Zitat
Wie ich ihn bestrafe, weiß ich in der Theorie schon... Ich nehme an, Du meinst ihn auf den Rücken zu werfen, oder?
Das wäre mit Kanonen auf Spatzen schiessen! Auf den Rücken werfen oder Schnauzengriff sind wirklich nur bei schwerwiegenden Sachen angesagt.
Ich hatte Bestrafung schoneinmal hier im Forum beschrieben... Da ich das jetzt nicht mehr finde, hier ein Auszug aus unserer Mappe für unsere Hundeschule zum Thema
Strafen
Unter Strafe versteht man alles, was dem Hund unangenehm ist. Dies kann vom Leinenruck über die Bedrohung ohne Körperkontakt bis hin zum Zufügen von Schmerzen vieles sein. Abhängig ist dies natürlich auch von dem zu strafenden Hund – der eine Vierbeiner ist sensibler als der andere.
Man nennt Strafe auch aversive Reize.
:arrow: negative Verstärkung
Etwas Unangenehmes wird aus der Situation entfernt.
Beispiel: Man drückt solange auf das Hinterteil des Hundes bis sich dieser Hinsetzt, weil er dem Druck ausweichen will. (Dies ist gleichzeitig die positive Bestrafung für das Verhalten Stehen!)
:arrow: positive Bestrafung
Etwas Unangenehmes wird der Situation hinzugefügt.
Beispiel: Jedes Mal, wenn der Hund den Ansatz macht aus dem Liegen aufzustehen, bekommt er einen scharfen Leinenruck. Um den Schmerzen zu entgehen bleibt der Hund schließlich liegen.
Das Problem beim Trainieren mittels Strafe ist, dass der Hund kein Verhalten lernt, sonder lediglich eines zu unterdrücken – ein unerwünschtes Verhalten wird also gehemmt und tritt somit zukünftig seltener auf. Bleibt die Strafe aber aus, kehrt das Verhalten wieder. Da dem Hund immer etwas Unangenehmes droht, ist dies unweigerlich mit Stress verbunden. Unter Stress ist es jedem Lebewesen nur erschwert oder gar nicht möglich zu lernen. Daraus folgt unmittelbar, dass Strafe beim Üben von erwünschten Verhaltensweisen wie das Hinsetzen, bei Fuß gehen und so weiter nicht sinnvoll ist, sondern zu einem langsameren Lernen beiträgt.
Der Hund hat beim Lernen mittels Strafe keine Chance ein neues Verhalten zu lernen, sondern lediglich ein bereits vorhandenes nicht mehr auszuüben. Da wundert es nicht, dass Hunde, die mittels Strafe ausgebildet werden, weniger aktiv sind und schon gar nichts ausprobieren. Das Risiko einer Bestrafung wird von keinem Lebewesen in Kauf genommen – da wird es lieber untätig.
Versucht der Hund sich der Strafe zu entziehen (durch Flucht, Unterwerfung oder Gegenaggression), heißt das nicht, dass er „seinen Fehler“ bereits erkannt hat, sondern er möchte lediglich der unangenehmen, wenn nicht sogar schmerzhaften Situation ausweichen.
Die Folgen von Bestrafung sind zusätzlich noch eine Reaktion auf die Anzeichen die der Strafe vorausgehen, wie beispielsweise Arm heben, halten von länglichen Gegenständen, bestimmte Körperhaltung usw..
Was ist beim Strafen zu beachten?
Wie bei der positiven Bestärkung ist das unmittelbare folgen der Bestrafung auf das Verhalten unumgänglich (1-2 Sekunden). Sie sollte das zu strafende Verhalten bestenfalls abbrechen, noch besser, im Ansatz unterbinden!
Der Hund bezieht die Strafe auf genau die Situation, in der die Strafe erfolgt!
Die Stärke der Strafe sollte dem zu strafenden Verhalten entsprechen. Es gilt: Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen! Andererseits muss die Strafe so „hart“ sein, dass sie bleibenden Eindruck beim Hund hinterlässt – er also das Verhalten sofort abbricht. Beginnt man mit einer eher harmlosen Strafe und steigert sie mit zunehmender Zeit, erreicht man nichts anderes als eine Gewöhnung des Hundes an diesen Reiz. Am Ende reagiert der Hund sogar auf einen erheblichen Strafreiz nicht mehr. Strafen sollte möglichst selten erfolgen!
Weiterhin muss das unerwünschte Verhalten jedesmal bestraft werden! Es gibt in diesem Fall keine Ausnahmen, die Situation muss also immer kontrolliert werden, ansonsten führt es nicht zum Erfolg und das Verhalten wird beim Hund weiterhin auftreten.
Um dem Hund die Möglichkeit der Verhaltensänderung zu geben, sollte man ein Warnsignal einführen, dass immer vor der Strafe erfolgt und dem Hund noch die Chance auf Änderung seines Tuns gibt.
Selbst, wenn man lerntheoretisch alles richtig macht, kann es beim Strafen schnell zu Fehlverknüpfungen kommen. Der Hund könnte die Strafe beispielsweise nicht unmittelbar auf sein Verhalten beziehen – wie es der strafende Mensch eigentlich möchte – sondern auf den Ort, die anwesenden Personen oder den Strafenden selbst. Ein Beispiel: Der Hund wird für das Hochspringen an fremden Personen bestraft. Der Hund bezieht die Strafe auf die Anwesenheit fremder Personen und möchte zukünftig beispielsweise Abstand zu diesen, da sie ja Strafe bedeuten. Um den Abstand so groß wie möglich zu halten, beginnt er schon frühzeitig bei Erblicken der Menschen zu Bellen und „Theater“ zu machen um diese zu vertreiben.
Ein zweites Beispiel: Der Hund wird auf einem Hundeplatz mittels Strafe erzogen. Beim Anblick dieses Platzes zeigt er Beschwichtigungssignale und möchte den Platz gar nicht betreten. Manche Hunde beziehen das sogar auf die anwesenden Trainer und zeigen das Verhalten auch außerhalb des Platzes, wenn diese anwesend sind.
Sinnvoller ist es bei Situationen, die nur mittels Strafe abgebrochen werden können auf „anonyme“ Strafe zurückzugreifen. Mit dieser Technik bezieht der Hund den Strafreiz nicht auf den Mensch, bzw. auf die Anwesenheit des Menschen. Als Beispiele wären hier das Bestreichen von Gegenständen mit widerlichen Mitteln, damit der Hund nicht daran knabbert, das Werfen von Klapperdosen (wenn der Hund nicht zum Mensch schaut!), Spritzpistolen und die Verwendung von Elektroimpulsen (Achtung: Halsbänder dieser Art sind verboten!).
Nach einer Strafe sollte niemals direkt eine Belohnung (positive Bestärkung) erfolgen, da die Gefahr besteht, dass man so die Strafe zur Vorankündigung für ein Futterstück macht. Dies geschieht schnell, wenn der Strafreiz vom Hund als wenig schlimm empfunden wird.
Der Körpernahkampf...
Es gibt grob unterteilt drei Möglichkeiten zu strafen – je nach Hund gibt es unendlich viele Möglichkeiten dazwischen:
Wie wird es gemacht?
Wann wendet man das an?
Man beugt sich drohend über den Hund, starrt ihn dabei an und brummelt mit knurriger Stimme drohende Worte.
Diese Strafe, die ja ohne körperliche Berührung einhergeht und somit die Individualdistanz noch ein Stück weit wahrt, sollte bei kleineren Regelübertritten angewendet werden. Ein Beispiel: Der Hund soll beim Spazierengehen hinter dem Mensch bleiben, möchte aber gern nach vorn, weil da etwas Interessantes passiert.
Man beugt sich über den Hund und drückt ihn mit der Hand im Nacken nach unten (Nicht schütteln!). Auch hier droht man zusätzlich mit tiefer Stimme.
Der Hund reagiert auf das Strafen ohne Anfassen nicht.
Der Schnauzengriff! Er geht mit dem unter der ersten Möglichkeit genannten Signalen durch den Menschen einher, beinhaltet aber zusätzlich einen Griff über die Schnauze des Hundes. Es wird dabei nicht fest zugedrückt, aber man kann den Hund ruhig leicht Richtung Boden drücken. Hält er still, beendet man die Einwirkung.
Der Schnauzengriff ist sozusagen die „schlimmste“ Strafe, die der Hund von einem Rudelchef bekommen kann. Deshalb wendet man ihn auch äußerst selten an. Normalerweise kommt es nur sehr sehr selten zu Situationen wie direktes Drohen gegen den Menschen, so dass man auf diese Strafe zurückgreifen muss.
Alle Strafen sollten dazu führen, dass der Hund sich langsam oder nicht mehr bewegt, den Blick bzw. den Kopf wegdreht und andere Beschwichtigungssignale zu sehen sind. Außerdem entfernt sich der Hund nun lieber von seinem Menschen um nach einiger Zeit durch Verhaltensweisen wie Pföteln, Unterwerfungsgesten usw. wieder die Aufname ins Rudel zu erlangen.
Strafen durch den Mensch selbst unterliegt dem Hundeknigge und sollte auch nur mit Bedacht durchgeführt werden. Nicht gerechtfertigte Strafe wird vom Hund meist mit Gegenaggression beantwortet! Der Hund ist kein Sklave, der sich alles gefallen lassen muss! Hunde, die sich bei Aggression seitens ihres Menschen schnell auf den Rücken werfen und sogar noch unter sich pinkeln, sind nicht besonders unterwürfig, sondern haben schlicht Angst vor diesem Menschen.
Direkte körperliche Bestrafung durch den Menschen sollte nur im „sozialen Rahmen“ erfolgen. Ein Beispiel: Der Hund macht sich auf dem Sofa breit und lässt keinen anderen mehr darauf. Oder: Der Hund stellt sich beim Spazierengehen immer demonstrativ vor seinen Besitzer um in jeder unerwarteten Situation das „Rudel“ anzuführen.
Vorsicht! Konzentriert sich der Hund gerade auf das Ankeifen eines anderen Hundes, ist keine Strafe (schon gar kein Schnauzengriff!) durch Rudelmitglieder erlaubt! Hier bringt man den eigenen Hund besser durch Splitten wieder zur Ruhe. Andernfalls braucht man sich nicht über Bissverletzungen zu wundern!
Die Folgen
Strafe, besonders unsachgemäß angewandte, kann zu Spätfolgen wie Aggressionen, Angst, Zurückgezogenheit, Hyperaktivität usw. führen. Von diesen Problemen können etliche Tierschutzorganisationen ein Lied singen... Leider sind solche Erfahrungen nie wieder aus dem Kopf des Hundes herauszubekommen – sie begleiten ihn für den Rest seines Lebens! Man kann Hunden, die misshandelt und geschlagen wurden, mittels Blütenessenzen ein Stück weit über diese traumatischen Erfahrungen hinweghelfen.
Das „schlechte Gewissen“
Wie oben schon beschrieben muss korrekte Strafe unmittelbar auf das Verhalten erfolgen bzw. dieses abbrechen. Man kann dem Hund ja nicht erklären, dass es nicht gut war als er vor 23 Minuten den Mülleimer sortiert hat... Der Hund zeigt aber deutlich, dass er ein schlechtes Gewissen hat? Der Hund reagiert in diesem Fall lediglich auf einen offensichtlichen Angriff durch seinen Rudelchef. Die Erfahrung hat ihn gelehrt, dass dieser immer auf ihn losgeht, wenn er in dieser Körperhaltung, mit dieser Mimik und dieser Stimme hereinkommt.
Fazit
Strafe gehört nicht in die Grundausbildung des Hundes! Verhaltensweisen wie Sitzen, Hinlegen, am Bein laufen und Herankommen werden mittels positiver Bestärkung trainiert – das ist völlig stressfrei und mit viel Freude für Mensch und Hund verbunden!
Im alltäglichen Leben kommt es nur zum Strafen, wenn anders nicht mehr möglich!
Je seltener der Mensch straft, je kompetenter er Situationen ohne Strafe meistert, desto mehr Vertrauen hat sein Hund zu ihm und desto entspannter ist das Verhältnis zwischen Mensch und Hund!
Zum Weiterlesen...
So lernt mein Hund
Der Schlüssel für die erfolgreiche Erziehung und Ausbildung
Sabine Winkler
© 2001, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH&Co., Stuttgart
Ist das ausreichend zum Thema?
Gruß Corinna