Liebe Chris,
zuerst einmal vielen lieben Dank für das, was du da eben geschrieben hast! Auf das hohe Stresslevel wäre ich jetzt nicht gekommen. Mir ist zwar klar, dass der Kleine unter Stress steht, aber dass ihn das derart blockiert und dass das offenbar nie mal weg ist, das war mir nicht so ganz klar. Wobei ... manchmal entspannt er sich vielleicht ein wenig. Mir fallen da die Momente ein, wo er mit Apollonia im Körbchen kuschelt oder auch mal mit mir auf der Couch oder im Bett. Ich weiß, dass es umstritten ist, Hunde auf die Couch oder ins Bett zu lassen, aber da ich das Gefühl habe, dass der Kleine das braucht, habe ich ihm mittlerweile beigebracht, dass es nur hoch geht, wenn wir es sagen und dass es ebenso wieder runter geht.
Ich versuche mal die Situation etwas genauer zu beschreiben. Weiß gar nicht so recht wo anfangen ...
Ich habe erst so seit drei bis vier Wochen überhaupt das Gefühl, dass man mit Hermes "was anfangen" kann, dass er überhaupt ansprechbar ist. Vorher hatten wir noch einige gesundheitliche Baustellen, er hat viel, viel, viel geschlafen, viel gekuschelt und war immer Apollonias Schatten. Irgendwann wurde er dann lebhafter, begann mich anzuspringen und mich zum spielen aufzufordern. Da habe ich ihn dann auch das erste Mal mit raus genommen. Davor war er nur im Haus (und vor dem Haus). Ich bin mit ihm und der Großen hier durch die Olivenhaine gelaufen. Da gab es noch kein Problem. Wir wohnen hier in einem Dorf in einem Haus mit zwei Stockwerken, ca. 120 qm, kein richtiger Garten aber zwei große Terrassen. Bis auf ein Zimmer dürfen die Hunde überall hin und aufgrund des Klimas hier, habe ich die Terrassentüren sowohl oben als auch unten immer offen. Es fahren schon mal ab und zu Autos am Haus vorbei und auch ein paar Menschen kommen vorbei, aber doch eher weniger, da wir in einer Sackgasse wohnen. Ich habe die Option mit den Hunden eben durch die Olivenhaine zu wandern, wo es nur ein paar Schafe und Ziegen gibt oder ich gehe mit ihnen ins Dorf, wo es entsprechend chaotisch zugeht. Ist ja Griechenland hier ;-).
Wie gesagt, so lange ich Hermes zusammen mit Apollonia in die Olivenhaine mitgenommen habe, war alles noch normal. Das erste Drama kam als Apollonia mit ihren Impfungen durch war und ich das erste Mal alleine mit dem Kleinen zum Tierarzt gefahren bin. Da war er das erste Mal von Apollonia getrennt. Seine Angst ist mir also nur durch Zufall aufgefallen. Wenn ich im Haus was gemacht habe, was ihm Angst gemacht hat, hat er sich eben verzogen, das hab ich irgendwie nie so richtig wahrgenommen. Auf der Fahrt zum Tierarzt gings schon los, dass er nicht auf dem Rücksitz bleiben konnte. Er hat rumgeschrien, gejammert und ist in den Fußraum vom Auto geklettert. Ich habe auch eine Transportbox, aber davon habe ich bei ihm gleich mal abgesehen. Letztendlich bin ich dann mit Hund auf dem Schoß gefahren, dann war Ruhe und hier in Griechenland juckt das ja keinen. Ich bin vor dem Tierarzt noch bei einer Bekannten vorbei, die er aber kennt und er wollte gleich nicht das Auto verlassen. Dann der Aufzug, die fremde Wohnung, das ging anfangs gar nicht. Bei mir auf dem Schoß hat er sich einigermaßen beruhigt. Später lag er dann auf dem Boden neben mir, sogar ohne Körperkontakt und war sehr friedlich, hat vielleicht sogar geschlafen. Dann weiter zum Tierarzt: wieder der Aufzug, wieder Autofahren, dann die Autos auf der Straße, die fremden Menschen, andere Hunde im Wartezimmer, fremde Katzen (er kennt Katzen, wir haben hier eine, mit der kuschelt er sogar), ging alles gar nicht ... Die Leute haben natürlich gelacht als er vor einem Yorkshire-Terrier flüchtete ;-). Vor der Tierärztin hat er zum Glück keine Angst, da ist er immer ganz brav.
Nach diesem Erlebnis wurde mir klar, dass ich mit Hermes alleine raus muss, ohne Apollonia und dass ich nicht nur in die Olivenhaine mit ihm darf. Deshalb mache ich jetzt so 1-2 Mal die Woche eine Runde mit ihm durchs Dorf, mit Autos, fremden Menschen, Chaos etc. Ich bin mir unsicher, ob ich ihm den Stress täglich antun soll ... Manchmal zwischendurch geh ich noch mit ihm auf Straßen spazieren, wo ab und zu mal Autos fahren aber nicht ständig. Im Dorf, läuft er so knapp hinter mir, mit eingezogenem Schwanz, geduckt, dreht sich bei lauten Geräuschen im Kreis, schrickt zusammen oder dreht sich hektisch, ängstlich um, macht Hüpfer in irgendeine Richtung, die dann von so Erschreckenslauten begleitet werden. Ich muss dann auch immer aufpassen, dass ich ihn nicht trete, weil er mir dann zwischen die Beine springt. Vielleicht sollte ich mich mit ihm auch einfach mal für eine halbe Stunde am Tag auf eine Bank da im Zentrum setzen und mir das mit ihm zusammen anschauen. Dann kann ich ihn auf den Schoß nehmen und ihm so mehr Sicherheit geben, als wenn wir da rumlaufen. Das ist so die erste Baustelle, mit der ich jetzt mal angefangen habe.
Was die Verlustangst betrifft, da werde ich in der Zukunft mal den Versuch starten, einfach mal in 10-Minuten-Abständen das Haus zu verlassen und dann wieder zu kommen. Ob ich mit oder ohne Apollonia gehe, muss ich noch testen. Anfangs, wenn ich beide Hunde im Auto hatte und kurz Geld holen gegangen bin oder so, hat er auch rumgeheult, mittlerweile hat er das aber gelernt, dass ich immer zurück komme. Ich habe einfach jedes Mal wenn ich im Auto mit den Hunden unterwegs war, zwei, drei Mal angehalten und das Auto verlassen. Manchmal so, dass sie mich sehen konnten, manchmal nicht. Ich denke er hat das recht schnell gelernt, weil Apollonia cool geblieben ist. Jetzt mache ich das selbe auch wenn er alleine im Auto ist und ich denke, er lernt das so. Schwierig ist noch zu Hause alleine bleiben. Heute Morgen war ich mit Apollonia alleine draußen und mein Freund ist mit Hermes im Haus geblieben und er hat mir berichtet, dass der Kleine die ganze Stunde, die ich weg war durchgeheult hat und nicht zu beruhigen war.
Tagesablauf: So gegen 8 aufstehen, dann eine Runde raus. Entweder mit beiden Hunden ich alleine, ich mit Hermes alleine und mein Freund mit Apollonia auf verschiedenen Routen, dass sie mal lernen auch getrennt von einander zu gehen und weil Apollonia beim spazieren gehen ein ganz anderes Programm braucht als Hermes. Zuhause füttern, dann schlafen die Hunde meistens und kuscheln zusammen. Zwischendurch vielleicht ein bisschen spielen. Manchmal spiele ich mit, manchmal spielen sie alleine. Wenn ich zu Hause bin, mittags noch eine kleine Runde, wenn nicht dann bleiben sie problemlos alleine im Haus. Apollonia gebe ich dann den Kong und Hermes ein Knochi, weil er sich noch zu wenig konzentrieren kann für den Kong. Abends dann noch mal raus, manchmal auch zum Strand wo Apollonia schwimmen geht, Hermes nicht, dann noch mal füttern, vielleicht noch ein bisschen spielen und schlafen.
Gut, dass du mir das gesagt hast, dass ich nicht schimpfen soll, wenn er im Haus pieselt. Apollonia hat das nämlich (auch) durch schimpfen gelernt, dass im Haus pieseln nicht so ankommt, aber die will eben auch gefallen, weshalb ich mir ja schon gedacht habe, dass bei Hermes vielleicht eine andere Strategie sein muss.
Und zum Schluss noch eine Info, die vielleicht wichtig ist. Ich hatte die letzten sechs Wochen noch einen Welpen hier in Pflege. Er war gleich alt wie Hermes und da ich hier der Pfötchenhilfe Rhodos helfe und nirgends Platz war für den Kleinen, habe ich ihn eben noch mit her genommen. Oberflächlich betrachtet schien das kein Problem zu sein, aber vielleicht war es das doch. Ich denke jetzt im Nachhinein, dass dieser andere durchaus dominante und sehr lebhafte Rüde, den kleinen Hermes getstresst hat. Vielleicht kam er dadurch noch viel weniger zur Ruhe. Seit der Pflegehund jetzt weg ist, habe ich den Eindruck, dass meine beiden sehr glücklich sind, wieder alleine zu sein, vermehrt kuscheln und dass einfach ein bisschen Ruhe und Entspannung eingekehrt ist.