Beiträge von Estandia

    Ich persönlich hätte mir die letzten Jahre mit meinem Hund sehr gewünscht, dass ich nicht hätte arbeiten gehen müssen, dass ich nicht auf das Geld angewiesen gewesen wäre. Unser Hund ist mit 16/17 erst richtig alt geworden und ist dann sogar noch fast 19 geworden. Ich bereue echt, dass ich die letzten Jahre nicht mehr viel von ihm hatte, auch gerade weil er so noch ganz gut beisammen war.

    M. W. Craven – The Puppet Show / Der Zögling (Washington Poe-Serie Band 1)


    "Ein Serienmörder foltert seine Opfer in den uralten Steinkreisen der Grafschaft Cumbria und verbrennt sie bei lebendigem Leibe. Der Täter hinterlässt keinerlei Spuren - bis die scheinbar willkürlichen Foltermale des dritten Opfers bei einer genauen Untersuchung den Namen "Washington Poe" ergeben. Könnte Detective Poe das nächste Opfer sein?
    Eilig wird der zurzeit suspendierte Detective zurück in den Dienst beordert und zusammen mit der brillanten, aber sozial inkompatiblen Analystin Tilly Bradshaw auf den Fall angesetzt. Als weitere Opfer und Hinweise entdeckt werden, die sich offenbar gezielt an Poe richten, stoßen die beiden Ermittler auf ein lange gehütetes Geheimnis, das den Morden zugrunde liegen könnte. Je näher Poe dem Täter kommt, desto größer wird der furchtbare Verdacht, dass er den Mann kennt, den die Presse "den Brandopferer" getauft hat ..."


    Temporeicher, komplexer und zuweilen echt finsterer, fieser Thriller. Tolle Atmosphäre durch die raue, unaufgeregte Gegend und eine Handvoll gut ausgearbeiteter Charaktere. Poe ist facettenreich und nachvollziehbar, nicht immer sympathisch in seinen Aktionen aber mit einem starken Sinn für Gerechtigkeit. Von Tilly hätte ich mir noch mehr gewünscht, ein toller spleeniger Charakter, die an Poe's Seite schnell reift und sich weiterentwickelt. Bei all den Twists und Turns und offenen Enden gab es zum Schluss einer sehr befriedigende Auflösung.

    Alice Miller – Das Drama des begabten Kindes (Sachbuch)


    Da ich letztes Jahr "Am Anfang war Erziehung" schon so gut fand, wollte ich unbedingt wieder etwas von ihr lesen.

    Das Drama des begabten Kindes ist ein kurzes aber tiefgründiges psychologisches Büchlein, das sich auf die Kindheit und die emotionale Entwicklung von Menschen konzentriert, die in ihrer Kindheit besondere Sensibilität und Anpassungsfähigkeit gezeigt haben. Das Werk fokussiert sich auf die psychologischen Mechanismen, durch die Kinder sich an die Erwartungen ihrer Eltern anpassen und die langfristigen Auswirkungen dessen auf ihre psychische Gesundheit und Identitätsentwicklung. Das Buch ist ein Plädoyer für eine einfühlsamere und kindzentrierte Erziehung und mehr Selbstreflexion im therapeutischen Kontext.


    Behandelt werden die Themen

    • Elterliche Erwartungen und Anpassung
    • Verleugnung des wahren Selbst
    • der verlorene Zugang zu den eigenen Gefühlen
    • langfristige psychologische Auswirkungen
    • die unbewusste Wiederholung von Mustern
    • therapeutischer Prozess und der Weg zur Heilung
    • Kritik an traditionellen Erziehungsmethoden


    Ich mag die Thematik und finde sie extrem spannend. Gerade Miller finde ich super zugänglich und easy zu lesen, auch wenn der Inhalt ganz schön hart und niederschmetternd sein kann.

    Paul Tremblay – The Cabin at the End of the World / Das Haus am Ende der Welt


    "Eine abgelegene Ferienhütte am See in den Wäldern New Hampshires: Hier wollen Eric und Andrew gemeinsam mit ihrer siebenjährigen Adoptivtochter Wen eine Woche Urlaub machen. Kein Smartphone, kein Internet - nur Ausspannen und Zeit mit der Familie verbringen. Mit der Idylle ist es dann aber schnell vorbei, als eines Tages vier merkwürdige, bis an die Zähne bewaffnete Gestalten auftauchen. Sie versprechen, die junge Familie nicht zu verletzen. Sie sagen, dass sie Hilfe brauchen. Doch die vier verbergen ein dunkles Geheimnis und für Eric, Andrew und Wen beginnt der schlimmste Albtraum ihres Lebens ..."


    Jemand, der bei dieser psychologischen Horrorgeschichte sinnige Antworten auf alle Fragen und Ungereimtheiten will, ist hier definitiv falsch. Leser, die GERN alles hinterfragen und mit offenen Enden und Hinweisen ohne Auflösung klarkommen, kann das Buch durchaus was sein. Für mich war es am Ende dann doch zu viel "des Guten". Wie schon bei "The Pallbearers Club" wird die Frage echt oder unecht, wahr oder nicht wahr, hier noch etwas weiter getrieben.

    Ich mochte den psychologischen Aspekt der "Home Invasion" schon sehr. Vier bewaffnete Leute, die in deine Hütte eindringen und dir versichern, dir nichts zu tun, aber gleichzeitig ganz schön fiese Waffen dabei haben... Die Themen des Buches sind komplex, die (mir zu schwach ausgearbeiteten) Charaktere können sie aber nicht recht tragen, und die Narrative bleibt immer etwas oberflächlich, gerade auch, weil es keine definitiven Hinweise und Erklärungen gibt. Es kann halt nur den Austausch zwischen den Charakteren geben und auch nur das was jeder glaubt oder meint zu glauben. Die Fragen, die das Buch nach Moral, Aufopferung, Glaube und Paranoia stellt und diskutiert, waren schon interessant aber hatten letztendlich zu wenig Bedeutung für eine kraftvolle Erzählung.

    Max Porter – Grief is the Thing with Feathers / Trauer ist das Ding mit Federn


    "Eine junge Frau ist gestorben. Ihre Kinder, zwei kleine Jungen, und ihr Mann sind noch betäubt vom Schock, haben haufenweise Beileidsbekundungen und Lasagne zum Aufwärmen entgegengenommen, die notwendigen Dinge organisiert, und nun setzt die unerträgliche Leere ein. Da klingelt es an der Tür. Totenschwarz und gefiedert bricht es herein, eine überlebensgroße Krähe packt den Vater und verkündet: "Ich gehe erst wieder, wenn du mich nicht mehr brauchst."


    Eine Geschichte über Trauer und noch ganz viel mehr. Nicht-linear erzählt in drei Stimmen, dem Vater, den zwei Söhnen und der Krähe.

    Die väterliche Perspektive gibt Einblick in das tiefe Gefühl des Verlustes und seinen Kampf mit der Verantwortung, seine Kinder allein aufzuziehen. Die Stimme der Söhne bietet einen rohen und ungefilterten Blick auf die Trauer aus der Sicht von Kindern. Die Abschnitte offenbaren Verwirrung, Schmerz und den Versuch, ihre Mutter in irgendeiner Form zurückzubekommen. Die Krähe ist sowohl eine wörtliche als auch eine metaphorische Figur, die für die chaotische und unberechenbare Natur der Trauer steht. Sie ist manchmal tröstlich, manchmal störend, aber immer tiefgründig und hilft dabei, sich mit dem individuellen Schmerz der Charaktere auseinanderzusetzen.

    Die Phasen der Trauer werden in dem Buch nicht nach dem Elisabeth Kübler-Ross-Modell auf konventionelle, lineare Weise beschrieben und ist auch in keinster Weise ein Selbsthilfebuch. Stattdessen wird die Trauer in dem Roman als chaotischer, ungerichteter Prozess dargestellt, ist zutiefst persönlich und eine sich entwickelnde, vielschichtige Erfahrung, die für jeden Betroffenen einzigartig ist. Porters Art zu schreiben überwindet konventionelle Erzählformen, teils durch poetische Abschnitte, oft durch das Textlayout an sich. Stilistisch sicher nicht jedermanns Sache, aber eine Erfahrung wert mMn.

    A. K. Blakemore – The Manningtree Witches


    Ein historischer Roman, der sich mit den Hexenprozessen im England des 17. Jahrhunderts beschäftigt und die Geschichte der Frauen von Manningtree, einer kleinen Stadt in Essex, die der Hexerei beschuldigt werden, erzählt.

    Protagonistin und Erzählerin ist Rebecca West, 19jährig, die allein mit ihrer Mutter lebt und bald ins Visier der Hexenjäger gerät. Die Ankunft von Matthew Hopkins, dem selbsternannten "Hexenfinder General", bringt eine Welle des Terrors und des Misstrauens in die kleine Gemeinde. Rebecca und andere Frauen sollen mit dem Teufel im Bunde stehen und werden jede nach der anderen aus ihren Betten und Häusern gezerrt, verhört, gefoltert und später der Prozess gemacht.


    Die Geschichte basiert auf realen Ereignissen und Personen, nutzt aber natürlich literarische Freiheiten, um eine, wie ich fand, fesselnde und tiefgründige Geschichte zu erzählen, atmosphärisch sehr dicht und eindrucksvoll. Aber absoluter Slow burn und die größte Stärke lag mMn in den rar gesäten Dialogen. Themen des Buches sind Hexenverfolgung und Aberglaube, Gottesfürchtigkeit, Patriarchat und Geschlechterrollen, Macht und dessen Missbrauch, Gemeinschaft, Misstrauen und die allzu große Bereitschaft, Sündenböcke zu finden.

    Ich habe Sitz, Platz, Bleib (u.ä.) auch so trainiert, dass die Signale so lange gelten, bis ich sie auflöse. Ich hab nur das "Sitz" gebraucht, der Hund bleibt ja sitzen.

    "Bleib" hieß bei uns, verbleibe an Ort und Stelle, ob du sitzt oder liegst ist mir egal. "Zu bleiben" bedeutete bei uns auch, dass der Hund sich (deutlich) länger irgendwo aufhalten würde, Sitz und Platz waren bei uns Positionen, die von mir zeitlich wesentlich kürzer abverlangt wurden.

    Sue Rainsford – Follow Me To Ground


    Ada und ihr Vater leben unweit eines Dorfes in einer unbestimmten, surrealen Welt. Dorfbewohner kommen hin und wieder vorbei, um ihre Krankheiten und Leiden von Ada und ihrem Vater heilen zu lassen. Die beiden sind nicht menschlich, sie wurden nicht geboren, sondern gemacht. Und gerade Ada ist das Ergebnis einer langen Reihe von Versuchen ihres Vaters, sich eine Tochter und Helferin aus dem magischen, nährstoffreichen Boden des Gartens hinterm Haus zu formen. Doch Ada, so unmenschlich wie ihr Vater, beginnt Gefühle für einen kranken Jungen zu entwickeln, der nicht geheilt werden kann ...


    Belletristik trifft (Body)Horror trifft Magical Realism. Die Geschichte ist nicht-linear aufgebaut, mit einer Mischung aus erzählender Prosa und fragmentarischen Abschnitten, die sich mit Adas Gedanken, Erinnerungen und der Folklore der Welt befassen. Die Erzählung wechselt zwischen Adas Perspektive und den Stimmen einiger Dorfbewohner, was zur mystischen Komplexität und Unheimlichkeit der Welt beiträgt.

    Die vordergründigen Themen des Buches sind Heilung und Verwandlung, physisch wie metaphorisch, Identität, Selbstfindung, das Anderssein und schließlich die Entdeckung und Bewältigung von Sehnsüchten und Gefühlen.


    Thematisch aber nicht stilistisch hat mich "Follow me to ground" sehr an Aliya Whiteley's "From the neck up" und Matt Hill's "Lamb" erinnert. Ich fand's saugut und war angenehm überrascht! In diesem Zuge werde ich mir Rachel Yoder's "Nightbitch", Han Kang's "The Vegetarian" und Carmen Maria Machado's "Her Body and Other Parties" mal auf die Wunschliste setzen, die sollen sehr ähnlich sein.