Vielen Dank für das Feedback.
Ich traf die Besitzerin heute auf der Straße, die mich mit "Trainieren Sie Hunde?" ins Gespräch evrwickelte. Da dachte ich erst "oh nee, nicht schon wieder" , da stellte sich aber heraus, dass sie die Besitzerin des besagten Hundes ist und ihre Nichte bereits mit ihr über unser Gespräch am Morgen unterhalten hatte.
Ich hatte mich in Absprache dann für den Abend angemeldet, um ihr mal 2 Trainerempfehlungen vorbeizubringen.
Aus dem Vorbeibringen des Zettels wurden dann gute 2 Stunden.
Vorab: der Rüde ist aus Spanien, nicht aus Rumänien und bereits als 8-wöchiger Welpe zu ihnen gekommen. Wohl auch nicht als Geschenkt, sondern nachdem sie sein Bild beim Tierarzt sahen. Sie hatten auch schon immer Hunde, Dackel - und der Welpe wurde als wahrscheinlicher Dackel-Pinscher-Mix vermittelt. Er ist wirklich viel, aber Dackel sicherlich nicht - windiger Einschlag könnte sein und auch soetwas wie Ridgeback/Staff/was auch immer, der Kopf ist recht kompakt. Vermutlich ist der halbe FCI-Katalog in dem Hund vereint...
Als ich klingelte, schlug der Hund sofort an.
Mein Vorhaben war: Hund nicht beachten, weder anschauen, noch ansprechen. Klare Körperhaltung, aber absolute Passivität. 15-20 Minuten (schätze ich, ich hab bei sowas immer ein schlechtes Zeitgefühl...) dauerte es, bis er nicht mehr permanent bellte/wuffte/knötterte.
Er war permanent unter Spannung, permanent auf dem Sprung - soetwas habe ich noch nie gesehen.
Ein Kandidat, der definitiv "flight" statt "fight" wählen würde nach meiner bisherigen Einschätzung. Der Hund ist auch noch nie nach vorne gegangen, sagte die Besitzerin, wenn ihm etwas nicht behagt, haut er ab. Und wenn es die Bürste ist, die er nicht an sich spüren möchte. Wenn ihm draußen etwas nicht behagt, flüchtet er sich allerdings hinter seine Besitzer und haut nicht ab - das ist ja auch schon einmal etwas und spricht dafür, dass die Beziehung zumindest zu den Besitzern auch durchaus positiv belegt ist.
Danach war jede minimale Bewegung meinerseits ein Grund, rumzuknöttern. Irgendwann legte er sich immerhin ab, hatte mich aber permanent im Blick. Seine Besitzerin gab mir einige Zeit vorher bereits ein paar Leckerlis, die ich aber noch einbehielt.
Anderer Besuch füttert ihn wohl immer, wenn er knötternd auf dem Sofa liegt und wirft ihm die Brocken zu. Ist natürlich der falsche Ansatz.
Als er dann zur Ruhe gekommen war und im Zimmer stand, hielt ich einige Minuten ein Leckerlie in der hohlen/flachen Hand, die seitlich von meinem Körper hing. Das war ihm noch zu heikel... ich warf ihm ein kleines Bröcken zu (ungefähr auf die Hälfte der Distanz zwischen mir und ihm und als er still war - er war definitiv am Keks interessiert ;D), beachtete ihn aber sonst nicht weiter und er nahm es auf.
Der erste Schritt, immerhin fraß er trotz des Stresses.
Ich hielt wieder meine Hand seitlich vom Körper von mir weg, aber auch von ihm weg, so dass die Hand nicht auf ihn gerichtet war und er entscheiden konnte, ob er von der Seite rangehen mag oder nicht. Und er tat es. Nachwievor habe ich nicht mit ihm gesprochen, sondern mir währenddessen ganz normal mit der Besitzerin weiter unterhalten.
Er war wirklich PERMANENT auf dem Sprung, so einen angespannten Hund habe ich wirklich noch nicht erlebt, allzeit bereit jede Sekunde auf die andere Seite des Zimmers zu flüchten. Was muss der Kerl erlebt haben... Jede minimale Bewegung, die ich in den ersten 45 Minuten machte, wurde mit unsicherem Gebrummel und der Tendenz "weg von der Frau" quittiert. Wahnsinn...
Das wiederholten wir einige Male, er taute langsam auf. Die Besitzerin war völlig von den Socken, da er das noch nie gemacht hat. Er hat noch nie bei fremden Leuten aus der Hand gefressen. Als ich fragte, wie sie das denn sonst handhabe, sagte sie, der Besuch, der ihn füttere bzw. die Brocken immer zuwirft (auf die Idee mit den Leckerlies kamen sie immerhin schon selber), schaut ihn dabei immer an und spricht auch mit ihm.
Das ist in meinen Augen viel zu viel Interaktion mit dem Hund für den Anfang, das muss unglaublich langsam aufgebaut werden, absolut bei null...
Ich hab ihr gesagt, dass sie den Grundsatz "Hund ignorieren" für jeden Besuch zur Wohnungsbetretungsregel machen solle. ;o)
Irgendwann kam er sogar initiativ zu mir und ich habe mal versucht, ihn ganz seicht mit einem Finger am Kinn zu berühren als ich ihm den Keks gab - das ließ er ohne Probleme oder auch nur einem Ansatz von Fluchttendenz zu.
Irgendwann spürte ich, dass er von der anderen Seite kam und an meiner Jacke schnüffelte (ohne Keksmotivation ;o).
Später konnte er sich sogar selber erlauben, sich auf's Sofa zu legen und die Augen zu schließen. Natürlich war er bei jedem von mir fabrizierten Geräusch einer Bewegung schnell mit den Augen bei mir, blieb aber mit aufgelegtem Kopf liegen und kommentierte das auch nicht.
Mehr habe ich heute nicht gemacht. Ich fand die Entwicklung (wenn man davon schon sprechen kann - ich nenne es mal eher "Tendenz") durchaus positiv und der junge Mann hat durchaus Potenzial. Wenn man da dran bleibt, sehe ich da durchaus Chancen, diesen Hund einigermaßen alltagstaglich zu bekommen - mit wahnsinnig viel Zeit und Geduld.
Als ich aufstand, um zu gehen, war er von 0 auf 180 in ca. 1,5 Sekunden Er kam aber recht flott zu mir, obwohl ich stand und war dann auch mal still als er meinen Sessel abschnuffelte, das belohnte ich erneut und er konnte neben mir stehen, obwohl ich stand.
Das Ehepaar ist übrigens körperlich in keiner sonderlich aktiven Verfassung Ich bot ihnen an, dass - sollte es uns gelingen, eine einigermaßen stabiles Vertrauensverhältnis aufzubauen - ich ihn durchaus mal ausführen würde, wenn sie sich das vorstellen könnten.
Das nahmen sie dankend zur Kenntnis.
Knackpunkt in der Arbeit ist vermutlich die konsequente Umsetzung bestimmter Dinge seitens der Besitzer. Sie deutete an, dass sie bestimmte Dinge gar nicht könnte, weil sie dann doch denkt, dass sie böse mit ihm sei und er ihr das dann übelnehmen könnte oder er sich dann vernachlässigt fühlt. Puh... ich sagte ihr, das A und O in der Arbeit mit einem Trainer sei, dass die Besitzer gleichermaßen gewillt sein müssen, die Tipps wirklich mit langem Atem umsetzen zu wollen.
Ich bin mir nicht sicher, ob das überhaupt geleistet werden kann. Sie lieben ihren Hund über alles, aber das ist ja bekanntlich nicht alles.
Ich hoffe inständig, dass sie sich die professionelle Hilfe auch holen.
Soweit erst einmal von mir...
Liebe Grüße,
Kathi