Beiträge von Estandia

    Ab wann habt ihr eure Hunde aus dem Tierschutz freilaufen lassen? Denkt ihr ich sollte es versuchen oder soll ich mir an die 1-Jahr-Regel halten?

    Was sind die wichtigsten Punkte um Freilauf zu gewähren?

    Ich hatte einen Hund aus dem Tierschutz und in seinem Vertrag stand glaube etwas generisches wie (zur Sicherheit) die ersten 6 Monate an der Leine lassen. Der Hund lief nach 3 Monaten zum ersten Mal frei, dann wurde es nach und nach ausgeweitet... Der Hund lief ohne Probleme bis zu seinem Lebensende mit fast 19 Jahren frei, auch hat er die Leinenführigkeit nie vergessen und an der Leine laufen war zeitlebens nie ein Problem.


    Für mich war wichtig vor dem Ableinen zu wissen, auf welche Trigger der Hund reagiert, welche Tendenzen er zeigt, welche Entscheidungen er allein schon an der Leine trifft. Und Freilauf wurde unter kontrollierten Bedingungen getestet. Richtige und gute Entscheidungen des Hundes wurden belohnt, nettes Verhalten bestätigt, kritisches Verhalten verhindert und gutes Benehmen gefördert. Ich hatte Wert auf Erziehung gelegt und weniger auf das Trainieren von Signalen. Ich wollte einen "erzogenen" und keinen "trainierten" Hund, ich wollte, dass der Hund sich von selbst gut benimmt, weil es sich für ihn gut anfühlt ohne Schaden und Ärger durch die Welt zu gehen und dabei easy seine Bedürfnisse befriedigt zu bekommen. Ich hätte mir nie einen entspannteren Hund wünschen können, aber das war eine Lernkurve (meinerseits) bis dahin. Und ich wusste auch genau, was der Hund nicht konnte, was ich ihm nicht zumuten würde und welche Situationen keinen Mehrwert für ihn boten. Also ja, für Freilauf sollte man seinen Hund kennen und einschätzen können, und habe ich Zweifel, lasse ich die Leine dran. Genau wie wir haben Hunde eine Tagesform und wenn die heute keinen Freilauf zulässt, dann ist morgen auch noch ein Tag.

    Nancy Tucker – The First Day of Spring


    "Chrissie Banks ist 8 Jahre alt und die Beste in allem. Sie weiß wie man Süßigkeiten klaut, ohne erwischt zu werden, kennt die besten Verstecke beim Spielen und kann die längsten Handstände. Sie bleibt auch am längsten draußen und kann machen was sie will, denn mit einem abwesenden Vater und einer Mutter, die ihr weder Essen noch Aufmerksamkeit gibt, ist Chrissie ein zutiefst vernachlässigtes Kind. Ein Kind, dass mit aller Gewalt nach Ansprache, Zuwendung und Kontrolle sucht. Und so tötet Chrissie den kleinen zweijährigen Sohn einer Nachbarsfamilie. Noch Tage danach verspürt sie das ersuchte Gefühl von Macht und Überlegenheit und das Geheimnis gibt ihr die Illusion besonders zu sein – 15 Jahre später versucht Julia, Mutter einer fünfjährigen, so gut wie es eben geht ihr Leben und das Kind auf die Reihe zu bekommen. Als das Telefon anfängt zu läuten, wächst in Julia die angst, der Anrufer weiß wer sie ist und was vor all den Jahren passiert ist. In einer Kurzschlussreaktion setzt sie alles aufs Spiel ..."


    In einer abwechselnden dualen Perspektive wird hier die Geschichte von Christine Banks erzählt, die gleich auf der ersten Seite des Buches den zweijährigen Steven tötet. Tucker verwendet einen rauen, beunruhigenden Ton, der die Denkweise eines Kindes einfängt, das die Tragweite seiner Handlungen nicht ganz begreift und dadurch kommt es immer wieder zu bitterbösen Situationen, gerade gegenüber Stevens Schwester und den Eltern. Niemand weiß, was Chrissie getan hat und lange schwelgt sie in dem Gefühl unbesiegbar zu sein. Julias Zeitleiste ist ebenso interessant, zutiefst verunsichert versucht sie mit Routinen und Regeln, das Wohlergehen ihrer Tochter sicherzustellen, als Molly sich aber ihre Hand bricht, weiß Julia, dass jetzt das Sozialamt kommt und ihr Molly wegnehmen wird.


    Für mich ein nahezu perfekter Mystery-Thriller. Die zweite Hälfte wird sogar noch besser als die erste es schon ist. Die erforschten Themen sind

    • Vernachlässigung und die Auswirkungen von Kindheitstraumata - Chrissies Erziehung ist geprägt von Vernachlässigung, Hunger und emotionaler Verlassenheit. Ihre Handlungen entspringen einem tief sitzenden Bedürfnis nach Kontrolle und Aufmerksamkeit.
    • Schuld und Erlösung - Wie Julia lebt auch Chrissie mit der Last ihres vergangenen Verbrechens. Der Roman geht der Frage nach, ob Erlösung für jemanden möglich ist, der etwas so Schreckliches getan hat.
    • Mutterschaft und Angst vor vererbter Gewalt - Julia macht sich Sorgen, dass sie als Mutter ungeeignet ist, da sie befürchtet, dass sie ihre eigenen Schäden aus der Kindheit an ihre Tochter weitergeben könnte.
    • Das Urteil der Gesellschaft über kriminelle Kinder - Das Buch wirft schwierige Fragen darüber auf, wie die Gesellschaft Kinder, die schreckliche Verbrechen begehen, betrachtet und rehabilitiert.

    Samanta Schweblin – Seven Empty Houses / Sieben leere Häuser


    "Die sieben Häuser in diesen sieben Geschichten sind seltsam. Es fehlt eine Person, eine Wahrheit oder eine Erinnerung; einige Räume sind verlockend, andere nicht greifbar, wieder andere leer. Doch in Samanta Schweblins spannungsgeladenen, visionären Erzählungen schleicht sich immer wieder etwas hinein: ein Geist, ein Kampf, Eindringlinge, eine Liste mit Dingen, die man tun muss, bevor man stirbt, die erste Begegnung eines Kindes mit der Dunkelheit oder die Fehlbarkeit der Eltern. In jeder Geschichte gibt es Wendungen, die verunsichern und überraschen: Schweblin geht nie den erwarteten Weg, sondern gräbt unter die Haut und enthüllt surreale Wahrheiten über unser Gefühl von Heimat, von Zugehörigkeit und über die Zerbrechlichkeit unserer Beziehungen zu anderen."


    Diese Thalia-Beschreibung der englischen Version passt ziemlich gut. Ich fand Fever Dream zwar eher mittelmäßig, hatte aber Potenzial, diese sieben Kurzgeschichten schlagen im Ton in die gleiche Kerbe, ich fand sie durchweg gut und abwechslungsreich. Ich mag dieses unangenehme, wenn man eigentlich nicht weiterlesen möchte. Die längste Geschichte handelt über eine alte Dame, die (u.a.) von ihrer Nachbarin terrorisiert wird, aber eigentlich ist alles ganz anders und zudem echt traurig. Hauptthemen sind räumliche Angst, psychologische Verzerrung, Minimalismus und Horror.

    Wir sind wieder da von unserem Kurztrip nach Wien und es war toll! Schöne Stadt, nette Menschen, leckeres Essen, viel zu sehen, die Öffies super praktisch um schnell von A nach B zu kommen :bindafür:


    Jetzt überlegen wir Ende Mai ein paar Tage nach Oslo oder Stockholm zu reisen.

    Mein Vater, James Witherspoon, ist ein Bigamist. Er war schon zehn Jahre verheiratet, als er meiner Mutter zum ersten Mal begegnete. 1968 arbeitete sie am Einpacktresen von Davison's in der Innenstadt, wo mein Vater sie bat, ein Tranchiermesser als Geschenk zu verpacken, das er seiner Frau zum Hochzeitstag gekauft hatte. Mutter sagte, ihr sei klar gewesen, dass zwischen einem Mann und einer Frau etwas im Argen liegt, wenn eine Klinge verschenkt wird.


    Tayari Jones – Das zweitbeste Leben

    Claire Fuller – Bitter Orange / Bittere Orangen


    "Im Sommer 1969 geschehen zwei Dinge im Leben von Frances Jellico, die sie zum ersten Mal Freiheit und Selbstbestimmung empfinden lassen: Ihre dominante Mutter stirbt, und sie erhält den Auftrag, für das Lynton Herrenhaus ein architektonisches Gutachten zu schreiben. Frances löst ihre Londoner Wohnung auf und richtet sich für einige Wochen in Lynton ein. Die einzigen Bewohner des einsamen Hauses sind Cara und Peter, das Hausmeisterpaar, zu dem sie rasch eine enge, komplizierte Beziehung entwickelt. Denn Cara macht sie zu ihrer Vertrauten, während Frances sich zunehmend zu dem undurchschaubaren Peter hingezogen fühlt. Das Ende dieses Sommers besiegelt ein Ereignis, das für Frances den Rest ihres Lebens auf tragische Weise beeinflussen wird."


    Ein gediegener slow-burn Thriller, mit einer dunkeln psychologischen, schwer im Hintergrund mitschwingenden, Note. Es scheint Fuller's Art zu sein, mehr aufzubauen als einzulösen. Man vermutet immer "etwas mehr", die Ereignisse sind immer "etwas grusliger", man interpretiert in mehrere Richtungen, doch am Ende bleibt die Erzählung eine kleine Geschichte ohne große unglaubwürdige Abschweifungen, ich mochte es sehr.


    Frances erzählt ihre Geschichte des Sommers einem ehemaligen Pfarrer, der sie am Sterbebett besucht und ihr ein Geständnis über das entlocken möchte, was wirklich geschehen ist. Frances ist allein durch ihren desolaten Zustand unzuverlässige Erzählerin, doch langsam merkt man, dass sie sich absichtlich widerspricht, ausweicht und schweigt. Frances ist, wie Cara, ein faszinierender Charakter, gerade die Beziehung zu ihrer Mutter, die sie lange gepflegt hat, war unglaublich interessant, da hätte ich gern noch mehr von gelesen. Überhaupt fand ich die toxischen Dynamiken sehr spannend.


    Erforschte Themen sind Einsamkeit und Isolation, unzuverlässige Erinnerungen und Wahrheit, Besessenheit und Begehren, Schuld und Verantwortung, Täuschung und Manipulation, Verfall und der Lauf der Zeit.