Beiträge von Phantomaus

    Jil hatte früher auch einen recht großen Radius. 50 bis 100 Meter waren eher die Norm als die Ausnahme. Nachdem ich erfolglos versucht habe, dran zu arbeiten, ihren Radius zu verkleinern, habe ich stattdessen einen superzuverlässigen Rückruf etabliert. Jetzt im Alter ist der Radius etwas kleiner geworden, hat sich dafür aber mehr nach hinten verlagert. Also 15 - 30 Meter vor mir oder 100 Meter hinter mir.


    Cinnia hat einen für mich recht kleinen Radius und guckt auch öfter, wo ich bleibe. Die ist meist so 15 - 30 Meter vor mir. An sich total unkompliziert.

    Allerdings: Wenn ich mit beiden Hunden unterwegs bin, läuft Cinnia 15 - 30 Meter vor Jil. Also deutlich weiter vorn als alleine. Je nachdem, wie abenteuerlustig Jil an dem Tag ist und wie viel auf der Runde los ist, ist es dann schon etwas anstrengend, für zwei Hunde vorauszuschauen, die potentiellen Störfaktoren (hier meist Radfahrer) einzuschätzen, die unterschiedlichen Reaktionsgeschwindigkeiten der Hunde einzuplanen und entsprechend Kommandos zu geben.

    Ich habe mal in einem schicken Hundeladen nach einem Halsband für Jil gesucht. War eh schon schwierig wegen der Größe, weil die Hauptzielgruppe des Ladens eher kleinere Hunde waren. Die Verkäuferin kramt und kramt, nimmt verschiedene Halsbänder in die Hand und legt sie wieder weg. Ich frag so: „Was war denn mit dem falsch, das sah doch gut aus?“ und sie sagt: „Aber blau ist doch nichts für eine Hündin!“


    Auf der anderen Seite: Ich habe mal eine Frau mit zwei Maremanos getroffen - zwei echt beeindruckende Kaliber. Entsprechend kernige und souveräne Halterin. Ein Hund trug ein blaues Geschirr und der andere rosa. Ich hab erwähnt, dass ich es cool finde, dass der Rüde rosa trägt und sie so: „Das ist orange!!! Das ist nur etwas ausgeblichen!“


    OT, aber auch ein Klischee: Suchte ein Halsband für den Vizsla. Verkäuferin macht Farbberatung: „Grün ist doch immer schön für einen Jagdhund!“

    Auf der Runde am Feld lang fiel mir heute ein Mann auf, der mitten auf dem Acker sehr konzentriert mit ganz kleinen Schritten über den frisch abgeernteten Acker ging. Am Feldrand wartete eine Frau mit Labrador, zu der er irgendwann in einem großen Bogen zurückkehrte. Gerade passend, dass ich mal nachfragen konnte!


    Ich: "Ah, machen Sie Fährtenarbeit?"

    Er: "Öhmmm, nee. Aber der Hund war ein paar Tage krank und da musste ich doch grade mal gucken, wie der Haufen aussah. Aber man findet den ja so schlecht wieder!"

    Ich bin auch etwas unschlüssig, ob Welpe, der dann direkt mit unseren Anforderungen aufwächst, aber am Anfang natürlich mehr Arbeit macht, oder ein älterer Hund, der Stubenrein ist und schon ein paar Regeln kennt, dafür aber meist Macken mit bringt.

    Ich weiß echt nicht, woher dieses Vorurteil kommt, dass ältere Tiere grundsätzlich "Macken" haben. Es sind Lebewesen, ja, aber man muss immer bereit sein, an gewissen Dingen zu arbeiten, egal ob mit einem Welpen oder einem erwachsenen Tier. Und an sich selbst!

    Manche nennen es Macken, ich nenne es Charakter. So ein individueller Charakter entspricht halt nicht immer dem Idealbild vom Hund. Ist bei meinen auch nicht so. Aber das sind halt meine Hunde und die sind so. Und unterm Strich sind das super Hunde, da gibts nix!


    Bei erwachsenen Hunden kann man sich vorher ein besseres Bild machen, mit welchen Eigenschaften man rechnen muss. Da wird's natürlich mit der Auswahl schwierig, weil man als vernünftiger Mensch ja sagt "Jagdtrieb, ach nee, vielleicht lieber nicht". "Ressourcenverteidigung - habe ich nicht so gerne" "Mag keine Katzen - weiß nicht, vielleicht wollen wir ja doch mal eine Katze haben."

    Wenn man einen Welpen aufnimmt, ist die Toleranz einfach größer, den Hund auch mit seinem erwachsenen Charakter zu schätzen. Dann isser halt so, passt schon.

    Man sollte nur grundsätzlich nicht mit der Einstellung ran gehen, dass ein Hund einen überall mit hin begleiten können muss, dass ein Hund Besucher super toll finden muss, dass ein Hund andere Hunde richtig dufte finden muss, dass ein Hund Kinder super klasse findet und von jedem angefasst werden möchte, dass ein Hund immer und überall von Haus aus ruhig entspannen und rumliegen können muss. Das sind ganz typische Dinge mit Hund, die unter Umständen Arbeit machen und Training und Management erfordern.

    Das ist ein total wichtiger Hinweis! Das sind alles Sachen, von denen man sich erträumt, dass man das GENAU SO mit dem eigenen Hund leben kann – aber von denen einige für manche Hunde einfach nichts sind. Bisschen was kann man trainieren, aber manches bleibt einfach immer nervig für den Menschen und stressig für den Hund, so dass man da gegebenenfalls umdenken muss. Das ist natürlich eine Typfrage, die man mit der Rassewahl etwas steuern kann, aber grundsätzlich sollte man dafür offen sein, dass der Hund auch einen eigenen Charakter hat.


    Generell ist es gut, nicht damit zu planen, dass der Hund zum Stall, zum Fußballtraining der Kinder und auf den Flohmarkt mitkommen MUSS. Schön, wenn er's kann und sinnvoll, das auch zu üben. Aber insgesamt ist es klug, für solche Anlässe auch einen Plan B zu haben.

    Du klingst nach einem sehr verantwortungsbewussten Menschen, der sich über Probleme und Kosequenzen VOR der Hundeanschaffung Gedanken macht. Das ist total wichtig und richtig! Aber wenn man nur auf "was kann alles schieflaufen" guckt, dann kriegt man ein verzerrtes Bild auf die Realität.


    Ganz unwissenschaftlich ein paar gefühlte Fakten von mir:

    80% der "Problemfälle" wären bei einem KURZEN vorherigen Nachdenken über Rassewahl oder Lebensumstände nicht entstanden.

    15 % der Fälle, wo es trotzdem nicht rund läuft, brauchen einfach noch ein bisschen mehr Geduld, Training oder gutes Zureden – dann wird das besser.

    3% sind Problemfälle, wo Außenstehende mit dem Kopf schütteln, aber die betreffenden Halter gar kein Problem wahrnehmen.

    1,9 % der Problemfälle brauchen dauerhaftes Management. Das sind beispielsweise ausgeprägte Probleme mit Jagdtrieb, Alleinebleiben, Artgenossen.

    0,1 % sind dann die Probleme, die übrig bleiben. Und für die findet man auch noch eine Lösung.

    Man braucht mehr Zeitmanagement, Finanzen, Geduld und muss mehr putzen.

    Ja. Ja. Ja. Ja. Das ist so. Aber wenn es NUR das wäre, hätte kein Mensch einen Hund. Man kriegt schon ordentlich was zurück. Und da rede ich nicht von "bedingungsloser Liebe" eines Lebewesens, das von einem abhängig ist - so eine Denkweise wird dem Hund nicht gerecht. Man kriegt ein Familienmitglied, das einen die Welt mit anderen Augen sehen lässt. Je nachdem, was für einen Hund man hat und was man gemeinsam mit ihm erlebt. Das schweißt zusammen. Das gilt sowohl für Leute, die irgendwas an Hundesport machen (geniale Fähigkeiten des Hundes erleben!), als auch die Freizeitspaßleute (wunderbare Spaziergänge!). Sogar weniger aktive Menschen freuen sich daran, einen Begleiter zu haben, der einfach nur dabei ist. Der ideale Hund kann alle drei Bereiche abdecken und ist dabei überhaupt nicht selten: Die meisten Hunde sind sehr zufrieden mit einer lockeren Mischung aus Aufgabe, Freizeit und VIEL Pause.


    Du schreibst, Du hast Kinder. Dann weißt Du doch, dass 100% Konsequenz eine Illusion ist. Kriegen Hundehalter auch nicht hin. Man hat zwar individuelle rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen. Aber im Alltag gibt's auch haufenweise Situationen, wo man denkt:"Hab ich grade nicht gesehen, ist nicht passiert." Mit dieser Einstellung sucht man sich natürlich am Besten nicht die krasseste Hunderasse aus. Aber Hundehaltung ist keine Raketenwissenschaft. Man muss nicht zehn Jahre lang studiert haben, um es ordentlich hinzubekommen. Gesunder Menschenverstand, Einfühlungsvermögen und die Bereitschaft, sich auf den Hund einzulassen reichen erstmal aus – den Rest erarbeitet man sich dann, wenn man es braucht.