Chris, die Rassen spielen eine Rolle. Ich habe verschiedene Rassen. Umso näher man an der Urform ist, umso eher suchen die Schafe ihr Heil in der Flucht. Die Kamerun werden erst in großen Gruppen ruhiger. Unter 60 Alttieren ist fast schon zu klein. (Heißt nicht, dass man 60 oder mehr Kamerunschafe halten muss). Das heißt, ab diesem Punkt hat man einen Herdenverbund, der zusammen läuft. Geraten die Kamerunschafe in die Enge, dann ist deren "point of no return" eher erreicht, als bei meinen anderen Schafen, aber er ist auch anders geartet. Bei denen heißt das Kopf runter und dampframmenmäßig einen Ausweg bahnen oder springen und das wirklich beeindruckend hoch. Wirklich gezielte Angriffe sind das aber nicht.
Die Ouessantschafe haben einen hohen Grad an Umstellungen in der Haltung durchwandert. Auf der Insel wurden die Tiere frei gesetzt und z.T. wohl auch früher in Anbindehaltung gehalten, bis der Winter kam. In der Wolle, der Trittsicherheit, dem Ablammveralten sieht man das auch. Die sind robust und entwickeln auch andere Strategien, um den Hund auszutricksen. Da es auf der Insel aber keine solchen Bedrohungen und Zäune gab, wie hier, gab es da aber keine Strategie für Wildtierabwehr und heute (auf dem Kontinent) hat man ein XS-Schaf, das schlau ist, sehr wendig und flink. Das Herdenverhalten finde ich bei meinen schon bemerkenswert. Die Väter werden in den Lämmerdienst ebenso eingebunden, wie die Auen. Es trabt nicht zwingend das Lamm neben seiner Mutter her, das dazu gehört, sondern es gibt einen Kindergarten, in dem immer mindestens 2 Schafe abgestellt werden, um sich um die Kleinen zu kümmern. Lammt eine Aue ab, dann geht sie abseits, aber 2 Altschafe und ein Bock sind in der Nähe und wachen, bis Aue und Lamm stehen. In dieser Zeit dürfen sich Fremde nicht nähern. Die Böcke greifen dann gemeinsam an und haben eine kurze Lunte. Auch später achten sie noch darauf, die Damen abzuschirmen, aber dann bekommt man eine Warnung, wenn man die kritische Distanz unterschreitet. Ein Schaf ist immer zum Wachen am höchsten Punkt der Weide postiert. Es ist immer das gleiche Schaf und der Job wird umgehen weitergegeben, wenn dieses Schaf die Weide verlässt oder krank ist.
Meine Milchis sind wieder ganz anders - die Mutter bleibt bei ihrem Lamm und werden die älter, dann rufen sie ab und an mal ein "Wo bist du?" "Bin hier?" . Diese Schafe sind im ganzen viel schwerfälliger und machen eher mal Front. Dabei bleibt es dann aber auch. Geraten die in Wallung, dann rennen sie als dichtes Wollfeld los und das erinnert am falschen Ende der Herde an eine Reihe Footballspieler, die einen umwalzen. Ich kann euch sagen, man geht schnell zu Boden. Hab das ausgetestet. Wenn die in Panik sind, würden mit Sicherheit auch Jungtiere niedergetreten werden, wenn eines einen falschen Schritt macht und fällt. Aufsplitten tun sie sich nur unter Zwang und die Lämmer bleiben immer dran. Die Soay oder Kamerun legen sich ab wie Kitze.
Die GGH haben in allem eine kurze Lunte - Damen wie Herren und die greifen alles deutlich eher an, als alle meine anderen Rassen. Dabei können die erstaunlich gut zielen. Springen können die auch gut, aber mit Zwillingen oder gar Drillingen an Bord, geht ihnen die Bewegungsfähigkeit auf den dünnen Stelzen im letzten Drittel der Tragzeit verloren. Da die Damen wie die Herren praktische Henkel haben, tut es auch bei beiden gleich weh, getroffen zu werden .... tut aber auch ohne Hörner weh.
Die Skudden .... durchgeknallte Hektiker. Die kennen nur Flucht und brauchen eine sehr große Distanz. Die sind in allem kaum mal wirklich tiefenentspannt. Beim Fressen, Laufen etc. es wird immer die Umgebung gescannt und Fehlalarm gibt es bei denen nicht - Rennen geht immer, vorsichtshalber, nur zur Sicherheit, also immer. Denen würde ich neben den Kamerunern auch die größten Chancen einräumen auf der Flucht davonzukommen. Sie sind recht trittsicher und durchaus in der Lage mehrere "Hindernisse" zu umgehen. Meine kommen aber aus einer Haltung, in der sie nahezu ohne menschlichen Kontakt verwildert lebten. Die bei mir geborenen Lämmer sind zutraulich. Im Gefahrenfall - also eigentlich 23 h am Tag - rennen die natürlich auch mit den anderen. Was es bei den Skudden gibt es, wenn sie in die Enge getrieben werden, ein Schaf, dass quasi den Ausweg mit brute force finden muss. Ich schätze, dass wäre dann im Angriffsfall ein red shirt oder allen gelingt die Flucht. Bei uns ist das Jolly Jumper. Sie hätte tatsächlich Chancen auf der Flucht ein anderes Tier auszumanövrieren.
Ich schätze aber, dass in Deutschland nur die Schafe eine Chance hätten, denen das Überwinden der Zäune und Umschiffen aller anderen Gefahren gelänge. Die Zäune - erst recht die aufgerüsteten - stellen eine echte Hürde dar, die das Überleben als Weidetier einem Wildtier gegenüber ziemlich erschwert.