Milo ist je nach Form alltagstauglich oder zumindest alltagstolerabel.
Eigentlich (siehe Baustellen unten) könnte er problemlos abgeleint werden, denn er interessiert sich nicht für Wildfährten, bei anderen Hunden muss er nicht durchstarten, und selbst wenn er nicht jeden Rüden mag, ist er absolut kein Raufer. Hören tut er im Normalfall gut, achtet auch sehr auf seine Menschen und entfernt sich nie weit von einem.
Zuhause ist er im Normalfall ruhig, mag Kinder, Frauen und alte Menschen, sowie Männer, die nicht bedrohlich auf ihn wirken. Er hört gut und macht nichts kaputt, bleibt problemlos alleine.
Baustellen sind noch (und werden uns auch noch ne Weile erhalten bleiben):
- er hat ein grosses Problem mit erwachsenen Menschen, die sich schnell bewegen (ausschliesslich Jogger und Radfahrer, sowie Leute, die schnellen Schrittes zum Bus hetzen). Das ist so, seit ich ihn habe. Laut Pflegestelle hat er schon im Welpenalter schnell laufende Menschen gehetzt und sich in Hosenbeine verbissen - dort fand man das lustig.... Inlineskater, Tretrollerfahrer, Elektrobikes sowie rennende und radelnde Kinder bis zum Teenageralter machen ihm dagegen gar nichts aus, normale Fussgänger ignoriert er sowieso. Ich hab keine Ahnung, wieso er so auf rennende und radelnde Erwachsene fixiert ist, aber es ist natürlich sehr einschränkend, zumal wir in einem Stadtgebiet wohnen, wo IMMER jemand joggt oder mit dem Rad fährt. Milo ist bei rechtzeitiger Sichtung an der Schleppleine durchaus abrufbar, aber ohne Eingreifen würde er sich bei gereizter Wetterlage in Todesverachtung vor dahinflitzende Rennvelos schmeissen und fremde Jogger wüst geifernd nach Hause eskortieren. Ob er tatsächlich jemanden zwicken würde, weiss ich nicht, ich werde es mit Fremden auch nicht ausprobieren. Bei joggenden/radelnden Bekannten reicht ein Ansprechen ihrerseits, und er lässt sie in Ruhe. Aber rennende Fremde sind für ihn, wie soll ich es ausdrücken, Feindobjekte? Ist er kurz angeleint, stressen ihn Begegnungen mit fremden Joggern/Radlern auf engem Raum ziemlich, mittlerweile merkt man es jedoch von aussen dank Training kaum noch. Dennoch weiss ich, dass es in ihm brodelt und nur ganz allmählich eine Desensibilisierung einsetzt. Ach ja, Katzen sind ihm ähnlich suspekt, aber das stört im Alltag halt doch nicht so arg wie das Angrummeln der anderen Zielgruppe.
- er tobt, wenn die Türklingel geht. Ja mei. Er kriegt sich schnell wieder ein, drum steck ich meine begrenzte Energie lieber in die schwerwiegenderen Baustellen. Dauergebelle würd ich nicht tolerieren, aber das find ich jetzt nicht so schlimm.
- er verteidigt seine Bezugspersonen bellend/knurrend gegen andere Hunde und gegen fremde Leute, die plötzlich auf Nahkontakt gehen (Umarmen, Bussi - bei Kindern stört es ihn zum Glück nicht). Lässt erzieherisch auf sich einwirken, aber ganz ausmerzen lässt sich die Tendenz derzeit noch nicht bei ihm. Hier muss man auch wieder vorausschauend agieren (rechtzeitig verwarnen, wegschicken).
Es ist auch nicht immer gleich. Sämtliche Baustellen sind entweder kaum bemerkbar (an guten Tagen) bis seehr stark ausgeprägt (wenn der SD-Kasper wieder zuschlägt oder er irgendwo was Getreidehaltiges gefressen hat).
Früher, als ich noch daran glaubte, was mir der Hundetrainer erzählte ("in einem halben Jahr ist das gegessen"), hab ich mich sehr unter Druck gesetzt. Inzwischen weiss ich, dass das - wenn überhaupt - nur unter optimalen Umständen möglich gewesen wäre (also keine Diss nebenher am Laufen, am gleichen Strang Ziehen aller Bezugspersonen, kontrollierbares Umfeld, tägliches konsequentes Training mit viel geistiger Auslastung ohne lange Unterbrechungen). Ich hab eingesehen, dass ich das momentan nicht stemmen kann. Drum seh ich es gezwungenermassen wieder etwas lockerer, und die Aussicht auf ein paar weitere, ehem, *lustige* Jahre verderben mir nicht den Tag oder die Freude am Hund. Es geht ja trotzdem irgendwie vorwärts. Es ist definitiv eine stetige (wenn auch laaaaangsame) Veränderung da, und seit einiger Zeit hab ich auch wieder Hoffnung, dass dieser Hund im mittleren Alter (also sagen wir so mit 6-8 Jahren) vielleicht doch mal so sein wird, wie ich ihn ursprünglich haben wollte.
Es ist aber beruhigend zu lesen, dass es noch andere Halter gibt, bei denen Erziehung sich nicht als idiotensichere Sache, die man im ersten Jahr routinemässig nebenher erledigt, sondern als (hunde)lebenslange Aufgabe herausgestellt hat.