Zitat
Hey Lisa,
was war denn euer Erfolgsrezept? Habt ihr irgendwas anders gemacht wie wir es jetzt zB versuchen wollen? oder war auch einfach nur Zeit & Gedult & die Hundevesrorgung von deinem Freund aus, euer Erfolgsrezept??
(...)
Hi
ein richtiges "Erfolgsrezept" hatten wir nicht. Zumindest nicht so, dass ich mich an etwas spezifisches Erinnern kann, keine Wunderwaffe...
Aber ich kann für dich zusammenfassen wie unser Leben aussah, inkl. der Veränderungen die stattfanden. (seeehr lang)
Erstmal die Fakten:
Alfons kommt aus dem Tierheim in Frankfurt, ursprünglich aber Rumänien. Er ist 2007 geboren und ist ein unkastrierter Ridgeback-Mix-Rüde.
Anfang Februar 2008 fingen wir an ihn (damals noch Gonzo) im TH zu besuchen. Da ich bereits vorgewarnt wurde, es sei kein einfacher Hund, und nur in erfahrene Hände abzugeben, setzte ich mich erstmal geschlagene 2 Stunden vor den Zwinger, drehte ihm den Rücken zu und ignorierte ihn. Kannst dir ja vorstellen wie furchtbar interessant ich dann plötzlich für ihn war .
Mit der Pflegerin durften wir dann auch kurz in den Zwinger rein. Sie sagte erstmal nix über ihn, nur dass es seien kann, dass er uns anspringt und in den Ärmel schnappt. Wir machten das Törchen auf, und Alfons sprang wie ein Känguru an uns rum, bellte, machte Sätze nach vorne und nach hinten, und zog irgendwann an unseren Ärmeln. Ich sah in ihm einen komplett gestressten Hund, der verschiedene Dinge will und garnicht weiss wo ihm der Kopf steht. Kitschig gesagt, wollte er nichts anderes als geliebt zu werden, eine Aufgabe zu bekommen, und ein friedlicher netter Hund zu sein. Er hatte nix was er wollte, er war verstört und hat Terz gemacht.
Hmpf. Mein Freund also schonmal so:
Ich: "Na-ah!" zum Hund. "setz dich mal hin, und mach dich locker". Setzt der Hund sich doch tatsächlich hin und ist brav und kommt runter. Mein Freund bewegt sich. Das gleiche Spiel mit Bellen und Springen wieder von Vorne. Eindeutig: Gonzos Nerven liegen blank!
Trotz Diagnose Dachschaden -oder gerade deshalb- verliebte ich mich nach 10 Besuchen endgültig in ihn. Mein Freund fand das zu dem Zeitpunkt noch gut.... die Pflegerin war glaube ich aufrichtig begeistert, das ich das neue Frauchen werde, trotz jungem Alters. wenns klickt, dann klickts eben!
Leider war ich die einzige die das so sah... und die einzige die von Alfons (neuer Name, neues Glück!) akzeptiert wurde. Er vertraute niemandem. Nicht einmal Kastanien, Schnecken, Plastikbechern, Treppen, Bäumen, Mülltonnen....
Außerdem war die Klingel oder generell das Thema Besuch, wie zB die Post etc. der reinste Horror und er wurde von anderen Hunden nicht gerade nett behandelt, was vermutlich an dem Hormon-Chip lag, der vom Tierheim gesetzt wurde, da sie ihn nicht endgültig kastrieren wollten, aufgrund seiner Psyche.
Nach nur 2 Tagen hassten alle Alfons, und Alfons hasste auch alle anderen.
Mein Vater wie auch mein Freund wollten lieber, dass ich ihn wieder abgebe, es würde doch keinen Sinn machen. Keiner wollte ihn für das sehen was er ist... im Endeffekt einfach total verstört und liebesbedürftig. Leider ohne Selbstvertrauen, was durch Aggressionen überdeckt werden musste.
Er urinierte häufig kleine Mengen, zeigte 24 Stunden am Tag Beschwichtigungszeichen, und bellte sich in Trance. Nur wenn er mit mir alleine war nicht...
Meine erste Baustelle war mein Freund: Ihn dazu zu bringen, sich emotional zu öffnen, und Dinge auf sich zukommen zu lassen, grenzte an das Unmögliche... aber siehe da... Er gab ihm eine Chance.
die zweite Baustelle war, Alfons zur Ruhe zu bringen. Garnicht so einfach, denn wirkliches Vertrauen in den Mensch hat er ja nicht. Hier waren klare Ansagen, und ignorieren meinerseits -was damals die Hölle auf Erden für ihn war-, sowie immer ein Notfall Topfdeckel das "Rezept". FALLS er nach Vorne gehen sollte, war immer ein Erschreck-Topfdeckel dabei, und so bescheuert wie es klingt, so hat sich mein Freund wenigstens sicher gefühlt, und durch die Sicherheit kam Alfons wieder weiter.
Die Panik vor Gegenständen oder Menschen vom Hundi bekommen wir mit Kommandos und Tricks ganz gut in den Griff. zB die Türklingel wurde immer gedrückt als wir vom Gassi zurückkamen, und er sowieso Sitz machen musste, während ich meinen Schlüssel rauskramte oder auf den Buzzer wartete.
Leckerli zeigen->Klinge drückenl->Leckerli->Sitz->Leckerli und ganz riesig loben.
Später dann nur noch Klingel drücken->Sitz-> "suuuuuper!!"
"Geh mal gucken" oder "ja auf, guck mal wer da ist" heissen "der tut dir nix, ich wette der hat sogar was zu essen".
Das habe ich natürlich anfangs nur mit Menschen gemacht, von denen ich wusste, dass sie ihn nicht anfassen, sondern ihn einfach Kontakt suchen lassen. Auch bei Gegenständen hat es ähnlich funktioniert. zB die Angst vor Mülltonnen wurde durch Leckerlisuche unter dem Mülltonnenboden vernichtet. Das Geräusch zweier aneinanderstoßender Eierbecher aus Metall wurde mit "klingel!" betitelt, und er musste die Eierbecher gegeneinanderschubsen um ein Leckerli zu bekommen, bzw Leckerlis draus futtern, während die Becher gegeneinanderscheppern durch das Schlabbern.
Also... kurz gesagt: ALLES (auch mein Freund) wurde mit viel "das ist sooo toll und suuuupiiiii" angekündigt, und dann hab ich einfach mit den Sachen agiert, als ob es das verständlichste der Welt wäre.
Beim Gassi gehen habe ich immerwieder meinem Freund die Leine in die Hand gegeben, Alfons bekam Lob und Leckerlis, und mit "bleib" musste er bei meinem Freund bleiben, obwohl ich etwas wegging. Anfangs rastete er da komplett aus und machte sich ins Hemd, aber er lernte:
Wenn ich ruhig bleib, kommt Frauchen zurück, und hat sogar noch ein Leckerchen dabei!
Bei uns gab es auch von Anfang an nur Handfütterung, die dann eben auch mein Freund übernahm, immer ein Trick oder "hier" und dann 3-5 Futterstückchen. Tag für Tag.
Ich bin, wenn Alfons zu mir kam zum Streicheln auch immer nur ganz zurückhaltend gewesen, kam er hingegen zu meinem Freund, hat er natürlich Streicheleinheiten kassieren können.
Desweiteren haben ihm, gegen die allgemeinen Ängste und Unsicherheiten die "erlaubten Sünden" geholfen.
Er knurrte immer, wenn er draußen etwas hörte. Er durfte dann einfach mit auf das Kuschel-Sofa, auf dem er weiss, dass da nich gemosert wird. Nur Hippie-Time und ganz viel Liebe
Sarauf haben wir mit ihm plakativ ruhig und gelassen mit ihm gekuschelt, und sobald er wegen einem Geräusch gemosert hat, haben wir nur müde "Nönö!" gesagt und ich hab ihn immer etwas angestubbst.. so wie zwei putzende Hunde oder Katzen unter sich. Einfühlsam aber bestimmt, und dann habe ich ihn weitergestreichelt.
Bei solchen Sachen hat mein Freund NIE mitgestreichelt! Er hat sich nur dazu gelegt, und Alfons die Chance gelassen, selbst anzukommen. Diese Chance wurde auch schnell mal genutzt, wenn auch immer nur für kurze Zeit. Wenn Alfie merkt, dass er sich zu sehr gehen lässt, spannt er sich plötzlich wieder an und hat muss Abstand halten.
Manchmal läuft er auch immer noch den ganzen Tag mit eingezogenem Schwanz rum, bellt panisch rum wenns klingelt oder ähnliches... aber deshalb lieben wir ihn ja auch!
Die Beziehung zwischen Alfons und Samuel ist stetig gewachsen und mittlerweile bin ich manchmal sogar neidisch auf die "Männerfreundschaft".
Joggen oder kleine Sprints haben Alfie auch etwas auftauen lassen. Seine "Durchdreh-5-Minuten" entdeckte er dadurch, und fands am Anfang befremdlich, am Ende aber super, wenn mein Freund mit der Schlepp mal etwas vorgejoggt ist, und ihn aufmunterte mitzukommen. Wenn das nicht klappte bin ich einfach meinem Freund hinterhergejoggt und hab mich ganz übertrieben darüber gefreut und Party gemacht.
Zum Affen machen ist die beste Medizin!
PS: noch ein Tip wegen dem Anleinen.. ich würde einfach mal ein Geschirr nehmen, das bequem sitzt, und das schon vorher in der Wohnung dranlassen. Mal zum Füttern anleinen etc.
Bei einem Geschirr fummelt man nicht so am Hals rum.. Oder ein Halsband an dem eine große Schlaufe ist, damit man auch mit Individualdistanz die Leine dranmachen kann.