Ich erziehe alle meiner 3 Hunde komplett ohne Leckerchen und habe keinerlei Probleme damit.
Allerdings hat das auch viel mit der persönlichen Einstellung zu tun ob dies funktionieren kann oder nicht.
Ich erzähl einfach mal wie alles bei mir begann.
Es fängt damit an, dass vor etwa 6 Jahren meine 1. Hündin im Alter von 3 Monaten bei mir eingezogen ist.
Ich, im Besitz von mindestens 30 Hundeerziehungsbüchern (natürlich alle mehrfach gelesen), war natürlich voller Tatendrang, malte mir bereits aus, wie für mich die "perfekte" Hundeerziehung ablaufen soll, ganz nach dem neuem Modell: Sanfte Erziehung durch Leckerlies, positive Konditionierung mit möglichst wenigen negativen Einflüssen.
Man geht also als verantwortungsbewusster Hundebesitzer in die Hundeschule, bringt dem Welpen neben dem wesentlichen Grundlagen, wie Schuhe-knabbern-ist-verboten, bereits die ersten Kommandos bei, wie Sitz, Platz, Bleib, Fuss, Nein, Aus...vielleicht lag es an meinem menschlichem Ehrgeiz, der Ungeduld oder dem, so erschien es mir jedenfalls, vorgegebenem Bild, dass mir in den Kopf gebrannt wurde: ein guter Hund läuft perfekt Fuss, sitzt in der 1. Sekunde etc...jedenfalls war meine Schlussfolgerung: Leckerchen? Wieso nicht? Es liegt im Trend und jeder macht es, sie dienen nur als positive Verstärkung, der Hund erarbeitet sein Futter und seien wir mal ehrlich: ein Welpe reagiert auf Leckerchen natürlich viel schneller, als auf den doofen Menschen, bei dem er seit ein paar Wochen wohnt und natürlich noch keine richtige Bindung entstehen konnte. Wieso mir dies also nicht zu nutze machen? Es scheint ja nur auf die Technik anzukommen: lockt man den Hund mit dem für ihn sichtbarem Leckerchen ist dies falsch, weil Hund kommt wegem Leckerlie, ruft man Hund und gibt ihm wenn er da ist ein Leckerchen, dann kommt er natürlich nur wegen dem Besitzer und nicht wegen dem zu erwartetendem Futter...ja ne, ist klar...was ein Unterschied Für mich erschien es damals vollkommen logisch, aber im Grunde ist es doch das selbe: Ob Hund jetzt kommt, weil er das Futter sieht oder kommt, weil er weiß, dass er wenn er da ist Futter bekommt - er kommt wegen des Futters.
(Möchte jetzt keinen persönlich angreifen von denen, die so arbeiten. Ich weiß, der Text klingt sehr abwertend, vielleicht habe ich es auch nie geschafft, bzw. begriffen, wie es funktionieren soll )
Jedenfalls war ich die ersten 3 Jahre nicht wirklich unglücklich mit dem Weg.
Mein Hund hörte perfekt und super schnell und ja, ich war wirklich stolz.
Da stört es anfangs auch nicht, dass Jackentaschen so vollgestopft sind mit Fleischwurst, dass man eben Handy etc. zu Hause lassen muss...zum Glück gibt es ja Leckerliebeutel!
Nur wehe, ich hatte nicht genug dabei!
Ich wurde unsicher, der Hund hörte nicht mehr nachdem er nach einigen Kommandos leer ausgehen musste
und mir wurde auf einmal klar, dass 1. der Hund sofort merkt, wenn nichts mehr kommt und dementsprechend viel langsamer reagiert, rumtrödelt oder...lalilu...auf Durchzug schaltet und 2. ich unsicher wurde! Hallo?! Ich, die sich ständig eingeredet hat, dass der Hund nicht wegen Leckerlies sondern wegen mir kommt, wird unsicher und hilflos, wenn der Leckerliebeutel leer war.
Ich hatte mir selbst was vorgemacht und ja: ich war geschockt!
Mit Leckerlies hab ich den besten Hund der Welt und ohne wird mir auf einmal klar, dass mein Hund mich überhaupt nicht ernst nimmt und meine Bindung zu ihm doch mehr als wackelig ist.
Ich gebe zu, ich habe lange, sehr lange geheult. War frustriert, enttäuscht und auch sauer.
Doch irgendwann muss man sich entscheiden wie man weiter macht und ich wollte einfach mehr.
Es kann doch nicht sein, dass Leckerchen und Spielzeug die einzigst sinnvollen Belohnungen sind und mein "Fein" und Kopftätschler dagegen abstinken!
Von jetzt auf heute war Schluss mit Leckerchen und es folgten schwierige harte Monate!
Mein Hund entwickelte sich zurück zum pupertierendem Jungspund: reagierte nicht mehr auf mich, alles andere war interessanter, die Ohren auf Durchzug oder es erschien mir damals als hätte mein Hund jegliches Interesse an mir verloren. Ich war oft kurz davor, meinen neuen Weg abzubrechen, aber ich habe durchgehalten und wir haben es geschafft! Ich glaube ich habe erst seit der Entscheidung, ohne Leckerlies zu arbeiten, wirklich damit angefangen meinen Hund zu lesen und auch kennen zu lernen.
Man merkt vorallem, wie die eigene Stimme und Körpersprache auf Hunde wirkt. Ob das kleinste zucken in der Schulter oder ein tiefes einatmen: Hunde sind gekonnte Beobachter!
Und so lernt man, sich dies zu nutze zu machen, um dem Hund so zu zeigen, was richtig und falsch ist.
Mir wurden im Prinzip die Augen geöffnet und ich bin immernoch dabei zu lernen.
Als Hund Nr. 2 einzog, 8 Wochen alter Welpe, hab ich von Anfang an nicht einmal ein Leckerchen mitgenommen auf einen Spaziergang und ihn fast ausschließlich frei rumhopsen lassen.
Man muss nur eines im Kopf haben: Zeit. Das bedeutet nicht, dass die Hunde langsamer lernen ohne Leckerchen! Sondern, dass man sich als Besitzer die Zeit nimmt, seinen Hund kennen zu lernen.
Ein 8 Wochen alter Welpe muss nicht innerhalb 1 Woche Sitz lernen, Platz machen oder wenn man ihn gefühlte 10000mal während eines Spaziergangs ruft (nur weil man sich als Mensch sicher sein will, dass er beim x. Mal immernoch reagiert) erwarten, dass er jedes Mal angerannt kommt.
Lernt ihn erstmal kennen, schaut wie er auf was bei euch reagiert, setzt euch auf eine Wiese und entdeckt zusammen die große weite Welt. Zeigt ihm die Schnecke im Gebüsch oder die Pfütze aufm Feldweg. Habt einfach Spaß. Das heißt nicht, dass man nicht erziehen soll. Im Gegenteil: Benutzt man von Anfang an Leckerchen, erzieht man den Hund dazu, dass er Leckerchen als Belohnung wahrnimmt, die Strafen aber trotzdem vom Menschen kommen zB durch ein "Nein". Beginnt man jedoch wie eben beschrieben damit, schöne Dinge an den Menschen zu knüpfen, und dabei geht es nur um Zuwendung und Kommunikation zwischen Hund und Mensch, ist dies für den Hunden nichts anderes als eine Belohnung.
Und so kann man dann beginnen dem Hund die grundlegenden Dinge beizubringen.
Dabei reagiert wie ich jetzt mal behaupte, jeder Welpe auf tiefe Geräusche mit einem: Oh kacke, was habe ich falsch gemacht? zB durch Ohren anlegen, etwas ducken, züngeln, Mundwinkel lecken etc.
(das allein sehen ja die meißten Menschen seltsamerweise als Zeichen für einen unterdrückten, gequälten Hund, dabei ist es nur ein natürliches Verhalten für Hunde, um zu sagen: Sorry!)
Auf hohe Geräusche mit Interesse und Neugier.
Also nutze ich dies um sein Verhalten zu formen. Ähnlich wie das Kinderspiel: Blinde Kuh! Sagt man heiß, nähert man sich dem Ziel, sagt man kalt, entfernt man sich.
Naja, jedenfalls seh ich das so
Nun zum dritten Hund: sehr eigenständig/ stark und gerade er, 1,5 Jahre alt, 1 Jahr an der Kette gelebt, wurde misshandelt, kannte nichts, hatte vorallem Angst, vorallem vor Männern, nachts, bei Autolichtern und Taschenlampen etc etc... und mit Menschen nichts am Hut und reagierte auf Bedrängung mit schnappen.
Ich habe ihn genauso behandelt, wie die anderen 2. Mit einer inneren Ruhe und Sicherheit (wichtig, denn glaubt man selbst nicht an sich, tut es der Hund garantiert nicht) und ihm auf diese Art gezeigt, wie die Welt läuft. Was soll ich sagen? Er ist inzwischen total entspannt, läuft komplett ohne Leine an Menschen vorbei ohne mit der Wimper zu zucken. Kommt immer und sofort wenn ich ihn rufe, auch aus dem Spiel heraus mit den anderen beiden kann ich jeden der 3 jederzeit abrufen, er läuft perfekt an der Leine, macht Sitz, Platz und ich bin der erste Mensch der ihn in den 1,5 Jahren kraulen kuscheln in den Arm nehmen hochheben, zwicken, bürsten...ich könnte wahrscheinlich alles bei ihm machen.
Ich weiß nicht. Vielleicht hatte ich nur Glück und der 4. Hund wird bei mir durchdrehen.
Vielleicht habe ich Ausnahmehunde oder vielleicht leide ich unter Wahnvorstellungen...
für mich funktioniert es.
Ich habe hier 3 entspannte Hunde, alle beherrschen die Grundkommandos, sie laufen draußen entspannt, traben nebenher und schauen zwischendurch immer zu mir hoch. Mal geben sie Gas und rennen, aber ich weiß, ich könnte es jederzeit unterbrechen. Natürlich ist es nicht "perfekt", denn ich als Mensch bin es schonmal garnicht und wenn man mies drauf ist oder gestresst ist es schwierig einen kühlen Kopf zu bewahren..aber es funktioniert.
Trotzalledem kann ich verstehen, wenn Leute, es nicht so machen wollen, können, oder denken ich bin bescheuert. Jeder sollte sich da sein eigenes Bild schaffen.
Im Enddefekt kommt es nur drauf an, dass es sowohl für Mensch als auch Hund passt.