Züchter sind Träumer. Sie träumen von dem optimalen Hund, vom Besten, Schönsten, Leistungsfähigsten, Gesündesten. Diesem Traum jagen sie nach.
Haben sie eine gute Hündin, dann analysieren sie gnadenlos die Fehler heraus, versuchen an Hand von Informationen über die Vorfahren heraus zu bekommen, durch wen diese Fehler verursacht wurden.
Ebenso suchen sie die Vorteile ihrer Hündin. Was zeichnet sie aus, was soll bei den Nachkommen unbedingt weiter verstärkt, erhalten werden, um dem optimalen Hund ein kleines Stück näher zu kommen?
Nehmen wir einmal an, du hast eine Hündin mit einer Ahnentafel, ausgestellt durch einen Zuchtverein, der vom VDH anerkannt ist.
Du ziehst sie auf, wirst Mitglied in deinem Zuchtverband und wenn sie ein gutes Jahr alt ist, dann lässt du sie formbewerten. Dabei wird festgestellt, ob sie rein äusserlich dem Zuchtziel des Zuchtvereines entspricht.
Nehmen wir weiter an, die Richter sagen: Alles ist gut, nur die Hinterhand, die könnte besser sein, die ist etwas steil.
Dann machst du die weiteren nötigen Prüfungen, je nach Zuchtverein sind das Wesenstests oder Gebrauchsprüfungen, bis du alle erledigt hast.
Dann rufst du deinen Zuchtwart an und beantragst die Zuchtzulassung. Der prüft dann alles nach, was ihr bisher an Prüfungen gemacht habt und vergibt einen Zwingernamen, den du vorschlagen kannst. Nehmen wir an, du wohnst auf dem Land und hast eine dicke Buche im Garten. Dann würdest du vielleicht deinen Zwinger "von der alten Buche" nennen.
Dann hießen die Welpen später z.B. Axel von der alten Buche, Anton von der alten Buche, Anna von der alten Buche.
Du hast also die Zuchtzulassung bekommen. Dann ist die nächste Frage: Welchen Rüden nehmen wir denn?
Und jetzt wird s schwierig. Du hast nicht vergessen, deine Hündin hat einen leichten Fehler im Hinterbein. Du rufst deinen Zuchtwart an und beschreibst den Fehler.
Dann sagt der Zuchtwart vielleicht so etwas wie: Nimm mal die Ahnentafel. Hieß der Großvater vielleicht Pudlich vom dicken Bauch? Der hat immer ein etwas steiles Hinterbein vererbt.
Du siehst nach und tatsächlich kommt der Name in der Ahnentafel vor.
Damit scheiden alle Rüden aus, wo dieser Pudlich drin vorkommt, denn sonst würdest du das schlechte Hinterbein ja garantiert verstärkt herein züchten.
Dein Zuchtwart nennt dir jetzt vielleicht 10 andere Rüden und faxt dir deren Ahnentafeln zu. Du setzt dich hin und vergleichst: Welche Urgroßeltern haben welche Rüden und deine Hündin gemeinsam. Wie sahen die aus, welche Fehler hatten die? Kamen diese Fehler in ihren Nachkommen wieder oder nicht?
Kurzum: Wäre eine Mischung aus den Vorfahren und den Vorfahren deiner Hündin sinnvoll?
Nehmen wir an, deine Hündin heißt Berta vom Hühnerhof. Ihre Großmutter mütterlicherseits Claudia vom Walde. Du findest einen Rüden, dessen Vorfahren an der Entstehung der Berta oder der Claudia beteiligt waren, die also verwandt waren. Dann kannst du diesen Rüden bevorzugen, denn da die Erbanlagen teilweise einheitlich sind, kannst du davon ausgehen, daß die Welpen deiner Hündin rel. ähnlich werden.
Das kannst du ausrechnen:
Dein Hund hat 100 %
die Eltern jeder 50 %
die Großeltern jeder 25 %
die Urgroßeltern jeder 12, 5 %
Du lässt deine Hündin also decken. Der Rüde und deine Hündin haben eine gemeinsame Urgroßmutter, sind also zu 12, 5 % miteinander verwandt.
Das teilst du deinem Zuchtwart mit. Nach 63 Tagen werden pünktlich die Welpen geboren, nehmen wir an 8 Stück. Auch das teilst du deinem Zuchtwart mit, der dann 7 Wochen später zum tätowieren kommt und die Ahnentafeln für die Hündin ausstellt.
Ein Jahr später: Deine Nachzucht geht zur Formbewertung und siehe da: Alle sehen aus wie deine Hündin, aber 2 haben ein noch steileres Hinterbein, bei den anderen ist es besser.
Das hilft dir gewaltig weiter bei der Verwirklichung deines Traumes, du weißt nun, daß du durch Linienzucht, also Verwendung von Deckrüden, die mit deiner Hündin verwandt sind, das Hinterbein verbessern kannst.
Jetzt machst du einen Wiederholungswurf, nimmst also den gleichen Rüden wieder. Der Wurf fällt, du verkaufst alle Rüden, aber die zwei besten Hündinnen behältst du.
Die testest du ein Jahr lang aus. Nehmen wir an, rein äusserlich gefallen sie dir supergut und auch vom Wesen her sind sie fast genau so, wie du sie haben willst.
Du lässt sie formbewerten und dann schickst du die Mutter aufs Altenteil, denn du hast zum Züchten ja jetzt was Besseres. Die bessere der beiden Töchter lässt du decken, und zwar von einem Rüden, der ebenfalls mit deiner alten Hündin verwandt ist, aber etwas enger. Wo z.B. in der Mutterlinie eine gemeinsame Großmutter vorkommt. Die wären dann also zu 25 % miteinander verwandt. Du hast nachgeforscht, in der Familie des Rüden kommt kein steiles Hinterbein vor.
Der Wurf fällt und ein Jahr später siehst du: Keiner der Welpen hat mehr das steile Hinterbein, aber - 2 drehen vorne etwas nach aussen. Und schon gehts von vorne los, der nächste Fehler, den du auszüchten kannst/musst.
So geht das in etwa bei der reinen Formwertzucht, wo es also nur ums Äussere geht.
Bei uns Gebrauchszüchtern gehts noch ärger zu, die Hunde müssen ja auch noch ganz bestimmte Arbeits - und Verhaltensweisen haben. Da wird züchten erst recht zum Lotto.
Was brauchst du also zum Züchten?
- Eine Hündin mit Ahnentafel
- eine gute Formbewertung dieser Hündin
- die Mitgliedschaft im Zuchtverein
- ein unbestechliches und objektives Auge für Fehler
- viel Zeit und Geduld
- etwas Reserve auf der Bank
- ganz viel Liebe zur Ahnenforschung
----und einen lebenslangen Traum
Die vorstehenden Überlegungen, die beileibe nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und Ausschließlichkeit haben, zeigen im Umkehrschluß deutlich die Risiken der Vermehrung mit nicht durchgezüchteten Hunden.
Alles in unserer Natur beruht auf Zufall. Nichts ist vorbestimmt, nichts ist planbar, solange man der Natur nicht ins Handwerk pfuscht. Deshalb kann auch durch reine Vermehrung, also nicht planmäßiges Vorgehen bei der Wahl der Zuchtpartner, Hervorragendes herauskommen.
Aber, und dieses Aber müsste man riesengroß schreiben, geht man dieses Risiko ein, muß man sich auch damit abfinden, daß die Natur nach Versuch und Irrtum vorgeht. Wer also vermehrt, muß mit Irrtümern rechnen, mit wesensschwachen Hunden, mit Krankheiten, mit frühem Tod. Denn auch das ist der Natur zu eigen: Sie duldet keine Schwäche, sie ist gnadenlos und merzt aus, was keinen Erfolg hat.