sagen), solche sind, denen die Hunde als soziale und lebende Wesen egal sind - also die berühmten traurigen Kettenhunde, die ignorierten Zwingerhunde und die reinen Arbeits- und Kampfmaschinen - oder auch die Hunde, die für Pelz und Nahrung herhalten müssen.
Nächster meiner Punkte:
Wann ist etwas "vermenschlichend"?
Mal ein paar Beispiele:
-> Hund kommt im Mäntelchen dahergelaufen
-Möglichkeit a) Hund friert, Hund ist krank, Hund ist eine Rasse, die nicht
überlebenstauglich ist aufgrund von Fellstruktur (besonders die Bichon-
Verwandten) und daher friert
-Möglichkeit b) Hundehalter betrachtet Hundi als Modepuppe, als lebendige
Anziehpuppe und staffiert ihn deshalb aus, auch wenn der Hund das weder braucht, noch will
-> Hundehalter trägt Hündchen die Treppen
- Möglichkeit a) Hund ist noch jung oder hat Patellaluxation, HD, Bandscheibe, sonstwas und muss getragen werden,
weil sich sein gesundheitlihcer Zustand sonst verschlechtern würde
- Möglichkeit b) Hundehalter denkt sich "ogott, das arme Hundchen, so viele Studen, das hat bestimmt Angst
treppab zu laufen
-> Hundehalter fährt Hundi im Buggy herum
- Möglichkeit a) Hund ist alt, Hund ist lahm, Hund möchte aber trotzdem
an die frische Luft und zwischendurch mal ein paar Schritte laufen - was tut man also?
Hund kommt in einen Buggy, ich kenne einen Fall von Rudelhaltung, wo die älteste Dame
einfach Arthrose hat, aber leiden würde, wenn sie mit dem restlichen Rudel nicht trotzdem auf die Spaziergänge mitkönnte
- Möglichkeit b) wie schon von jemand anderem genannt: Mensch hat einfach nen Hau weg und der arme Hund darf seine
Füße nicht gebrauchen, weil er sich die Füße schmutzig machen könnte, oder
ihm was passieren könnte, oder das schicke Mäntelchen dreckig werden könnte
-> Weihnachten kriegt der Hund ein Geschenk und ein besonderes Essen
- Möglichkeit a) der Mensch denkt, Hund muss auch was kriegen, weil ja Weihnachten ist und man nicht allen was schenken und nur den Hund leer ausgehen lassen kann und er womöglich noch "enttäuscht" wäre
- Möglichkeit b) der Mensch ist sich klar, dass kein Hund der Welt die Bedeutung von "Weihnachten" begreifen kann, und er auch an jedem anderen Tag glücklich über ein besonderes Futter und ein neues Spieli gewesen wäre, aber möchte Weihnachten im allgemeinen Glückstaumel eben auch mit einem noch glücklicheren Hund verbringen und tut dies also im Prinzip schon wieder auch für sich selbst.
Will also sagen: ob etwas "vermenschlichende Behandlung" von Seiten des Menschen ist, ist oft also auch Betrachtungsweise von aussen. Und als Aussenstehender weiß man eben auch meist nicht, was nun wirklich das ist und sollte sich daher auch keine Meinung oder Wertung darüber erlauben.
Ich persönlich habe nichts dagegen, dass mein Hund sich einsaut und wie ein Hund benimmt, dann kriegt er halt eine Unterbodenwäsche (Fußhupe), wenn mein Hund aber wegen der Kälte und Nässe nicht mehr rauswill (weil sie Fusselfell hat, sofort bis auf die Haut nass ist und im Schnee den Swiffer spielt) und nach 5 Metern zitternd den Streik einläutet, dann ziehe ich ihr was an, damit sie trotzdem auch im Winter freudig durch den Schnee toben kann.
Wenn sie nachts zittert, weil wir bei 14 Grad oder kälter schlafen, sich wärmesuchend um meinen Kopf wickelt, bis ich am Ersticken bin, dann nehme ich sie auch mal unter die Decke - bis es ihr wieder warm genug ist. Im Schlafzimmer schläft sie seit Anfang an, weil wir einfach der Meinung sind, dass ein Rudel zusammen schlafen sollte - im Bett schläft sie aber erst, seit ich das erste Mal krank war und sie mir Tag und Nacht Gesellschaft leistete - danach habe ich sie vermisst, weils so schön war). Sie schläft also nicht im Bett, weil ich denke, sie müsste und sie hätte es dort bequemer, das wäre in meinen Augen tatsächlich vermenschlichen - sie schläft bei mir, weil ich es will und sie es zusätzlich auch noch genießt (Kontaktliegen fast die ganze Nacht hindurch von ihr aus) bzw. nichts dagegen hat.
Und wenn ich sehe, dass sie bei dem warmen Mäntelchen, das ich für sie genäht habe (bei dem der ganze Bauch schön doppellagig zugedeckt ist) nach dem ersten Schneefallspaziergang damit freudig wedelnd auf mich zugelaufen kommt und den Kopf durchsteckt (wo sie vorher beim Anblick vom Mantel erstarrt ist und erstmal ins Körbchen gegangen ist), dann zeigt es mir, dass sie das Angebot von Wärme trotz kaltem Wetter durchaus zu schätzen weiß, auch wenn sie einen Mantel an sich nicht mag.
Ich versuche zwar, es auf natürliche und hundgerechtere Weise hinzukriegen (also. z.B. für den Winter das Fell länger wachsen zu lassen, was aber nicht geht, weil ihr das tägliche Entfilzen dann zu weh tut und ihr in der Wohnung viel zu warm wäre), aber das reicht leider nicht immer.
Für mich ist also "vermenschlichen" eher die Sichtweise, dass ich hündische Bedürfnisse, Ausdrücke, Körpersignale ausschließlich aus Menschensicht interpretiere - und dann so darauf reagiere, als wäre der Hund ein Mensch. Das wird dann zum Problem, wenn diese Interpretationen dann erwartungsgemäß bei Hundelaien total *falsch* sind.
Dummerweise ist ja der Hund nun derart gestrickt, dass er so oft auch im Wortsinn durch "uns gestrickt" und durch einige Ähnlichkeiten in der Mimik und Körpersprache von Säugetierspezies zu Säugetierspezies einfach auch nach Menschenmaßstäben zu interpretieren *ist*.
Man braucht also schon genauere Hundekenntnis, um zu wissen, welches Verhalten und welche Mimik nun uminterpretiert werden muss (in eine hundetypische Sichtweise) oder welche auf Menschenart interpretiert werden darf, weil dies Verhalten durch künstliche Evolution oder Ähnlichkeiten unter Säugetieren einfach *gleich* ist und damit eine Art Universalsprache.
Ein Beispiel für diese "Universalsprache" ist z.B. das Weiten der Augen bei Schreck und Angst - machen auch nicht nur Säugetiere sondern z.B. auch Vögel.
Ducken und Kleinmachen bei Bedrohungsgefühl, Starrer Blick beim Drohen, dem Blick eines anderen auszuweichen wenn man sich bedrängt fühlt... das ist alles sowohl typisch menschliches Verhalten als auch typisch hundisch und typisch säugetierisch, so dass man hier ganz selbstverständlihc von sich auf den anderen (in diesem Fall den Hund) schließen kann, darf und muss.
Beispiele für die abweichende Bedeutung wären aber z.B. sowas:
Wenn der Mensch beim Nachhausekommen denkt, der Hund habe etwas angestellt, obwohl er es nicht hat, und hätte ein schlechtes Gewissen, weil er dem Blick ausweicht und sich klein macht, was nach menschlicher Interpretation so ein Verhalten "schlechtes Gewissen" bedeuten würde., dieses Verhalten aber *selbst* beim Nachhausekommen und der Erwartungshaltung durch eine entsprechende Mimik (Starren, strenger Gesichtsausdruck, steife Schritte) *ausgelöst* hat und der Hund in Wirklichkeit nicht in der Lage ist, ein schlechtes Gewissen für etwas zu haben, was er nicht getan hat, ich persönlich bezweifele überhaupt, dass ein Hund ein "schlechtes Gewissen" haben kann - Angst vor Konsequenzen ja - aber ein "schlechtes Gewissen" ala "das war jetzt moralisch nicht korrekt" - nein.
Dann gibt es noch die Sorte von Vermenschlichung, wo der Hund zum Objekt wird und für mich persönlich die einzige Art von Vermenschlichung, die ich wirklich schlimm finde (die andere negative ist ja wenigstens nur Dummheit):
- wenn Hunde die Nägel bunt lackiert bekommen
- ohne Not (oder für eine Fotosession) Kleider tragen müssen, weils ja so chic ist
- das Fell in bunten chemischen Farben passend zu Frauchens Haaren gefärbt wird
- der Hund entweder ein Leben in Handtasche, auf dem Arm oder fernab jeder Pfütze und jedem Spaß verbringen muss
- er schlicht nicht neben der Menschenähnlichkeit auch noch zwischendurch mal richtig "hund" sein darf sondern tatsächlihc wie ein kleines Kind leben muss
Solche Sachen wie tolle schicke Hundehalsbänder, schöne Körbchen etc. sehe ich übrigens überhaupt nicht als "vermenschlichen".
Weil üblicherweise ist jedes verschwenderische Frauchen und Herrchen sich dessen bewusst, dass dem Hund total egal ist, wie das aussieht, was er um den Hals kriegt oder welche Farbe sein Napf hat oder ob der auf einem Bambusgerüst steht oder auf dem Boden... Frauchen und Herrchen haben da SELBST Spaß dran und wissens auch - insofern machen nicht sie dem Hund eine interpretierte "vermenschlichte Freude", sondern sich selbst.
Ich gestehe, dass ich meiner grauen Mücke inzwishcen alles in Pink kaufe oder mache - Halsband, Leine, Schneeanzug, Pulli und Mantel - sie sieht einfach total klasse aus in Pink, und wenn ich schon den Hund in solche peinlihcen Dinge stecken muss, dann soll es wenigstens lustig und für mich frech aussehen. Aber ich mache oder kaufe ihr halt nichts, was nicht sowieso nötig ist - Ausnahme sind Hundehalstücher, die finde ich einfach klasse. Aber ich tue es eben nicht für den Hund, sondern für mich und weil *ich* die Farbe schick finde an ihr.
Ja.. das sind so meine Gedanken zu diesem Thema.
Sorry, ist jetzt sehr lang geworden, das ist aber auch einfach ein so vielschichtiges und interessantes Thema..
LG,
Monica