Langsam wird das ein abendfüllendes Programm.
Was ihr beschreibt, klingt erstmal nach einem enorm gestressten Hund! Sowohl im Alltag als auch in Hundebegegnungen. Daran arbeitet ihr sehr gut! Das muss auf jeden Fall weitergehen. Je weniger Stress, desto besser. Positiver Stress im Sinne von geistiger Beschäftigung und ähnlichem ist aber jederzeit erwünscht!
Also, du schreibst, ihr habt ihr Verhalten immer unterbunden. Sowas geht bis zu einem gewissen Punkt gut, setzt aber nur am Symptom an, nicht an der Ursache. Ihr verbietet das, was ihr seht, der Konflikt schwelt aber weiter und kann sich sogar verschlimmern (bellen wird verboten, dann beiße ich eben direkt. Dabei kann man eigentlich extrem glücklich sein, dass sie noch eher vermindertes aggressives Verhalten zeigt).
Zum Verständnis der Situation: Izzy nimmt den anderen Hund wahr, der für sie negativ ist und Gefahr bedeutet (Gefahr, weil sie erstens nicht richtig sozialisiert ist und zweitens eine sehr negative Erfahrung mit einem anderen Hund gemacht hat). Sie kommt näher, Izzy wird zunehmend erregter. Ab einem gewissen Punkt ist die Reizschwelle überschritten und es kommt zum Angriff.
Was geschieht, wenn ich den Angriff unterbinde?
Izzy wird immer erregter, erregter, die Reizschwelle ist überschritten und sie wird abgehalten. Jetzt explodieren die Stresshormone quasi in ihrem Körper und sie kann nicht damit umgehen. Flucht ist ihr nicht erlaubt, sie ist an der Leine oder wird rangerufen. Kampf ist ihr nicht erlaubt, der wird unterbunden. Wir haben dann einen hochgradig frustrierten, gestressten Hund, der keine Regulationsmechanismen anwenden darf.. Wo führt das hin? Zu noch mehr Frustration und Aggression, im schlimmsten Falle sogar zu körperlichen Schäden.
Das einzige, was im Moment hilft, wenn die Reizschwelle doch mal überschritten ist (was ja aber erstmal vermieden werden soll): Möglichst kommentar- und reaktionslos die Situation beenden und den Hund da wegholen. Weder bestrafen, noch belohnen. Einfach nur weggehen.
Wie also damit umgehen? Die Reizschwelle erstmal nicht überschreiten und nach und nach (mit dem Clicker z.B.) erhöhen. Systematische Desensibilisierung, wie gesagt.
Mit dem Clicker-Training kann man solche Reizschwellen bestens erhöhen. Erstens lernt sie durch den Clicker, Stress zu ertragen (wenn der Hund beim Clickertraining neue Verhaltensweisen zeigen soll, um den Klick und das Leckerchen zu bekommen, bedeutet das Stress, den sie ertragen muss) und zweitens lernt sie außerdem, auch im gestressten Zustand ansprechbar und lernfähig zu sein. Das ist für später wichtig, damit sie lernfähig bleibt, wenn sie anderen Hunden begegnet. In der konkreten Situation kann man dann außerdem mit dem Clicker die Reizschwelle erhöhen.
TT finde ich gut! Würde ich unbedingt weiter machen, auch wenn es gut klappt. Berührungen bedeuten soziale Nähe und es stärkt eure Bindung, fördert euer Vertrauen. Deine Sicherheit in kommenden Hundebegegnungen wird nämlich auch hier Sicherheit vermitteln. Natürlich sollte ihr das aber angenehm sein. Auch zuhause mehr das Vertrauen stärken, sicher sein, verlässlich sein, konsequent sein. Klare Regeln aufstellen. Zur Not Regeln erfinden, wenn keine nötig sind. So wird sie sicherer. Z.B. immer erstmal Sitz machen, wenn die Leine dran kommt. So einfache Sachen, die ihr Strukturen geben. Futter erarbeiten lassen (dazu Clicker ;)).
Im Übrigen, eine Frage noch: Ist sie körperlich durchgecheckt? Auch auf Schilddrüsenunterfunktion oder ähnliches? Nur um körperliche Ursachen ausschließen zu können.
Eine allgemeine Empfehlung von mir wäre, sich mit dem Thema Beschwichtigungssignale auseinanderzusetzen und das Auge zu schulen, wann sie diese einsetzt um auf diese angemessen zu reagieren. Wenn sie manchmal noch Beschwichtigung anwendet, sollte man sie darin auf jeden Fall bestärken bzw. ihr zeigen: Wenn du dich unwohl fühlst, sehe ich das und wir beenden die unangenehme Situation oder später: entspann dich, alles ist kay. Das stärkt außerdem das Vertrauen von Izzy in dich! In jedem Falle ist nämlich bei einem unbedrohlichen Hundekontakt bzw. erstmal überhaupt bei der Sichtung die Beschwichtigung einer offensiven Aggression zu bevorzugen. Hunde sind "Konfliktvermeider". Das hat sie nie wirklich gelernt bze. erproben können. Du solltest sie als Konfliktvermeider belohnen und absolut auf diese Signale eingehen. Bei Hundebegegnungen wird Beschwichtigung für sie wesentlich weniger Stress bedeuten und sie erreicht ihr Ziel "Lass mich in Ruhe" trotzdem.
Auch für dich selbst gilt: Achte die Individualdistanz deines Hundes. Auch so lernt er, dass seine Grenzen nicht immer überschritten werden, sondern sein persönlicher "Raum" akzeptiert wird. Zeigt Izzy Beschwichtigung, beachte das. Du bist zwar kein Hund, aber trotzdem sieht sie, dass Beschwichtigung wirkt.
Allgemein ist das ganze sehr komplex und ich schaffe es nicht, einfach so alles hier aufzuführen, was beachtest und gemacht werden könnte. Wie gesagt, fehlt auch eine genaue Analyse.
Für weiteres späteres Vorgehen stelle ich mir, wie bereits gesagt, vor: Gegenkonditionierung und systematische Desensibilisierung, dafür eignet sich bestens die Methode "Zeigen und benennen", da sie beides in einem ist.
Unerlässlich dafür ist ein gut konditionierter Clicker, Näheres dazu findest du im Forum hier:
https://www.dogforum.de/zeigen…l?hilit=zeigen%20benennen
Ich lege dir also nochmals den Clicker wärmstens ans Herz. Gegenkonditionierung bedeutet: Izzy nimmt andere Hunde bis jetzt als negativen Reiz wahr. Dem muss entgegengewirkt werden. Hunde sollen zukünftig positiv sein. Hund = positive Emotionen. Das geht nur über kleine Schritte.
Zu der von dir geschilderten Situation:
ZitatSolange der Rüde weder etwas von ihr, noch von Roeki will ist sie ruhig.
Nicht entspannt aber immerhin ruhig. Dennoch sieht man ihr den Stress an, sie wird leicht wuselig/hechelt mehr und ist immer in 'Habacht-Stellung'.
Mit hecheln zeigt sie, dass sie Stress hat. Eventuell hat sie hier auch Beschwichtigungssignale ausgesendet.
ZitatDer Rüde hatte dann versucht Roeki den Kopf in den Nacken zu legen, woraufhin sie wieder dazwischen wollte, was von mir unterbunden wurde.
Hier sieht man ganz genau ab wann ihre Reizschwelle schon überschritten war, ab wann der Rüde zu bedrohlich wurde. Sie beschwichtigt, indem sie splittet. Im Moment denke ich, macht es das Dabeisein von Roeki eher schwerer als einfacher, weil es ihr zusätzlich Stress bringt, weil sie bei Roeki und anderen Hunden einen Konflikt vermutet. Du unterbindest in dem Moment - sicher gut gemeint - machst das Ganze aber eher schlimmer, wie man an der späteren Reaktion sieht. Splitten ist im Moment die einzige Beschwichtigung, die du bereits mehrfach bei ihr beobachtet hast und nicht offenstiv aggressiv ist sondern einen Konflikt vermeiden will. Ansätze, Konflikte zu vermeiden und nicht direkt anzugreifen, sind also auf jeden Fall vorhanden.
ZitatIch musste aus der Situation gehen, damit sie sich überhaupt wieder beruhigte. Denn das Weggehen hat ihr noch den zusätzlichen Stress (Rudel splittet sich) bereitet.
Denke nicht, dass ihr das Splitten des Rudels zusätzlichen Stress gebracht hat. Eher die Tatsache, dass sie dem gefährlichen Reiz dem Rücken zukehren musste und nicht mehr kontrollieren konnte. Der Stress erhöht sich damit.
ZitatAls sie wieder ruhig war, gingen wir langsam wieder in die Nähe- der Rüde kam auf sie zu und will sie beschnuppern. Sie wird stocksteif, die Rute ist gerade (sonst hängt sie eigentlich immer) und sie hat eine Bürste, die Lefzen sind zurückgezogen. Sie lässt sich beschnuppern, bleibt aber steif und plötzlich (nach ca. 10Sek. beschnuppern) legt sie los und schnappt ab/bellt etc.
Hier hätte ich anders angesetzt. Ruhiges, beschwichtigendes Verhalten belohnen, eher noch Distanz vergrößern anstatt gleich zu viel zu wollen. Immer erstmal Positives und Entspannung erzeugen, bevor gleich noch mehr Spannung reinkommt. Wäre man jetzt einfach eine Weile mit ihr da geblieben, hätte geclickert usw., wäre die Situation sogar noch recht positiv verlaufen. Man hätte gehen können und hätte einen positiven Trainingserfolg verbucht. (Wobei ich die vorherige Situation schon weggelassen hätte, in der sie splitten "musste".)
Durch das Hinlaufen vergrößert sich aber wieder die Erregung, die Reizschwelle wird wieder überschritten. Sie macht sich stocksteif, bekommt eine Brüste usw., zeigt also eindeutige Drohgebärden. Abschnappen usw. sind alles noch recht harmlose Verhaltensweisen.
Wichtig ist, überstürze nichts! Ich würde nach wie vor in nächster Zeit die Situationen mit anderen Hund so gut wie möglich meiden! So findet erstmal keine weitere Festigung statt und ihr könnt an der Basis arbeiten (Frustrationstoleranz, Clicker usw.).
Erstmal würde ich keinen neuen großen Hund "einführen" bzw. "bekannt machen". Erstmal Clicker einführen. Dann kann der nächste Schritt kommen. Das sollte ein paar Wochen dauern, damit der Clicker richtig schön positiv besetzt ist und ihr auch schon ein paar Sachen ausprobieren konntet (kleine Tricks, Verhaltensweisen anbieten lernen). Außerdem in der Zeit Vertrauen festigen, Bindung stärken, Hundebegegnungen vermeiden. Den Kontakt zu dem großen Rüden intensivieren! Fragen, ob er andere große Hund kennt, die ähnlich sind. Dann zunächst mit großen Hunden mit "Zeigen und benennen" arbeiten.
So.. Für heute reicht es erstmal. :)