Hallo,
das ist ein toller Thread geworden, der mich sehr zum Nachdenken anregt...
Mir stellt sich gerade die Frage, ob es überhaupt normal ist, für einen Hund, in einem ständigen hochmotiviertem Level zu laufen. Wobei ich mit "motiviert" jetzt den unter freudiger Anspannung stehenden Hund meine....
Schon der Begriff "freudige Anspannung" hats nämlich in meinen Augen in sich...
Da wir ja gerade erst seit drei Monaten eine neue, 6-jährige Dogge dabei haben, führe ich mir ja selbst derzeit vor, wie ich mit diesem Hund arbeite, um ihn zu bestimmten Verhaltensweisen anzuregen.
Für die allerersten Grundlagen habe ich Käse benutzt - unter anderem, um an zahlreichen Ängsten eines umweltunsicheren Menschen-Gegenstände-Angsthundes zu arbeiten. Der Käse ist schleichend durch positive, verbale Bestätigung ersetzt worden, die zunächst "überschwänglich" war und nun auf ein ruhigeres Level zurückgenommen wird.
Als ich vor Jahren mit meinem Podenco in einer "Leckerchen-Spielzeug"- Hundeschule war, brauchte ich zum Schluß ganze Fleischwürste und ein Quietscht-Plüschschwein, um die Aufmerksamkeit meines Hundes bei mir zu halten. Diese Reize nutzten sich nämlich im Lauf der Zeit ab... Obwohl - oder gerade, WEIL ich mich ständig zum Affen machen musste. Diese "Oilili"-Arbeit mit überschwänglichem Verhalten des Hundeführers liegt so gar nicht in meiner Natur, ich bin eher so der ruhige, zwar fröhliche Typ, aber solch eine Überschwänglichkeit liegt mir einfach fern. Die Kommunikation mit meinem Podenco besteht in erster Linie aus einem sehr ruhigen Umgang, aus klaren Grenzen, aus ruhiger Bestätigung erwünschten Verhaltens und aus genauso ruhiger, aber deutlicher "Zurechtweisung" bei unerwünschtem Verhalten.
Deshalb fand ich die Bemerkung von Marula, dass es die größte Motivation für ihren Hund ist, wenn er nach einer gestellten Aufgabe hinterher seine Ruhe hat, absolut unterstreichenswert.
Zuviel "Dauerfreude" nutzt sich irgendwann ab und dann kommen so Sachen ins Spiel, dass das normale Futter als Belohnung nicht mehr ausreicht und zu "besseren" Lekkerlis gegriffen werden muss.
Meine Hunde arbeiten am Besten mit, wenn sie wissen, welche Erwartung gerade an sie gestellt wird, wenn sie "mitdenken" und einen Sinn in dem sehen, was wir gerade tun. Wenn sie einen "Sinn" in irgendwelchen Aufgaben sehen, bieten sie geradezu kreativ auch andere Lösungsvorschläge an - vielleicht liegt der Erfolg eines Menschen im Umgang mit seinem Hund einfach nur darin "Sinn" zu vermitteln und wenn auch nur - "Wenn Du das jetzt tust, bin ich zufrieden und Du hast Deine Ruhe."
In der Arbeit mit Pferden wird das "in Ruhe lassen" wesentlich häufiger und bewußter genutzt - nach einer anstrengenden Lektion, wird im Schritt kurz verschnauft. In der wirklichen Arbeit mit den Pferden kommt die Ruhe automatisch nach Erledigung der Aufgabe - z. B. Rind ist im Gatter, Feierabend.
Wenn ich mir so ansehe, wie meine Hunde untereinander voneinander lernen, finde ich da kaum überschwängliche Freude - wenn da einer "quer" schießt und die Mäusejagd vereitelt, oder sich einmischt, gibts kurz mächtig Druck und sobald der Betreffende sich adäquat verhält, ist der Druck weg. Sprich: Ruhe. Wobei ich durchaus auch mal "Druck" ausübe, in dem ich einem Hund unerwünschtes Verhalten verbal oder mit körperlichem Einsatz (abblocken, vor mir her schieben) "vermiese" - bricht er ab, gibts kurz Bestätigung auf einem niedrigeren Level und dann wird der Hund in ruhe gelassen.
Für mich ergibt sich als Schlussfolgerung: Je mehr "Sinn" meine Tiere in dem sehen, was ich ihnen abverlange, desto leichter können sie es lernen. Je "sinnloser" etwas ist, desto mehr muss ich mit positiver Bestätigung arbeiten, bis sie gemerkt haben, dass es Dinge gibt, die hund einfach um der Dinge selber zu tun hat. Dann kann ich die positive Bestätigung auf ein ruhigeres Level runterfahren und habe einen zufriedenen Hund. Keinen sich auf Dauer freuenden, aber einen zufriedenen....
Um bei dem Podenco als Beispiel zu bleiben: In seiner "Freizeit" darf er Mäuse buddeln, das ist für ihn das Allergrößte. Das könnte ich niemals direkt als positiven Verstärker einsetzen... "Feines Sitz, geh mal 30 Sekunden buddeln" - geht nicht. Was aber geht, ist bei den Nur-um-der-Hunde-Willen-Aktivitäten, das Buddeln ausdrücklich zu erlauben.
Die ruhig und selbstverständlich mitmachenden Hunde bei den Arbeiten draußen, wo wir nur wenig Kommandos brauchen, weil jeder weiß, was grad dran ist - das ist für mich im Grunde das, was auch der Natur des Hundes entspricht - im Team arbeiten.
LG, Chris