Zitat
…ich finde es sehr interessant, dass du auf Kribbelstrom unter der Schmerzgrenze allergisch reagieren zu scheinst…
Da ich glaube, dass den meisten Lesern hier die tieferen Zusammenhänge nicht so richtig klar sind, möchte ich das hier noch einmal mit meinen Worten erklären. Ich schreibe hier wechselnd, mal aus der Sicht des Hundes, mal aus der auf „mich“ übertragenen Sicht. Vielleicht muss man sich ein wenig Zeit nehmen, um alles zu erfassen. Sei’s drum, ich bin eben nur ein „kleines“ Kaliber, wie fachkundig festgestellt wurde und bitte deshalb um Nachsicht.
Es gibt 2 wesentliche Lehr- und Lern-Mechanismen um (Hunde-)Verhalten zu beeinflussen. Beide Mechanismen basieren auf der Konsequenz auf das eigenen Tun und Handeln des Hundes. Das gilt allerdings nicht nur für Hunde, sondern gleichermaßen für alle höheren Säugetiere (und natürlich auch für den Menschen). Die Individualität hinsichtlich der biologischen und evolutionären Grundlagen über das assoziative Lernvermögen dieser Arten und Individuen ist bei weitem nicht so groß und vielfältig, wie von den unzähligen „Unternehmern“ der vielen kommerziell publizierten Lehr-Methoden zur Hundeausbildung propagiert wird – ganz im Gegenteil. Die Natur perfektioniert erfolgreiches, aber sie stellt dem nicht etliche konkurrierende Variationen zur gleichen Zeit gegenüber.
Fazit des ersten Absatzes: Die Konsequenz auf mein eigenes aktuelles Verhalten beeinflusst mein künftiges Verhalten. Diese „Konsequenz“ kann man auch als Umweltantwort bezeichnen. Mit anderen Worten: Ich tue etwas, die Umwelt reagiert darauf. Oder auch, der Hund tut etwas, der Trainier reagiert darauf. Reagiert die Umwelt für mich angenehm, steigert das die Wahrscheinlichkeit, dass ich genau dieses Verhalten wiederhole – es war ja schließlich erfolgreich. Reagiert die Umwelt unangenehm auf mich, werde ich genau dieses Verhalten, was dazu geführt hat, in der Zukunft eher unterlassen. Wenn die Umweltantworten / Reaktionen des Trainer jeweils eindeutig sind, egal ob positiv oder negativ und zeitlich kongruent zum Tun erfolgen und bei mir / beim Hund eine eindeutige Gefühlslage erzeugen, so verstehe ich die Umweltantwort idealerweise unmissverständlich und absolut eindeutig. Diesen günstigen Sachverhalt umschreibt man u. a. mit dem Begriff „Kontiguität“.
Wenn die Antwort nicht so eindeutig ist, so bedarf es ggf. einer oder vielleicht sogar mehrerer Wiederholungen dieser Antworten (bitte genau diesem Sachverhalt im Kopf merken!). Über die Wiederholungen kristallisiert sich dann irgendwann und letztendlich eine für mich als Schüler verwertbare Wahrheit heraus, die ich dann eben als positiv oder negativ bewerten kann und die dann die entsprechende Verhaltensänderung nach sich zieht.
Fazit bisher: Gelernt wird durch die Umweltantwort auf mein Tun. Die Umweltantwort muss für mich verständlich und eindeutig sein. Ich lerne durch die Dauer und Intensität meiner Gefühlslage. Je schwächer ein Gefühl ist, umso länger benötige ich zum lernen. Je intensiver es ist, umso kürzer ist die benötigte Zeit. Weiterhin beeinflusst die Eindeutigkeit der Zuordnung eines Gefühls zum vorherigen Tun, also die Kontiguität den Lernvorgang. Und letztendlich wird auch durch mehrfache Wiederholungen einer vielleicht ungenauen Umweltantwort auf mein Handeln gelernt.
Bei angenehmer Konsequenz (Umweltantwort) wiederhole ich mein Verhalten eher, bei unangenehmer lass ichs' lieber. Aus ethischer Sicht ist aber festzustellen: Je unangenehmer eine Konsequenz ist, umso eindeutiger muss sie hinsichtlich der Kontiguität sein, denn sonst muss die Uneindeutigkeit dieser Konsequenz durch Wiederholungen kompensiert werden. Das heißt, wenn ich nicht imstande bin, den Hund richtig zu „bestrafen“, muss ich die Bestrafung völlig unnötig häufig wiederholen, damit die gewünschte Verhaltensmodifikation eintritt… immer auch unter der Gefahr zwischendurch „für nix“ zu bestrafen. Und im Weiteren, wenn ich nicht imstande bin, lernbiologisch korrekt zu bestrafen, führt das wegen meinem Unvermögen zur Gewöhnung beim Hund und infolge zum eigenen Scheitern bezogen auf das Lernziel. Und dann resümiert man für sich selber „das war der letzte Hund, den ich damit malträtiert habe.“ Bewiesen ist damit aber nur eines: Die fehlende Sachkenntnis des Trainers!
Betrachten wir jetzt mal die angenehmen Konsequenzen. Das ist nicht so einfach, wie man vordergründig glauben mag. Leckerchen rein schieben, belohnen, spielen, streicheln, knuddeln, all das ist sicher angenehm. Aber angenehm ist es auch, wenn endlich der Schmerz nachlässt. Man kann das recht einfach verstehen: Es liegt immer dann eine angenehme Konsequenz vor, wenn der Hund sich aus seiner aktuellen Gefühlslage verbessert. Z.B., er befindet sich in neutraler Stimmung, er tut etwas, er bekommt eine Belohnung, das Tun war für ihn erfolgreich, er wird es wiederholen.
Die dunkle Seite der positiven Umweltantwort ist aber die, dass ich den Hund vorher zielgerichtet und manipuliert aus der neutralen emotionalen Lage in eine negative Gefühlslage bringe. Ich tue ihm beispielsweise weh und durch sein Tun kann er diesen Schmerz beenden. Er verbessert seine Situation auch hier und wird sein Tun wiederholen. Die eine Seite ist das, was Clickertrainer als positive reeinforcement (R+) kennen, die andere (dunkle) Seite (P-) ist das, was ich bereits mehrfach als klassische Foltermethode bezeichnet habe und welches bis heute etabliertes Verfahren im Leistungssport ist.
Die gleichen Mechanismen funktionieren z.B. auch bei Kindern zur Verhaltensmodifikation. Ich gebe meinem Sohn das Signal „Lerne Französisch“. Er tut es und ich belohne ihn nach der Tat mit einem Leckerchen – er kriegt 'nen Crispie Chicken von Burger King. Er tut es gerne, weil er vorher schon entsprechende Erfahrungen gemacht hat. Das ist ganz einfach als klassisches R+ umschrieben..
P- funktioniert aber auch. Ich tue ihm vor dem Signal weh indem ich ihm sein Nintendo DS wegnehme. Er bekommt's nach dem Lernen als Belohnung zurück. Ìn beiden Fällen hat er seine Situation durch das Lernen jeweils verbessert. Nur in dem zweiten Beispiel habe ich ihn zunächst manipulativ in eine negative emotionale Lage versetzt, die er durch Lernen wieder verlassen kann. Das ist die klassische Foltermethode P- des nachlassenden Schmerzes, wenn du die „Straftat“ gestehst. Also noch mal: Erstes Beispiel, das Individuum befindet sich auf neutralem Level und verbessert seinen Stand in die angenehme Komfortzone. Zweites Beispiel, der Schüler wird vorher in die negative Zone manövriert und verbessert seinen Stand mit dem gewünschten Handeln auf die emotional neutrale Ebene. Beides ist für den Schüler im Ergebnis positiv.
Bei den Hunden nahm man früher das Krallenhalsband dazu, heute werden modernere Gerätschaften verwendet, wie die verharmlost bezeichneten Reizstromgeräte oder auch kurz E-Geräte. Die erklärenden Argumente (Zitat, s.o.). sind häufig die, dass es ja nur kribbelt, sich geradezu angenehm anfühlt. Man muss sich nur mal die Frage stellen wie das funktionieren kann, wenn ich wegen einem Fehlverhalten ein alternatives Verhalten etablieren möchte, in dem ich beim Fehlverhalten einen angenehmen Reiz über das E-Gerät hinzufüge... spätestens hier müsste man schon mal stutzig werden, wenn man sich der Lern-Mechanismen weiter oben erinnert. Aber lassen wir das erst mal.
Abgesehen davon, dass die Anwendung auf niedriger Stufe bei Fehlverhalten vollständig der Lernbiologie widerspricht (man stelle sich die Wirksamkeit eines E-Weidezauns mit angenehmen Kribbelstrom vor) beschäftigen wir uns doch einfach mal mit der Aussage „harmlos“, „angenehm“.
Als älterer Herr, den es mal hier und mal dort zwackt, gönne ich mir ab und zu mal die angenehme Behandlung durch ein Tensgerät. Es ist aber beileibe nicht gleich von Anfang an angenehm. Erst nach einiger Zeit während Sitzung ändert sich das Gefühl in ein angenehmes, entspannendes. Das hängt damit zusammen, dass die Nervenbahnen im Laufe der Sitzung desensibilisiert werden, das Schmerzzentrum im Gehirn reagiert geringer, es findet Gewöhnung statt. Tja, wir wissen aber alle, dass der Reiz beim Hund nicht kontinuierlich in der Übung anliegt, sondern nur Impulsartig angewendet wird. Also nix mit Gewöhnung an das angenehme und entspannende. Schauen wir nun auf einen weiteren wichtigen Aspekt. Wenn ich mir das Tensgerät anlege, so befinde ich mich vorher schon in unangenehmer Gefühlslage. Mir tut die Schulter weh, ich tue etwas gegen diesen Schmerz. Ich weiß im Voraus, wie sich der E-Reiz anfühlt, was mich erwartet, wie es abläuft, dass die Empfindung irgendwann sinkt, wann der Reiz kommt, wann er geht. Ich habe außerdem ständig die Kontrolle und kann's ganz einfach abschalten.
Betrachten wir das nun aus der hundlichen Perspektive. In der tierischen Vorstellungswelt gibt es keine Stromreize. Er befindet sich vor der Anwendung nicht (wie ich ) in negativer Gefühlslage. Es existiert keinerlei Vorstellung über dieses Empfindungsspektrum. Nehmen wir also mal an, der Hund befindet sich auf Distanz und erhält einen niedrigen Stromreiz. Man erinnere sich jetzt auch an das längere Zitat zum Thema Strom von Martin Pietralla weiter oben im Thread. Übrigens, Martin Pietralla war Physik-Professor an der Uni Ulm, er spricht da von Dingen, von denen er was versteht.) Also weiter... da der Hund nichts von Strom weiß, er aber taktil auf Distanz berührt wird, ohne dass auch nur jemand in seiner Nähe ist, sehe ich die große Gefahr einer analogen Wirkung zur „eiskalten Hand“, die vermutlich jeder von uns kennt. Dazu ein einfaches Szenario: Stell dir vor, du bist sehr spät abends alleine auf dem Heimweg. Gering beleuchtete Umgebung, an der Seite Sträucher, Büsche, Parkanlagen, alles undurchsichtig. Stille, fehlende Geräusche. Und dann hörst du etwas, etwas was jetzt und hier nicht hinpasst, hinter dir, im Dunkeln, in den Büschen. Und nun greift die eiskalte Hand zu, direkt in deine Brust und hält Dein Herz. Ich werde geradezu taktil berührt, ist zwar niemand da, aber jemand tut's, ich habe keinerlei Kontrolle über die Situation, über meine Gefühle, ich bin ausgeliefert. Und dann kommt Frauchen um die Ecke, lobt mich, weil ich irgendetwas unterlassen habe, schiebt mir ein Leckerchen ins Maul, beruhigt mich und nimmt den Druck aus meiner Brust. Na super….
Ich bleibe dabei, E-Geräte gehören nicht in den Hand von Stümpern. Und keinesfalls ist ein E-gerät der bessere Weg im Vergleich zu einem Bomper. Ein Stümper ist, wer den Einsatz eines E-Gerätes für notwendig oder für sinnvoll erachtet und die Anwendung auch noch für Verhaltensgerecht hält. Der Einsatz ist durch nichts zu rechtfertigen.
Daran ändert sich auch nichts, wenn wahllos Quellenangaben auf Texte aus dem Netz genannt werden, daraus selektiv zitiert wird und trotzdem ganz offensichtlich weder die kausalen Zusammenhänge der Lernbiologie noch die Auswirkungen auf den Schüler verstanden sind. Und insbesondere dann, wenn außerdem dabei die Grundhaltung der zitierten völlig ignoriert wird. So sind u.a. alle oben stehenden Aussagen, die mich zitieren, tatsächlich von mir gesagt worden und hier korrekt wiedergegeben. Ich habe alles genau so Wort für Wort gesagt. Aber die Zitate sind völlig losgelöst von Zusammenhängen, aus einem größeren Kontext gerissen und dienen allein dazu, mich aus boshafter Motivation in ein bestimmtes Licht zu stellen. Es wird bewusst und absichtlich meine Grundhaltung ignoriert, nämlich die Ablehnung und konsequente Vermeidung von physisch (u.U. auch schmerzhafter) Einwirkung auf den Hund in der Ausbildung. Der Einsatz von E-Geräten und die Ausbildung nach dem Prinzip P- ist meines Erachtens hochgradig tierverachtend und ignoriert mit einer gnadenlosen Arroganz das tatsächliche Lernpotential unserer Hunde.
Nun gut… egal… der Inhalt dieses Artikels ist vermutlich auch hilfreich dabei, den Verlauf dieser anderen Diskussion besser zu verstehen, die Standpunkte hervorzuheben, meine Argumente zu verstehen und das vollständige Fehlen überprüfbarer, nachvollziehbarer widersprechender Argumente festzustellen
Um nun zum Ende des Artikels wieder zum eigentlichen Thema dieses Threads und zu einem Fazit zu kommen: Meideverhalten ist nichts schlimmes. So wenig wie mein Meideverhalten bezüglich dieses Forums schlimm ist. Bei mir ist das ausgelöst durch eine mobbende Horror-Girlie-Gang, die im Stile typischer überdrehter und verzogener Highschool-Gören mit selbsternannter High-Society-Zugehörigkeit einen ganzen Jahrgang terrorisiert. Die mögen vielleicht High Society in Sachen Hundeausbildung fühlen, sie sind es aber nicht im Geringsten. Mein Meideverhalten ist nicht schlimm weil ich ja selber die Kontrolle über aversive Reize habe, in dem ich einfach nicht weiter mitlese.
Maddin (...der sich jetzt erstmal ein paar Monate Pause gönnt)
Ps
Falls wieder wieder jemand auf die Feststellung „unverständliches geschwollenes Gelaber kommt“, so mein ungefragter Rat, mag er das besser für sich behalten. Man könnte das nämlich auch verstehen als „Ich kapier nix, weil ich einfach zu blöde bin…“