Beiträge von McChris

    Hallo, ich stelle mal "zur Begrüßung" einen Erfahrungsbericht ein - vielleicht hilft der ein oder andere Hinweis daraus ja betroffenen Hundis und ihren Haltern weiter. Als Tierphysiotherapeutin liegt mein Schwerpunkt dabei natürlich auf den physiotherapeutischen Möglichkeiten.


    Vor einigen Wochen hat unsere Jenni, eine kastriertes Dackel-Boxer-Mix-Hündin, mittlerweile 15 Jahre, ein Vestibular-Syndrom ausgebildet.


    Die ersten Symptome waren: Kopfschiefhaltung nach rechts, Kreislaufen immer rechts rum, Torkeln, Schwanken, Umfallen, Zittern, Nystagmus (wandernde Augenbewegungen).


    Bei Jennis Alter und ihrer medizinischen Vorgeschichte (Arthrosen in Knien und Hüfte bds., Zustand nach 2 x Diskusprotusion, HD bds., leichter Mitralklappen-Insuffizienz) und bereits seit einem Jahr bestehender zunehmender Alters-Tüdeligkeit mit hinzukommender Sehschwäche und Schwerhörigkeit – also ein alter Hund mit einigen, noch im Griff zu behaltenen Zipperlein) gab es in der Tierklinik mit den behandelnden Ärzten natürlich zunächst Diskussionen zu dem Thema, wie weit man in der Diagnostik bei Jenni gehen sollte – ich war da eher zurückhaltend und lehnte eine ausführliche neurologische Untersuchung mit MRT, Lumbalpunktion, etc. ab. Wir haben uns in der Klinik dann auf die Verdachtsdiagnose (ohne weitergehende Diagnostik) Vestibular-Syndrom geeinigt. Die allopathische Therapie bestand aus der Gabe von Karsivan zur Durchblutungsförderung. Auf Nachfragen meinerseits wurde noch Vitamin-B-Komplex empfohlen. Ich bin Intensivpflegekraft, Tierphysiotherapeutin und Tierheilpraktikerin und habe deshalb mit der sehr aufgeschlossenen Tierärztin noch ergänzende Therapiemöglichkeiten durchgesprochen.


    Unser Plan bestand darin, zunächst 48 h abzuwarten, da sich lt. Tierklinik in dieser Zeit schon die erste Verbesserung zeigen sollte – wenn es denn ein Vestibular-Syndrom ist und nicht, was ebenfalls, wegen einer Pupillen-Differenz und leichterer Ausfälle im ZNS, im Raum stand, ein Hirntumor.


    Also kam Jenni erst einmal wieder mit heim. Zuhause wurde ein gepolstertes Brustgeschirr umgemacht, alle Ecken und Kanten mit Liegestuhlpolstern, Matten, etc. abgepolstert, im Hundebereich Teppiche ausgelegt und Jenni kam quasi unter Dauerbeobachtung. Sie war recht torkelig, unruhig und neigte dazu, zu wandern und zu wandern und zu wandern….
    Zwischenzeitlich stand sie wie eingefroren vor dem Wassernapf oder irgendwo vor einer Wand und konnte ähnlich wie Parkinson-Patienten nur durch ein Anstupsen wieder in Bewegung gesetzt werden. Die ersten paar Tage war die Futteraufnahme extrem schwierig – bedingt durch Schwindel und damit verbundene Übelkeit ist es den Hunden manchmal nicht möglich, Futter aufzunehmen, schon gar nicht aus dem Napf mit gebeugtem Kopf. Deshalb wurde Jenni aus der Hand gefüttert, Hühnchen, Nassfutter, Fleischwurst und Frolic – weil die recht weich sind und unseren Hunden als Arbeits-Lekkerli bekannt sind. Statt der normalen einen Mahlzeit am Tag gab es 5 – 8 Hand-Portionen, so dass es über den Tag verteilt genug war. Getrunken hat sie die ganze Zeit ganz normal aus dem Napf. Das Schlimmste war, sie abends zum Schlafen zu kriegen. Die normale Routine (Gassi, Betthupferl, Licht aus, alles pennt…) hat nicht funktioniert…. Irgendwann hab ich sie dann in meiner Verzweiflung „von Hand“ hingelegt, in eine Decke eingekuschelt und siehe da….Schläft…


    Am ersten Tag haben wir Jenni zum Pieseln und so raus getragen und dort dann am Brustgeschirr gesichert. Ab dem zweiten Tag ist sie – am Brustgeschirr gesichert – selbst gelaufen, wobei sie anfangs immer Rechtskreisel geboten hat .Nach deutlichen Verbesserungen bereits in den ersten 48 Stunden haben wir nach einem erneuten Besuch in der Tierklinik beschlossen, erst mal weiter abzuwarten. Jenni ist begleitend zum Karsivan homöopathisch behandelt worden – dazu schreib ich jetzt hier nichts, um Schema-F-Behandlungen, die nichts mit klassischer Homöopathie zu tun haben, vorzubeugen. Ich gebe die Erfahrungen mit den verschiedenen Mitteln aber gerne im persönlichen Gespräch weiter.


    Was aber fast noch wichtiger war, war die Physiotherapie. Am ersten Tag haben wir Jenni eher ruhig gehalten. Ab dem 2. Tag haben wir zur Förderung der Durchblutungssituation moderate Bewegung ins Spiel gebracht. Dabei hatten wir den Eindruck, dass es günstig war, Jenni nach dem Aufstehen einen Moment Zeit zu lassen, bis das Gleichgewichtsorgan sich angepasst hat. Außerdem wurde sie durch rasches, schnelles Abstreichen ein wenig „angeregt“, die Rückenlinie entlang und alle Beine bis zur Pfote hinab – dies verbessert das Körperempfinden, gerade bei Koordinationsstörungen. Glücklicherweise spielte das Wetter mit und so konnten wir – immer wieder Ruhepausen einlegend – viel Zeit im Garten verbringen, wo Jenni auf Gras laufen konnte (feines Polster bei evtl. Sturz….) Jenni stapfte durch den Garten, wie auf einem unsichtbaren Weg, ging bis zu einer bestimmten Stelle, drehte um, ging bis zu einer bestimmten Stelle und drehte wieder um – immer noch am Brustgeschirr gesichert, aber schon wesentlich besser, was Koordination und Gangbild anging. Wir bauten Übungen ein, die die Nervenansteuerung verbessern, wobei der Hund auf einem nachgiebigen Polster steht, immer schön am Brustgeschirr gesichert, und von allen Seiten nacheinander in kurzen, leichten Impulsen in alle Richtungen „geschubst“ wird – ganz leicht und vorsichtig, aber so, das der stehende Hund sich leicht hin und her bewegt.
    Außerdem gab es Koordinationsübungen über Bodenstangen – die wie Pferde-Cavallettis ausgelegt werden, anfangs in für den Hund bequem passenden Abständen und flach auf dem Boden, später in variablen Abständen und Höhen, so dass jede Stangenbewältigung quasi eine völlig neue Aufgabe ist. (Besenstiele reichen für den Erstangriff vollkommen aus). Außerdem haben wir Jenni – bei so etwas immer noch gesichert – auf unserem Gelände über unebenen Boden und auch Steigungen rauf- und runtergeführt.


    Die dritte und wichtigste Übung dient der Bekämpfung des Schwindels. Menschliche Patienten mit Vestibular-Syndrom klagen in erster Linie über entsetzlichen Schwindel, der zu Übelkeit und Gangunsicherheit führt. Leider kann man mit Hunden viele der Übungen aus den Human-Physiotherapie nicht machen , da diese Körperbewegungen bei blickfixierten Objekten verlangen, aber als Kompromiß haben wir - zunächst im Liegen - ein Lekkerli vor Jennis Nase gehalten und es anfangs sehr langsam horizontal vor ihr hin und her bewegt , so dass sie dem Lekkerli mit dem Blick gefolgt ist, wobei sie natürlich auch den Kopf bewegt hat. Als dies gut klappte, wurde die Geschwindigkeit allmählich gesteigert und dann kamen – erst wieder langsam – auch vertikale Bewegungen dazu, ebenfalls ganz allmählich gesteigert. Dann das Ganze im Sitzen, im Stehen und schließlich auf der nachgiebigen Polstermatte. Nach diesen Übungen war Jenni wesentlich freudiger dabei, was das Fressen anging. Nach einer knappen Woche konnten wir auf das normale Trockenfutter umsteigen, noch im hochgehaltenen Napf, mittlerweile frisst Jenni wieder in normalem Tempo aus dem Boden-Napf.


    Was gerade in der Anfangszeit gegen das Kreislaufen sehr gut geholfen hat, waren sichtbare Begrenzungen – auf Trampelpfaden im Gras konnte Jenni die Geh-Richtung besser beibehalten, ohne zu kreiseln. Beim Weg nach draußen half es ihr ungemein, direkt an der Hauswand lang zu gehen, wobei wir dann auf der „offenen“ Seite vorsichtig neben ihr her gegangen sind. Ebenfalls hilfreich ist es, den Hund jeweils von der gesunden Seite aus anzusprechen, damit er automatisch gegen die Kopfschiefhaltung mitarbeitet – also Streicheln, Füttern aus der Hand, etc. immer von der „guten“ Seite aus.


    All diese Übungen wurden einige Male pro Tag für einige Minuten durchgeführt, bei Jenni mussten wir zusätzlich ja noch auf das Herz achten und sie auf keinen Fall überanstrengen – deshalb immer nur kurze Übungsabschnitte mit ganz vielen Kuschelpausen dazwischen - wir hatten das Glück, dass wir es zeitlich so einrichten konnten, dass Jenni nie alleine war.


    Unsere anderen Hundis haben die Zeit der Ruhe ganz artig mitgemacht – abends durften sie sich so richtig austoben, tagsüber haben sie halt um die Wette mitgekuschelt und mit Jenni und mir „Gartenurlaub“ gemacht…


    Gangunsicherheiten, Koordination und Kreislaufen wurden bis auf einen Einbruch Ende der ersten Woche, wo auf einmal alles für einen Tag wieder schlechter war, von Tag zu Tag deutlich besser, so dass Jenni einen Tag nach diesem Einbruch schon auf Gras frei laufen konnte. Mittlerweile bot sie von sich aus schon Trab an und hüpfte auch mal über die Abflussrinne. Nach Ende der zweiten Woche war Jenni schon fast wieder „normal“ – lediglich einige Rechtsrunden bot sie noch vereinzelt. Nach der dritten Woche war Jenni wieder „ganz die Alte“. Eine winzigkleine Kopfschiefhaltung hat sie zurückbehalten, aber am dritten Wochenende nach dem Ereignis hat sie den ersten kleinen Rudelspaziergang mitgemacht – und ist im Schweinsgalopp durch die Gegend gefegt…


    Jenni IST ein altes Hundemädchen mit einigen „Gebrechen“, die aber alle gut im Griff sind, und gerade am allerersten Tag und bei dem Einbruch am Ende der ersten Woche haben wir uns intensiv mit der Frage beschäftigt, ob Einschläfern nicht die bessere Lösung ist. Was uns davon abgehalten hat, war, dass Jenni die ganze Zeit interessiert an allem war und immer eifrig gewedelt hat…


    Jetzt hoffen wir, dass wir sie noch ein wenig umsorgen dürfen – unser Ziel, dass Jenni noch gemütlich im Garten rumstapfen kann und mit Freude dabei ist, haben wir mehr als erreicht. Dass sie noch mal einen Rudelspaziergang mitmacht und dabei fröhlich durch die Gegend galoppiert, hätte ich nicht erwartet.



    Alte Hunde sind schon was ganz Besonderes….


    PS: Ich hab ein "Rennsemmel-Bild" von Jenni NACH Vestibularsyndrom in meine Galerie gepackt...

    Gute Tierärzte sind nicht unbedingt auch nette Menschen, aber das nur am Rande. Solche Situationen sind immer schlimm und ich drück Euch die Daumen, dass erstmal alles gut überstanden ist.


    "Und das Schlimmste: Wir dürfen nicht schwimmen. Weiss auch gar nicht recht, ob ich mich das jetzt nochmal traue.... "


    Dazu hab ich noch eine Frage: Sollt Ihr das Schwimmtraining komplett abbrechen (wegen des Verdachts auf einen viralen Auslöser?) oder nur solange, bis die Wunde verheilt ist? Wenn das Schwimmen dem Rücken doch so offensichtlich gut tut - habt Ihr nicht die Möglichkeit, das Schwimmen in einen Hunde-Pool zu verlagern? Ich weiß die Größe Deines Hundes jetzt nicht, aber meine Patienten-Hunde als Tierphysiotherapeutin schwimmen je nach Größe im Wasch-Zuber über Badewanne bis extra angeschafften Hunde-Pool, weil viele Leute gar kein natürliches Gewässer in der Nähe haben.


    LG,
    Chris

    Hallo,
    ich kann Dir als Tierphysiotherapeutin nur zu Thema 1 Tipps geben. Es kann, muss aber nicht sein, dass die Beschwerden von einer Lagerung bei der Kastration kommen, die Ursache kann aber auch etwas völlig anderes sein - auf jeden Fall lassen sich viele der Symptome (nicht spielen wollen, Meiden anderer Hunde, Lahmheit) durchaus durch solch ein Ereignis erklären.


    Bei Verrenkungen oder Stauchungen im Wirbelsäulen-Bereich kann es zu minimalsten Verschiebungen der Wirbelkörper kommen, die so gering sind, dass sie röntgenologisch kaum erfaßbar sind, die aber dennoch Probleme bereiten. Durch die entstehenden Schmerzen verspannt sich die den betroffenen Bereich umgebende Muskulatur, um diesen Bereich "ruhig" zu halten, was aber auf Dauer ebenfalls Schmerzen verursacht.


    Wenn so ein Zustand sich über Monate entwickelt hat, ist der Einsatz eines Osteopathen nicht mehr wirklich sinnvoll - denn dann sind die Muskeln bereits so verkrampft (diese Verkrampfung löst sich auch nach Beheben der Ursache nicht von selbst), dass NACH eine osteopathischen Behandlung, in der die kleine Verschiebung/Verkantung der Wirbelkörper durch ganz gezielte Bewegungen und Handgriffe gelöst wird, die an den schmerzhaften Prozeß angepaßte Muskulatur die Wirbelkörper bei der kleinsten "dummen" Bewegung wieder in die "falsche" Position zurückziehen.


    Deshalb sollte der Ansatz bei bereits länger bestehenden Problemen der sein, dass zuerst die umgebende Muskulatur locker gemacht wird und DANN durch gezielte Bewegungen (egal ob durch Physiotherapeut oder Osteopath) die Wirbelkörper wieder in die richtige Lage gebracht werden. Danach kommt dann noch das gezielte Muskeltraining, um den Bereich auf Dauer stabil zu halten.


    Osteopathen beschäftigen sich in erster Linie mit Knochen und Gelenken, dabei werden aber häufig die Muskeln außer acht gelassen und deshalb ist eine osteopathische Behandlung am erfolgsversprechendsten, wenn sie zeitnah (2 - 4 Wochen nach dem Ereignis) angewandt wird. Bei Euch ist die vermutete Ursache aber schon 18 Monate her, weshalb ich eher zu einer physiotherapeutischen Behandlung tendieren würde.


    Hth, Liebe Grüße,
    Chris

    Mein Tip: Zur Haustierärztin fahren und sich für den hoffentlich - daumendrück - nicht eintretenden Notfall die "Diazepam-Rektiolen" oder "Valium-Rektiolen" verschreiben lassen, angepaßt an die Größe des Hundes. Die sind wie Mini-Klistiere und werden in den After eingeführt und dort ausgedrückt - geht also auch beim krampfenden Hund. Die Wirkung tritt sehr schnell ein und kann einen Hund aus so einem schweren Anfall rausholen oder diesen zumindest vermindern.


    Hier noch ein Link mit Hintergrund-Infos:
    http://epilepsie-beim-hund.de/


    Zu den Augen: Waren sie evtl. nur "verdreht", so dass man nur noch das Weiße gesehen hat? Evtl. waren die Pupillen durch den Sauerstoffmangel auch maximal weit gestellt, so dass sie einfach anders ausgesehen haben, aber nach 1 Minute ist dies eher unwahrscheinlich.


    Liebe Grüße und alles Gute für den Hund!

    Was Leinen-Pflicht und ruhige Bewegung angeht kann ich mich den Vorbeiträgen nur anschließen.


    Ansonsten: Öfter mal auf die OP-Wunde drauf schauen, ob sich was entzündet hat. Für Dich zur Beruhigung einmal täglich abends Fieber messen und noch mehr zur Beruhigung: Hundis sind so verflixt gut im Wegstecken von OP`s - in ein paar Tagen lachst Du über die ganzen Sorgen, die Du Dir gemacht hast.


    LG, Chris


    (Die sich beim Fädenziehen vor ein paar Tagen beim kastrierten Rüden wegen Zappelei erst mal das Skalpell in die Hand gerammt hat....)

    Überleg mal, was dieser Hund in der letzten Zeit alles mitgemacht hat. Ins Tierheim, neue Besitzer und dann gleich so viel "Äktschn". Die Ausbildung eines neu in die Familie gekommenen Hundes beginnt tatsächlich mit der ersten Sekunde, die er da ist. Aber ich glaube, Ihr habt es fast ein bischen ZU gut gemeint. Erst mal ankommen lassen, Vertrauen fassen lassen. Ein paar der geschilderten Situationen lesen sich wie Unsicherheit beim Hund (z. B. wo Du schreibst, dass er den Schwager anbellt und dabei wedelt) - um im Umgang mit fremden Menschen und neuen Situationen souverän und gelassen zu reagieren, muss der Hund erst mal "ankommen" dürfen.


    Ganz dringende Bitte: Wechselt den Ausbilder!

    Ein blödes Gefühl, wenn die eigenen Hundis "Mist" machen...


    Mein Pfadfinderherzchen sagt mir: Deine Hunde haben angefangen, indem sie Dir aus der Hand gegangen sind, nicht schön, aber so war es nun mal Deiner Beschreibung nach... Das würde mir für die Klärung der Schuldfrage genügen und ich wäre froh, wenn der mitbetroffene Hundehalter sich recht vernünftig zeigt. Versicherungstechnisch gesehen, gilt für Hunde (und andere Tiere) die Gefährdungshaftung, heißt, alleine ihre Anwesenheit bei solchen Vorfällen genügt für eine Mithaftung. In der Pferdebranche bezahlen die Versicherungen bei Herden-Unfällen jeweils die Schäden der anderen Partei und so kenne ich das von den Hunden her auch (bei meinen bisherigen Versicherungen VGH und Allianz unabhängig vom Freilauf)


    LG, Chris