Es gibt da auch ein gesellschaftliches Phänomen, sehr deutsch und in den letzen zehn, fünfzehn Jahren entstanden: Aus Fehlern lernen ist hier absolut pfui. In den Vereinigten Staaten beispielsweise wird jemand, der drei veritable Pleiten hingelegt hat und erst beim vierten Anlauf erfolgreich ist, als zäh angesehen und dafür hoch eingeschätzt. In Deutschland bedeutet ein einziger ökonomischer Bauchplatscher meist das Game-over für immer.
Hierzulande bemüht man sich, alles direkt richtig und perfekt und bloß keinen Fehler zu machen. Da werden Bücher gekauft, alles nach allen Seiten abgesichert und dann wird irgendwann mal zaghaft der Kopf aus der Grasnarbe hervorgestreckt. Ich halte das für eine unsinnige Verhaltensweise. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es einen richtig guten Autofahrer/-in gibt, der mit 18 den Führerschein macht und sauber bis zur altersbedingten Erblindung sein Kraftfahrzeug über die Straßen steuert. Es ist doch vielmehr so, dass die meisten erstmal zwei, drei alte Karren rundfahren, in den Graben hoppeln oder ein paar Verkehrsschilder umnieten. Irgendwann sitzt das aber alles und es passiert nichts mehr.
Ich will jetzt Unfälle mit toter Materie nicht mit groben Erziehungsfehlern an einem Lebewesen geichsetzen, aber auch hier schadet blinder Ehrgeiz und überhöhte Zielsetzungen. Da wird der erste Floffi angeschafft und es soll direkt der beste, wohlerzogenste, vorbildlichste, nichtbettelnde, nichtbellende, nichtjagende, leinenführigste und beneidenswert perfekte Begleiter werden. Dafür nimmt man sich Hundetrainer, geht auf Seminare, kauft sich Bücher, arbeitet sich prophylaktisch durch sämtliche Foren und wenn dann doch nicht alles läuft wie geschmiert... oh mein Gott. Da hat doch gestern tatsächlich die alte Oma auf der Straße den Kopf geschüttelt und "blöder Köter" gezischt. Das geht natürlich nicht, also noch einen 10er-Block bei der Hundeschule gebongt. Oder zu einem anderen Trainer - der erste hat's ja nicht gebracht: bestimmt die falsche Lehrmethode! Oder direkt zum Tierarzt mit solider verhaltenspsychologischer Ausbildung, der Hund muss ganz klar eine schwere Störung haben.
Jemand, der in seinem Leben schon einige Hunde verschiedenster Couleur großgezogen hat, ist nicht mehr so leicht aus der Ruhe zu bringen und wahrscheinlich auch nicht der allerbeste Kunde einer Hundeschule. Es ist überhaupt nichts an dem Besuch einer guten Hundeschule auszusetzen, aber perfekt im Umgang mit dem Hund wird man auch davon nicht. So was braucht Erfahrung und die ist durch nichts zu ersetzen - dafür aber auch für jeden erhältlich. Nur dauert es halt etwas.
Viele Grüße,
Ralf