ZitatAlles anzeigenBei uns sieht ein Regentag in etwa so aus:
7:15
Ich greife, wie jeden Morgen um die Zeit, nach Halsband und Leine, finde allerdings nicht auf Anhieb den dazugehörigen Hund.
Meist ist das dann der Moment in dem ich registriere "es regnet".
Ich hänge das Halsband zurück an den Haken und nehme stattdessen das Geschirr.
Gehe in die Küche, hole zwei, drei, zehn Leckers und dann zurück ins Wohnzimmer.
Schiebe zwei Stühle beiseite und krieche halb untern Eßtisch.
Mein Hund schaut mich von dort unten entsetzt an ala "Mist, nu hat sie mich gefunden".
Ich beginne zu locken.
Sayah beginnt Speicheltropfen aus der Schnute fallen zu lassen.
Ich locke weiter.
Sayah sabbert weiter.
Ich wedele mit dem Lecker während ich rückwärts krabble, Sayah rutscht mit langem Hals durch die Speichelpfütze vor ihr und kommt irgendwann bei mir an.
Hallo Hund!
Ich knuddle sie und sie wird wegen guter Mitarbeit mit einem Lecker belohnt und lässt sich netterweise das Geschirr ohne murren anlegen.
7:20
Wir brauchen etwa 5 Minuten um 15 Stufen zu bewältigen, ich feuere sie an, sie kommt gnädigst im Schneckentempo hinter mir her und erhält an der Haustür Lecker Nummer zwei.
7:25
Ich öffne die Tür und laufe schwungvoll los. Genau zwei Schritte, dann werde ich von strammer Leine gebremst.
Ich drehe mich um.
Sayah hat unterm trockenen Vordach Platz genommen und guckt mehr als kritisch.
Ich ermutige. Ich locke.
Ich biete ihr einen Regenschirm an. Ich werfe ein Leckerchen voraus.
Sayah sitzt.
7:30
Sayah sitzt immer noch.
Die Zeit rennt mir weg, ich muss meinen Sohn zur Schule bringen.
Ich gehe zurück ins Treppenhaus, Sayah springt auf, saust im Schweinsgalopp zurück nach oben und lässt sich erleichtert auf die Cauch sinken.
8:00
Ich warte auf eine Regenpause.
8:30
Sie scheint gekommen.
Ich überprüfe es durch einen Blick vom Wohnzimmer in den Teich, jawoll, die Oberfläche bewegt sich nicht.
Endlich, wird auch höchste Eisenbahn, schließlich hat der Hund seit über 12 Stunden nicht gepinkelt.
Enthusiastisch rufe ich "Sayaaaaaaaah, kohooooom, Pipi geheeeeeen" und hole erneut Geschirr und Leine.
Die Zeit nutzt mein Hund um sich unter den Tisch zu retten.
Sie traut dem ganzen nicht.
8:45
Ich habe sie unterm Tisch herausgepopelt, wir haben die Treppen bewältigt und sind glücklich wieder unterm Vordach angekommen.
Jetzt gilts!
Aber der Boden ist immer noch nass.
Sayah sitzt.
Ich erkläre ihr das es nicht mehr regnet.
Das sie nun ohne nass zu werden ganz schnell pieseln gehen kann und das wir dann auch ratzfatz wieder heimgehen.
Ich versprechs ihr.
Ich locke. Mit zusammengebissenen Zähnen aber ich locke.
Ich motiviere.
Ich schwöre Stein und Bein das es ganz sicher nicht mehr regnet.
Genau in dem Moment fällt genau vor ihrer Nase ein dicker Tropfen vom Vordach.
In ihrem Gesicht kann ich lesen "wusst ichs doch!"
8:50
Ich ziehe.
Ganz leicht. Etwas fester.
Vermutlich hat ihr Po ein Vakuum gebildet und sich auf dem Boden festgesaugt, sie bewegt sich keinen Zentimeter.
Komisch, sie sitzt doch sonst nie richtig sondern immer im Ridgebacksitz, den Po frei schwebend überm Boden.
Zumindest bleibt das Geschirr am Hund, mit Halsband ist von dieser Methode abzuraten.
Hat sie sich mit Superkleber eingeschmiert?
So wird das nix.
Also schieben.
35 Kilo Hund schie-ben.
Endlich steht sie auf und läuft 20 Schritte.
8:55
Sie ist ihr Pipi losgeworden.
Hurra!
Es regnet nicht mehr, dennoch bleibt sie skeptisch und geht nur zögernd ganz langsam weiter.
Schritt für Schritt.
Mit mehr Pausen dazwischen als Schritten.
Ich locke, ziehe und schiebe abwechselnd, ich hüpfe, tänzele, quike, verbreite gute Laune, renne, springe, alles mit dem Ziel den Grünstreifen in 100 Metern Entfernung zu erreichen.
Das ist eventuell für Stunden die einzige Chance auch noch ein Häufchen loszuwerden.
Wir schaffen 50 Schritte.
9:00
Ich spüre den ersten Tropfen.
Ich erkläre ihr das wir, wenn wir uns jetzt dolle beeilen das Häufchen erledigen könnten ohne allzu nass zu werden.
Sie schüttelt sich.
Schaut mich vorwurfsvoll an.
Bleibt stehen. Wird steif.
Denkt "geh Du mal dein Häufchen machen, ich bleib hier. Und beeil Dich, ich werd nass".
Ich bin sicher am Haus gegenüber hat sich ein Vorhang bewegt.
9:05
Wir stehen immer noch an der gleichen Stelle.
Es regnet.
Sayahs Pfoten sind festgedockt am Boden.
35 Kilo schieben sich auch nicht wirklich erfolgreich, erstrecht nicht wenn sie sich winden.
20sekündlich schüttelt sie sich vorwurfsvoll.
Ja, mein Hund kann sich vorwurfsvoll schütteln.
9:10
Ich schwitze.
In mir brodelts, ich kann meine Motivationsgesänge nicht mehr hören, bin kurz davor dem Hund **** ******* ****.
3 Meter vor mir weichen die vorausgeworfenen Leckers im Regen auf.
Meine Nachbarin schaut uns inzwischen ganz ungeniert durchs Fenster zu.
Die Arbeiter in ihrem Garten auch.
Und die Müllmänner.
9:15
Sie hat gewonnen, ich gebe auf.
Ich bin pitschnass, genervt und heiser.
Drehe mich um und laufe den ersten Schritt gen Heimat.
Sayah zündet den Turbo in ihrem Hintern, mich hauts fast aus den Schlappen, und binnen 15 Sekunden stehn wir wieder unterm rettenden Vordacht.
Die 15 Stufen nimmt sie fast mit einem Sprung, schüttelt sich nochmal ausgiebig in unserem Wohnzimmer, vermutlich pure Rache, und fällt ermattet aufs Sofa.
Und ich brauch jetzt erstmal nen Kaffee.
Während ich ihn trinke denke ich über an Hunden haftende Regenschirme, komplett überdachte Vororte und eine Auswanderung nach Dubai nach ...
Und bete für das ein oder andere trockene Stündchen an diesem Tag.
Ich wusste das RRs nicht regenkompatiebel sind.
Aber mal eben ums Eck ohne dieses Brimborium wäre nett.
Ich schwöre, es war nichts daran übertrieben sondern hat sich genau so zugetragen, und zwar immer und immer wieder.
Das war vor rund einem Jahr und wir befinden uns in winzig kleinen Schritten auf dem Weg der Besserung.
Was im Klartext heißt sie bewegt sich inzwischen zumindest bei hauchzartem Nieselregen von der Stelle.
Meinen Ruf in der Nachbarschaft als kompetente Hundehalterin in allen Lebenslagen konnte ich übrigens nie wieder herstellen.
Ich bin immer noch bekannt als "weißte noch das ist doch die wo der Hund nicht läuft" ...
LG
Tina
Das hast Du so schön beschrieben,ich musste so lachen
Ich hab so ein" Regenproblem "Gottseidank "nicht .
LG
Martina