Moin,
ich sehe jeden, für eine bestimmte Arbeit, gezogenen Hund, in nicht artgerechter Haltung kritisch. Hütehunde als reine Familienhunde zum Gassigehen und mal mit den Kindern spielen, das ist ebenso ungeignet wie ein Jagdhund in Familienhaltung. Nicht immer, aber oft genug.
Ich bin früher jagen gegangen und habe einen Habicht geflogen. Mein Malik ist ein hoch passionierter Hund mit unglaublichem Arbeitswillen. Der arbeitet bis zum Umfallen und fällt dann lang hin und pennt.... zufrieden.... er zeigt mir jeden Wildwechsel und anhand seiner Rutenbewegung kann ich sehen, wie frisch der ist. Er bringt mir Fallwild, was ich nicht immer schätze.....
Jagdhunde müssen bis zu einem gewissen Grad selbst entscheiden, was sie tun. Wittert mein Hund eine Krankfährte, ist er, das ist in meinem Revier sein Job, auf und davon und zu schauen was geht oder um auch zu bringen, was er bekommt. Ich erinnere mich, das er einmal, beim spazieren gehen, eine angeschossene Ente witterte und sie zwei Stunden lang suchte, verfolgte und mir brachte. Sie hätte den Herbst nicht überlebt. Und ich musste mich freuen, als er mit ihr endlich kam, sehr zur Empörung der Spaziergänger...... gut, das ich damals spazieren ging und keine Waffe dabei hatte.
Wenn es sich um Notfallhunde handelt und diese, mit einem klugen Beschäftigungstraining, abgelenkt werden, oder wenn sie mit artgerechten Methoden jagdlich beschäftigt werden (Fährtenarbeit, Apportiertraining, Frei-Verloren-Suche etc.) dann habe ich da überhaupt nichts gegen. Werden sie aber jagdlich ausgebildet um sich dann nicht ausleben zu dürfen, dann sehe ich das hochkritisch. Denn ein jagdlich arbeitender Hund in einem fremden Revier ist Wilderei, das sollte man wissen.
Ein Hund, der gelernt hat, Wildfährten zu verfolgen (Schweißhunde werden zuerst mit Rinderblut ausgebildet) wird kribbelig, wenn er eine solche findet und ist unter Umständen weg. Kein Jagdhund ist 100% abrufbar, wer das behauptet, der lügt!
Wenn bei uns die Brut- und Setzzeit beginnt, dann wird mein Malik mit zunehmdner Dauer kribbeliger..... er will jagen gehen und darf nicht. Zu Beginn hört er auf den kleinsten Fingerzeig, je später das Jahr, desto massiver muss ich werden. Und wehe wir treffen gegen den Wind auf Wild, das dann vielleicht zu spät flüchtet.... dann kann ich nur hoffen, das ich nah genug bin, was der Grund dafür ist, das Malik ohne Leine "kurz" gehen muss, so 15 mtr. um mich herum. Jagdhunde haben einen weitaus größeren Kreis um ihren Chef als nichtjagende Hunde. Sie müssen eben auch in der Lage sein, allein durchs Gelände zu gehen, wenn sie zu sehr an einem kleben, ist das nicht möglich.
Wir haben hier immer wieder Hund die Wild reißen, Rehe, Hasen, was sie bekommen. Bei uns brüten in den Wiesen Graugänse und auch die fallen hin und wieder Hunden zum Opfer. Oft genug sind es Jagdhunde, deren Trieb einfach ausbricht.... ist es dann vielleicht auch Nachbars Katze, dann ist das Geschrei groß. Zudem, ist er auf der Schweißfährte und das Wild ist noch nicht tot, ist es der Job des Hundes das Tier fest zu halten und ich als Jäger muss es, notfalls mit dem Messer, abtun.... was macht man aber, wenn ein jagdlich geführter Hund das tut und man selbst hat keinen Schimmer davon? Oder wie reagiert man, wenn der Hund mit Frischling aus dem Busch kommt? Man sollte sich das wirklich gut überlegen.
Ein kluges Antijagdtraining ist dann immer die bessere Wahl, als den Hund so richtig auf den Geschmack bringen und dann sagen "Nö... lass mal." Und Reviere, in denen man Hunde arbeiten darf, ohne das man daran beteiligt ist, die gibt es wohl kaum. Denn jedes Ausleben des Jagdtriebs bedeutet unter Umständen für das dort lebende Wild echten Stress. Und man muss um die Jahreszeiten und die Entwicklung in der Natur wissen, etwa, wann sind Enten aufgrund der Mauser flugunfähig? Oder wo könnten die Fasenhennen brüten? Eine Hetze im tiefsten Winter kostet Wild manchmal soviel Energie, das es sich davon nicht wieder erholt und umkommt. Dann ist zwar der Hund glücklich, aber das Reh sicher nicht.
Es ist ja nicht mit der Ausbildung getan, sondern so ein Hund wird ja älter und will über Jahre hinweg artgerecht beschäftigt werden, oder artgerecht abgelenkt werden. Und - nicht vergessen - es gibt auch Jagdhunde, die nach der Arbeit an richtigem Schleppwild keine Dummies mehr anrühren. Ich halte das zwar für einen Ausbildungsfehler im Apport, aber Jäger sind auf so`nen Schmarrn stolz.
Und nein, ich finde die wenigsten Jäger sind gute Hundehalter. Man muss nur mal darauf achten, wieviel jagdlich geführte Hunde man das Jahr über Gassi gehen sieht und wieviele im Herbst plötzlich da sind. Der Unterschied ist eklatant.
Nachdenkliche Grüße
Sundri