Jenny, hast Du schon begonnen ein Atem-Tagebuch zu führen? Mir hat das damals bei Herrn Leon sehr geholfen. Ich habe mehrfach am Tag eine Minute die Herzschläge gezählt und aufgeschrieben. Insbesondere in Ruhe- und Aktivitätsphasen. Wenn dann solche "Aussetzer" waren konnte ich sofort vergleichen.
Asterix, ich hole mal etwas aus ja?
Herr Leon ist mit 15,5 Jahren gestorben. Multiples Organversagen. Er war einfach uralt. Wir waren vollkommen verloren und standen schon am nächsten Wochenende am Tierheim-Zaun, weil wir die leere Wohnung nicht ertragen haben. Wir fragten, wer raus muss und keine Vermittlungschance mehr hat.
Wir bekamen Rex, meinen Seelenhund. Ein deutscher Schäferhund, der so verwahrlost aufgefunden worden war, dass er nicht mal mehr Fell am Leib hatte. Als wir ihn kennenlernten, hatte der Pfleger ihn bereits ein Jahr liebevoll aufgepäppelt. Rex war zehn Jahre alt, benötigte sehr teure Medikamente und Allergiker-Futter, hasste (und tötete) andere Hunde und konnte nur mit Maulkorb geführt werden. Vermittlungschancen kannst Du Dir denken. Er zog ein und wurde mein Seelenhund. Ich habe nie einen so treuen und zarten Hund kennengelernt. Auch wenn man zart jetzt nicht auf den ersten (oder zweiten oder dritten) Blick mit ihm hätte verbinden wollen. Nach sechs Monaten musste er bereits gehen. Er hatte mitten in der Nacht einen Hirnschlag oder Schlaganfall. Aber er war glücklich. Und nur das zählt.
Am darauffolgenden Samstag waren wir wieder im Tierheim und stellten die gleiche Frage. Wir bekamen unseren Charly. Er war dreizehn Jahre alt und erst seit zwei Wochen im Tierheim, da sein Besitzer ihn nicht mehr versorgen konnte. Er war gefühlt schon uralt, als er einzog. Umso wichtiger, schnell aus dem Heim rauszukommen. Charly kannte zwar nicht ein einziges Kommando oder auch nur seinen Namen, hatte aber ansonsten keinerlei Macken. Da wir also nicht ausgelastet sein würden, haben wir Puscha dazu genommen. Sie ist eine zehnjährige Hündin (oder Ratte, wie man will ;-)) und war bereits xfach zurück gekommen. Leider hat das Tierheim gebummelt und wir hatten einen unkastrierten Rüden und eine unkastrierte Hündin zu Hause, die, NATÜRLICH, innerhalb der ersten Wochen läufig wurde. Aber auch das haben wir gemeistert.
Dienstag musste Charly dann auch schon wieder gehen. Ich hatte es im Gefühl. Es gab aber keine medizinische Indikation die mein Gefühl gerechtfertigt hätte. Als er einzog haben wir zwar seinen Hodenkrebs operieren und ihn dabei kastrieren lassen (auch eine geile Tierheim-Story, die ich Dir bei Gelegenheit mal aufs Ohr quatschen kann) aber sonst gab es keine Auffälligkeiten. Und am Dienstag ist dann der Milztumor geplatzt. Blobb. Blut im Bauchraum. Die Bandscheibe ist - warum und wie auch immer - in Mitleidenschaft gezogen worden und seine Beine sind erlahmt. Es war ein furchtbarer Todeskampf. Die Tierrettung kam nach einer Stunde und behandelte erst nur die Bandscheibe. Zu dem Zeitpunkt, hatten wir das mit der Milz noch nicht bemerkt. Erst als ich die das zweite mal aus dem Bett klingelte, weil seine Schmerzen nicht besser wurden, bemerkten wir die verfärbten Leftzen, den aufgeschwollenen Bauchraum etc ... und dann ließ ich ihn sofort gehen, um sein Leiden zu beenden. Wir haben noch gekuschelt, als er bestimmt schon eine Stunde tot war. Er hatte seinen Kopf unter meiner Achsel vergraben (er liebte Schwitzkasten) als er einschlief ... ich denke es war okay für ihn.
Trotzdem hat mich diese Woche sehr mitgenommen. Ich stehe zu meiner Entscheidung, dass für mich nur die Alten in Frage kommen. Bei Herrn Leon war es schlimm, auf ihn verzichten zu müssen. Es war aber in Ordnung. Er war alt und ich glaube, er hat sein Leben wirklich in vollen Zügen gelebt. Es war okay - insbesondere für ihn. Das merkte man richtig. Bei Rex und Charly fühle ich mich vom Karma betrogen. Ich habe das Gefühl, dass sie mitten aus dem Leben gerissen worden sind. Auch wenn das natürlich nicht stimmt ... weil sie beide super alt waren und ich froh sein muss, dass sie nicht im Tierheim sterben mussten.