Ich bin echt beeindruckt von den bisherigen Erfahrungsberichten! Es ist echt unglaublich, wie viel ihr mit euren Hunden schon geschafft habt und es macht wirklich Mut, immer weiter zu arbeiten!
Ich weiß nicht, ob ich wirklich einen "Problemhund" habe. Ivo ist zumindest ein Hund mit sehr vielen Baustellen, viele Probleme sind aber "situationsgebunden" (weiß gar nicht, wie man sowas ausdrücken soll). Als Beispiel: es wurde in euren Beiträgen ja häufig von extrem traumatisierten Hunden berichtet, die generell große Angst vor Männern, Kindern und Artgenossen haben. Das hat der Ivo alles nicht, ich würde ihn auch nicht als besonders traumatisiert bezeichnen.
Zu seiner Vorgeschichte: Ivo wurde in Spanien geboren und mit seinen Geschwistern vor dem TH ausgesetzt (womit sie schon sehr viel Glück hatten). Ich weiß nicht, wie alt er zu dem Zeitpunkt war, auf jeden Fall verbrachte er die nächsten Wochen in einem Welpengehege und kam schließlich mit 4,5 Monaten zu mir.
Bei seiner Ankuft war ich super überrascht, wie normal und offen er sich verhielt. Seine Vorgängerin war eine extrem ängstliche griechische Hündin, die erst im Laufe von mehreren Jahren ihre Angst nach und nach ablegen konnte und ich war auf etwas ähnliches vorbereitet. Und da saß ich nun auf der Fahrt nach Hause neben einem Welpen im Auto, der bereits nach einer Stunde (es war eine seeehr lange Fahrt) nach Leckerlies bettelte und vergnügt mit mir an seinem neues Spielzeug zergelte. Zuhause traute er sich die ersten paar Stunden nicht aus seinem Körbchen, weil er den Parkettboden so gruselig fand, nachdem er sich aber schließlich einmal getraut hatte, gabs kein Halten mehr und der normale Welpenwahnsinn begann. Über Besuch freute er sich von Anfang an und hatte weder vor Frauen, noch vor Männern Angst, sondern versuchte gleich immer mit allen zu spielen.
Die Probleme kamen erst nach und nach und bestehen leider noch immer zum größten Teil (er ist jetzt ca. 1,5 Jahre alt):
1. Starke Leinenaggresion, häufig gepaart mit umgeleiteter Aggression = nach meinem Bein /Arm schnappen. Das Problem war von Anfang an vorhanden, leider habe ich es die ersten Monate über nicht ernst genug genommen (Mangel an Erfahrung! Irgendwie dachte ich, es wird schon, wenn er regelmäßig guten Kontakt zu Artgenossen hat). Mittlerweile arbeiten wir daran schon mit dem dritten Trainer, Vor- und Rückschritte wechseln sich jedoch ständig ab und ich kann nicht sagen, dass wir großartig weiter wären.
2. Menschen werden bei Dunkelheit und / oder wenn sie irgendwas "unheimliches" an sich haben verbellt, wobei Ivo dann auch extrem nach vorn geht und auch zu schnappen versucht. Das ist glücklicherweise schon sehr viel besser geworden! Trotzdem passe ich natürlich sehr auf und er muss in manchen Situationen auch einen Maulkorb tragen.
3. Fremder Besuch wird nicht in die Wohnung gelassen. Das Problem steht nach der Leinenaggression als nächstes auf meiner Liste dessen, was ich gern mit unserer Trainerin bearbeiten würde. Im Alleingang möchte ich es nicht in Angriff nehmen und vermeide im Moment einfach solche Situationen.
4. Rückruf funktioniert nicht, sobald Ivo mit einem anderen Hund beschäftigt ist. Das werde ich, hoffe ich, auch ohne Trainerin schaffen. Bin grade dabei, mir eine gute Methode zu suchen.
Was haben Ivos Baustellen nun bei mir bewirkt?
Tja, zweierlei: ich bin wirklich oft genug verweifelt und habe regelrechte Depriphasen und Zukunftsängste, wenn ich mir vorstelle, dass sich evtl. gar nichts mehr an seinem Verhalten ändern lässt und es sich vielleicht auch noch verschlimmert. Es ist halt ein riesiger Organisationsaufwand für mich als Single eine Betreuung für Ivo zu finden, die mit seinen Verhaltensproblematiken zurechtkommt, das ist im Moment mein Hauptproblem. Die Betreuungspersonen, die ursprünglich (also vor seinem Einzug) eingeplant gewesen sind, kommen einfach nicht klar mit ihm, können ihn nicht halten, da er auch viel viel größer geworden ist, als gedacht. Ich habe dadurch einen ganz anderen Lebensstil annehmen müssen, gehe abends nicht mehr weg und treffe mich mit Freunden fast ausschließlich bei mir zuhause (die meisten meiner Freunde wohnen in größeren WGs und Ivo lässt auch in fremden Wohnungen keine "Fremden" mehr rein). Besuche bei meinen Eltern sind sehr schwierig, da sie in einer großen Anlage wohnen und Ivo dort extrem aggressiv auf alle Menschen im Hausflur und Innenhof reagiert.
Zudem bin ich im Moment auf Arbeitssuche und weil ich Ivos Betreuung nicht zu 100% sicherstellen kann, schließen sich für mich alle Jobs über 25 Std / Woche (bzw. 30 Std. und dafür sehr wohnortnah) aus. Und da gibt es sehr sehr wenig passendes :/
Die andere Seite der Medaille: die Arbeit mit Ivo hat uns beide sehr zusammengeschweißt. Ich liebe diesen Hund abgöttisch und werde alles dafür tun, ihm ein möglichst schönes und erfülltes Leben zu bieten. Wenn ich den Stinker grinsend über die Wiese laufen sehe, entschädigt mich das allein schon für alle Unannehmlichkeiten.
Trotzdem würde ich niemals nie BEWUSST einen solchen problematischen Hund adoptieren.