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Ich sehe trotzdem einen ziemlichen Unterschied zwischen Belohnung und Bestrafung, denn wenn der Informationsgehalt gerade gleich null ist, dann ist es schon ein Unterschied, ob man einen vor den Latz bekommen hat oder ob man eine nette Belohnung hatte. Die Bereitschaft zur weiteren Zusammenarbeit wird deutlich beeinflusst. Und das sehen meine Hunde "sehr menschlich", auch sie ziehen Angenehmes dem Unangenehmen vor.
Natürlich ist Belohnen und Bestrafen nicht dasselbe. Die Belohnung
erhöht die Wahrscheinlichkeit auf bewusste Wiederholung eines
Verhaltens, die Bestrafung verringert die Wahrscheinlichkeit auf
bewusste Wiederholung eines Verhaltens.
Aber beides hat nix mit dem Erlernen eines neuen Verhaltens zu tun.
Oder besser, beides beeinflusst oder fördert das Lernen eben nur
sekundär. Warum also nur das zweitbeste anwenden?
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Wenn ich mit einem Ruck für das "Fuß" arbeiten würde, dann würde ich den nicht wie in deinem Beispiel nach dem unbekannten Kommando geben sondern vorher.
Weil "Fuß" und dann rucken bringt einen gedrückten Hund, der sich gegensperren wird.
Ruck" und "Fuß" danach bringt einen Hund, der zukünftig beim Kommando dem Ruck nach vorne ausweichen wird, in dem er sich in meiner Richtung bewegt. Nicht hundefreundlicher, aber zielführender.
Und genau mit dieser Sichtweise befindest Du dich auf einem General-
Irrtum. In dem Leinenruck "vorher" ist null Information für nix
enthalten... zusammenhanglos, ohne dass er die leiseste Chance hat,
das von vornherein zu vermeiden.
Warum weicht er nach vorne aus, bewegt sich in Deine Richtung, kriegt
das künftig sogar alles vorher mit, warum weiss er schon vorher, was
kommt?
Ich würde das als gravierendes Misstrauen deuten, permanente hohe
Wachsamkeit, ständige Bereitschaft zu defensiven Vermeidungs-
reaktionen, um etwas total schwammiges, unvorhersehbares,
nicht-berechenbares zu vermeiden. Ich glaube noch nicht mal, dass das
allumfassendes Misstrauen ist, sondern allein Kontextbezogen... innerhalb
von Übunssessions... begrenzt auf Ort, Zeit, Umgebung, Stimmung, usw.
Da kommen Hunde prima mit klar, ohne psychisch einen an der Waffel zu
kriegen... dauert ja nicht lange...
Rückblickend auf mein Walzer-Beispiel sähe das bei Dir so aus: Du
trittst Deinem japanischen Schüler erst vors Schienbei und sagst dann
"Tanz Walzer"... beides hilft ihm aber nicht einen Deut weiter...
Du musst jetzt nicht betonen, dass Du nun wohl der größte Tierquäler
aller Zeiten bist, Deine Hunde geprügelte Geschöpfe sind.... dummzeug...
ich weiss, dass das nicht so ist. Es ändert aber nichts daran, dass die Art
der Information, die Du Deinem Hund in dieser Übung gibt, untauglich ist.
Deine Erklärung zu "Fuss und dann Leinenruck" ist natürlch richtig. Eine
solche Vorgehensweise ist echt totaler Müll. Da ist nämlich überhaupt
keine Information über das erwünschte Verhalten enthalten, sondern es
wird schlicht und einfach ein Signal für einen aversive Reiz etabliert...
das ist nix anderes als klassiche Konditionierung.
Aber Leinenruck und dann erst das Fuss geht auch nicht.
Wobei, wir müssen nicht darüber streiten, dass beides erfolgreich
funktioniert... tut es... aber beides auf Kosten des Hundes. Und es
funktioniert deshalb, weil Hunde intelligenter und fehlertoleranter sind,
als wir ihnen zugestehen. Aber gerade weil sie intelligenter sind, kann man
maßgeblich effizienter auch intelligente Methoden anwenden. Und diese
verzichten auf Belohnung und Bestrafung.
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Ich bin durchaus mit dir einer Meinung, dass ein Hund schneller und eindeutiger lernt, wenn er selbst sozusagen die Lösung erarbeitet. Trotzdem brauche ich dazu in vielen Fällen einen Anreiz, dieses Problem auch Lösen zu wollen. Dazu nutze ich bevorzugt eine Belohnung.
Damit liegst Du richtig. Aber an der Stelle ist es noch eine Bestärkung,
das ist was anderes als Belohnung. Eine Belohnung hält ein erlerntes
Verhalten aufrecht, eine Bestärkung kann das nicht... weil die Übung an
dieser Stelle noch gar nicht erlernt ist.
Ich gehe 3 Mal ein einem grossen See an der gleichen Stelle angeln.
Und jedes mal freue ich mich, dass ich gut gefangen haben. Beim ersten
mal freue ich mich nur und denke "Hier gehste morgen wieder hin", beim
2 mal denke "geil, schon wieder". Beim dritten mal kommt die Erkenntnis,
das kann kein Zufall sein, hier ist ne besondere Stelle.
Beim 4. Mal werde ich fett belohnt, weil ich nicht eine Angel reingehängt
habe, sondern 5....
Man kann die Bestärkung auch Belohnung nennen, aber das ist einfach
unpräzise. Die ersten 3 Male war die Bestärkung zufällig... begleitet
von Erkenntnissen. Beim 4. mal wars eine Belohnung. Der Unterschied
liegt im vorsätzlichen Handeln.
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Denn nur weil ich das gerne so hätte, sieht der Hund ohne äußeren Anreiz doch wenig Sinn darin erst über eine Hürde zu springen, ein langweiliges Holz aufzunehmen, schon wieder über diese blöde Hürde, die man auch einfach umgehen könnte, zu hüpfen und das Holz bei mir genormt abzugeben.
Dazu brauchts es keine Belohnung. Bedürfnissituation schaffen und
die Übung als Hindernis zur Befriediung des Bedürfnisses einsetzen.
Der Hund wird mit enormen Einfalsreichtum das Problem lösen.
Ich habe im Garten eine kleine Hindernisbahn aufgebaut. Mein Hund
meinte dann, man müsse um jedes Hindernis herumlaufen, aber keines-
falls -wie gewünscht- oben drüber. OK, ich hab das einfach ignoriert
und was anderes gemacht. Und zwar...
...einen ausziehbaren Teleskopstift, eine kleine Gummikugel (aus einer
PC-Maus) auf der Sptize montiert und sie hat gelernt, die Kugel mit der
Nase zu stupsen, quasi so, als wäre das ein Schalter, den man drücken
kann. Jede Bedienung des Schalters hatte natürlich zur Konsequenz ein
Stück Wurst.
An der Stelle hätte ich ihr einen Türgriff beibringen können, einen
Lichtschalter zu bedienen, eine Flyball-Maschine zu bedienen, eine
Kontaktzone im Agility zu berühren... was auch immer... die Grundlage
war für alles gelegt.
OK, zurück zu den Hürden...ich habe dann einfach die Kugel hinter die
Hürden gehalten. Das hat keine 5 Sekunden gedauert, da hat sie das
Problem "Hürde" mit Sprung gelöst. Die Hürde war Nebensache, sie hatte
ganz andere Ziele: Und zwar die Kugel.
2-3- Wiederholungen, noch 2-3 Mal das bei den anderen Hürden, 1 mal
aus der Bewegung... Teleskopstift aus der Übung ausschleichen, der
ganze Hürdenkram war letztendlich in ein paar Minuten erledigt...
Die Essenz dabei ist: Ich stelle dem Hund ein Problem und lasse ihn
selbstständig dieses Problem lösen. Ich bin dabei weitestgehend passiv.
Meine Aktivität beginnt später: Übung etablieren, absichern,
signalkontrolle... aber da hat sich das Lernen schon lange vollzogen....
Mit anderen Worten: Die Pflaumen sind geplückt, entsteint, die Marmelade
ist gekocht und im Glas... ich papp nur noch das Etikett drauf... *fg
Zur Erinnerung.... Stichwort "Rollentausch"....