Hallo du,
das Beste, was du jetzt für deinen Hund tun kannst und musst, ist ihm Sicherheit zu vermitteln. Das Gefühl, dass du alles im Griff hast.
Dass das nicht so einfach ist, glaube ich dir. Aber ich spreche aus Erfahrung: Meine Hündin wurde gebissen, sie an der Leine, der andere Hund frei. Auch sie hatte sich unterworfen. Sie war völlig traumatisiert und ich habe da leider falsch reagiert, indem ich sie nicht genug unterstützt habe. Das hatte eine ausgewachsene Leinenaggression zur Folge, da sie nun glaubte, sich in Zukunft selbst beschützen zu müssen. Das wieder weg zu trainieren, ist aufwändig und für Hund und Besitzer sehr anstrengend.
Da du deine eigene Unsicherheit aber nun ja nicht direkt ändern kannst, würde ich dir Folgendes raten:
- solange du selbst Angst hast, dein Hund könnte gebissen werden, lässt du ihn nicht mehr mit fremden Hunden spielen, sondern organisierst euch Begegnungen mit Hunden, denen du vertraust. Damit werden die Begegnungen der nächsten zwei oder drei Wochen so verlaufen, dass du dem Hund Sicherheit vermitteln kannst. Du zeigst ihm: es ist alles okay (weil du es auch selbst so fühlst, deinen Hund kannst du nicht belügen). Er kann wieder lernen, dir in dieser Beziehung zu vertrauen und wieder sicherer zu werden im Umgang mit anderen Hunden.
- falls ihr in dieser Zeit andere Hunde trefft, die keinen Abstand halten, schirme ihn ab. Führe ihn so an dem anderen Hund vorbei, dass er auf deiner dem Hund abgewandten Seite läuft. So hast du die Sicherheit, dass du dazwischen bist und dein Hund fühlt sich ebenfalls sicherer. Sorg aber dafür, dass du das nicht mit großem Trara machst, sondern selbstverständlich einführst. Vielleicht in eine kleine Übung einbaust.
- zögere den Punkt, ihn wieder normal mit anderen Hunden spielen zu lassen, nicht zu lange hinaus. Nur gerade so lange, bis du merkst, dass er im Spiel mit den ausgewählten Hunden keine übermäßige Unsicherheit mehr zeigt (denn die macht ihn leichter zum Mobbing-Opfer). Bis dahin solltest du dich auch langsam an den Gedanken gewöhnt haben, dass du deinen Hund nicht gegen alles beschützen kannst. Der größte Schutz, den du ihm geben kannst, wird darin bestehen, ihm die Begegnungen zuzutrauen und dich wie eine Führungsnatur zu benehmen, die ihn souverän durchs Leben führt.
- zwei Sachen sind neben dem Splitten für das Management von Hundebegegnungen auch noch sinnvoll. Das betrifft das schnelle und zuverlässige Sitz (am besten ein Sitz hinter dir, falls ihr wirklich mal angegriffen werdet, kannst du den Hund hinter dir absitzen lassen und nach vorn aktiv die Verteidigung übernehmen, z.b. den fremden Hund wegscheuchen. Das macht eine Menge Eindruck auf deinen Hund). Das Zweite ist: abrufen aus dem Spiel üben. Ruf deinen Hund ab und zu mal aus dem Spiel heraus und lass ihn wieder hin laufen. Sobald du das Gefühl hast, in einem Kontakt baut sich Spannung auf, kannst du deinen Hund einfach abrufen und deines Weges gehen. Bei meiner Hündin habe ich oft das Gefühl, dass sie sehr erleichtert ist, wenn ich sie aus einerspannungsgeladenen Situation heraus abrufe.
Und nicht zuletzt: wache über deine Gedanken. Stoppe alle Vorstellungen, wo du dir ausmalst, was alles passieren könnte und würde und wie dein Hund nach der Verletzung aussah. Damit kannst du ihm nicht helfen, im Gegenteil. Stattdessen solltest du dir ausführlich ausmalen, wie dein Hund fröhlich und friedfertig mit anderen Hunden spielt und wie du bei einer schwierigen Begegnung erfolgreich reagieren und ihn beschützen würdest. Auch der Mensch lernt durch Training und bei der Vorstellung, was du wie tun würdest, baust du die Nervenbahnen ähnlich auf, als wenn du die Sachen tatsächlich tun würdest. Du machts quasi "Trockenübungen", die dir aber im Notfall helfen, schnell und adäquat zu reagieren, weil dein Gehirn genau diese Verknüpfungen schon zig mal hergestellt hat. Also stärke nicht die falschen Verknüpfungen, deinem Hund zuliebe.