Nancy Tucker – The First Day of Spring
"Chrissie Banks ist 8 Jahre alt und die Beste in allem. Sie weiß wie man Süßigkeiten klaut, ohne erwischt zu werden, kennt die besten Verstecke beim Spielen und kann die längsten Handstände. Sie bleibt auch am längsten draußen und kann machen was sie will, denn mit einem abwesenden Vater und einer Mutter, die ihr weder Essen noch Aufmerksamkeit gibt, ist Chrissie ein zutiefst vernachlässigtes Kind. Ein Kind, dass mit aller Gewalt nach Ansprache, Zuwendung und Kontrolle sucht. Und so tötet Chrissie den kleinen zweijährigen Sohn einer Nachbarsfamilie. Noch Tage danach verspürt sie das ersuchte Gefühl von Macht und Überlegenheit und das Geheimnis gibt ihr die Illusion besonders zu sein – 15 Jahre später versucht Julia, Mutter einer fünfjährigen, so gut wie es eben geht ihr Leben und das Kind auf die Reihe zu bekommen. Als das Telefon anfängt zu läuten, wächst in Julia die angst, der Anrufer weiß wer sie ist und was vor all den Jahren passiert ist. In einer Kurzschlussreaktion setzt sie alles aufs Spiel ..."
In einer abwechselnden dualen Perspektive wird hier die Geschichte von Christine Banks erzählt, die gleich auf der ersten Seite des Buches den zweijährigen Steven tötet. Tucker verwendet einen rauen, beunruhigenden Ton, der die Denkweise eines Kindes einfängt, das die Tragweite seiner Handlungen nicht ganz begreift und dadurch kommt es immer wieder zu bitterbösen Situationen, gerade gegenüber Stevens Schwester und den Eltern. Niemand weiß, was Chrissie getan hat und lange schwelgt sie in dem Gefühl unbesiegbar zu sein. Julias Zeitleiste ist ebenso interessant, zutiefst verunsichert versucht sie mit Routinen und Regeln, das Wohlergehen ihrer Tochter sicherzustellen, als Molly sich aber ihre Hand bricht, weiß Julia, dass jetzt das Sozialamt kommt und ihr Molly wegnehmen wird.
Für mich ein nahezu perfekter Mystery-Thriller. Die zweite Hälfte wird sogar noch besser als die erste es schon ist. Die erforschten Themen sind
- Vernachlässigung und die Auswirkungen von Kindheitstraumata - Chrissies Erziehung ist geprägt von Vernachlässigung, Hunger und emotionaler Verlassenheit. Ihre Handlungen entspringen einem tief sitzenden Bedürfnis nach Kontrolle und Aufmerksamkeit.
- Schuld und Erlösung - Wie Julia lebt auch Chrissie mit der Last ihres vergangenen Verbrechens. Der Roman geht der Frage nach, ob Erlösung für jemanden möglich ist, der etwas so Schreckliches getan hat.
- Mutterschaft und Angst vor vererbter Gewalt - Julia macht sich Sorgen, dass sie als Mutter ungeeignet ist, da sie befürchtet, dass sie ihre eigenen Schäden aus der Kindheit an ihre Tochter weitergeben könnte.
- Das Urteil der Gesellschaft über kriminelle Kinder - Das Buch wirft schwierige Fragen darüber auf, wie die Gesellschaft Kinder, die schreckliche Verbrechen begehen, betrachtet und rehabilitiert.