Ich möchte hier einmal meinen Standpunkt zu diesem unsagbar schwierigen Thema darlegen.
Meiner Meinung nach gibt es 2 Kriterien,die von Bedeutung sind:
1) Hat der Hund noch Freude am Leben,mit all den Schwierigkeiten,die er
meistern und ertragen muß?
2) Wie ist die Beziehung der betreuenden Menschen zu dem Tier?
Ich selbst bin in der Situation,daß meine 16jährige Hündin sehr stark dement ist,mit allen Symptomen und Mühseligkeiten,die damit verbunden sind.
Sie weiß nicht mehr,wie Trinken funktioniert,ist desorientiert,hatte Phasen der Inkontinenz(die sich gottseidank wieder gegeben haben),erträgt es nicht mehr,allein gelassen zu werden,muß nachts von mir etwa alle 2 Stunden umgebettet werden,da sie gerne die Seite beim Liegen wechseln möchte,von sich aus aber nicht dazu in der Lage ist(demenzbedingt).
Sie braucht nachts eine permanente Lichtquelle(bei totaler Finsternis würde sie ständig irgendwo dagegenlaufen),kann sich generell nicht mehr selbst hinlegen,ich muß ihr an der Nasenspitze ansehen,ob sie Fressen,
Trinken,Liegen oder Lacki machen möchte-und so könnte ich die Liste noch ewig lang fortsetzen..
Und als ob das noch nicht genug wäre,hat sie (Tumor?Schlaganfall?) zusätzlich auch noch den zwanghaften Drang,ständig ganz enge,kleine Kreise nach(ausschließlich)rechts zu machen,sie kann die Richtung ihrer Schritte nicht mehr beeinflussen.
So habe ich also begonnen,all diese Herausforderungen anzunehmen,und für sie da zu sein-uneingeschränkt.
Der Raum mit dem Teppich,in dem die Lackerln am öftesten passiert sind,wurde mit einem zugeschnittenen Stück PVCbelag abgedeckt,für die anderen Räume ein allzeit bereiter Stapel ausgemusterter,alter Handtücher zum-bald routinierten-Aufwischen bereitgestellt.
Der Wassernapf wird am Rand mit etwas Leckerem beschmiert,sobals sie das ableckt und ihre Zunge dabei mit dem Wasser in Berührung kommt,funktioniert auch der Trinkreflex wieder und sie trinkt lange und ausreichend.Im Schlafzimmer gibt ein Kinderschlaflichtstecker sanftes und ständiges Nachtlicht,und das Umbetten im Halbschlaf wurde irgendwann zur Routine.
Das Kreisgehen unterbinde ich so gut es geht,indem ich immer an ihrer rechten Seite gehe,und ihr somit die Chance nehme,abzubiegen.
Die Veränderungen des Alters hatten im Laufe der Zeit viele Gesichter und Phasen,einiges ist unerwartet besser geworden,anderes dazugekommen.
Natürlich muß ich auch auf ihr Herz aufpassen,die linke Herzklappe schließt nicht mehr richtig.
Fakt ist aber auch,daß sie fantastische Blutwerte hat,daß sie immer und immer wieder von Leuten,die wir beim Gassi treffen,auf maximal 3-5(!!!)
Jahre geschätzt wird,weil sie so entzückend,jung und gesund aussieht,
daß sie mit einer absoluten Hingabe und Begeisterung frißt,
daß sie Kuscheln,Nähe und liebe Worte genießt und mit wohligem Grunzen quittiert,daß sie mindestens 3 tägliche Spaziergänge einfordert(trotz wehem Kreuz und altersbedingtem Muskelabbau an den Beinen) und daß sie,und das ist SEHR wichtig,beim Gassigehen NICHT ihrem Kreiszwang unterliegt-da kann sie ganz normal ihre Schritte lenken und steuern!!!
Und letztendlich gibt es nur ein Kriterium,das mich selbst leitet bei unserem gemeinsamen,finalen Weg-und das ist der Blick in ihre Augen,in ihr liebes Gesicht.
Ich habe in diesen Augen noch kein einziges Mal RESIGNATION oder VERZWEIFLUNG gesehen,sie ist eine kleine,tapfere Kämpferin,und sie weiß,daß ich an ihrer Seite bin und dafür sorge,daß ALLES GUT ist.
Würde sie mir je mit ihren Blicken signalisieren,daß dieses Leben kein lebenswertes mehr für sie ist,würde ich sie gehen lassen.
Aber solange mir noch diese Lebensfreude und diese Begeisterung entgegenstrahlt,nehme ich das als Auftrag,ihr all die Zeit zu schenken,die sie dem Leben noch abtrotzen möchte.
Ich selbst habe zwei schwere,chronische Erkrankungen-Morbus Bechterew undMorbus Crohn.Hätte mir mit 20 Jahren jemand prophezeit,was ich im Zuge dieser Krankheiten alles ertragen werde müssen,ich hätte DAMALS keinen Wert auf ein so schmerzvolles,mühseliges Dasein gelegt.
Aber man lernt,die Dinge mit der Zeit anzunehmen,zu akzeptieren,und aus den kleinen Dingen und Freuden des Alltags seine Kraft zu schöpfen.
So ist das wohl auch bei den Hunden-auch sie arrangieren sich mit ihren Defiziten,und können dem Leben viel länger etwas Positives abgewinnen, als wir uns das vielleicht vorstellen können.
Und damit wäre ich nun bei Punkt 2,der Beziehung des betreuenden Menschen zu dem Tier.
Ein Leben hat für den betroffenen Hund in so einer Phase seiner Existenz nur dann einen Sinn und einen echten Wert,wenn er auch wirklich all den Beistand,das Verständnis,die Hingabe,die Liebe und die Geduld erfährt,die eine solche Situation erfordert.
Mit dem "am Leben lassen" allein ist es NICHT getan.
Ich habe mein ganzes momentanes Dasein auf die Pflege meines Hundes ausgerichtet,alle sozialen Kontakte,Ausflüge,Urlaube etc etc-schlicht mein komplettes EIGENES Leben-auf Eis gelegt,um sie rund um die Uhr betreuen zu können.
Alleine wäre sie völlig hilf-und chancenlos.
Ich habe dadurch größte gesundheitliche Probleme,denn der Streßfaktor und das Schlafdefizit sind enorm und manchmal nahezu unmenschlich, seelisch so dringend nötige Ablenkung gibt es durch den Dauereinsatz natürlich auch in keinster Form.
Das geht hart AN,und ganz oft ÜBER meine Grenzen.
Aber ich habe meiner geliebten Maus in guten Tagen ganz oft beim Kuscheln ins Ohr geflüstert:"ICH LIEBE DICH MEHR ALS MEIN LEBEN"
-und genau dazu stehe ich jetzt,und ich weiß nun,
daß das,was ich immer gefühlt habe,wahrhaftig ist.
Ich habe nächtelang durchgeheult,wenn sich Demenz und Kreisgehen manchmal unheilvoll gepaart haben,und sie stundenlang im Kreis herumgetorkelt ist,immer wieder unterbrochen von meinen verzweifelten Versuchen,sie zu beruhigen.Geheult vor seelischem Schmerz bei ihrem Anblick, der mir das Herz gebrochen hat,und wegen der Frage,ob das noch die vielzitierte Lebensqualität ist,oder ob ich sie gehen lassen sollte..
Aber nach jeder dieser Nächte kam-bis jetzt-ein Morgen,an dem alles wieder vergessen und wie ein böser Spuk vorbei war,und mich strahlten noch immer diese zufriedenen,lieben Augen voller Lust auf eben diesen neuen Tag an,und ich wußte dann,daß ihre Zeit an meiner Seite noch nicht zu Ende sein sollte-weil SIE es so wollte und ICH es ihr ermöglichte.
Natürlich bleibt zum Schluß immer noch die Frage,ob man nicht eher bewußt einen Zeitpunkt wählen sollte,an dem man in Frieden auseinandergehen kann-sozusagen als Zugeständnis an ein langes,von tiefer gegenseitiger LIEBE erfülltes Leben.
Denn die Angst,letztendlich Zeuge eines schmerzerfüllten,unwürdigen Todeskampfes natürlicher Ursache zu werden,sitzt tief..
Doch man muß irgendwo auch akzeptieren,daß man nicht alles im Leben, quasi nach Regieanweisung, "glatt und perfekt" abwickeln kann-
da das Leben selbst nun einmal nicht glatt und perfekt ist!
Das ist mein ganz persönlicher,subjektiver Zugang zu der Sache,und ich werde meiner LEBENSLIEBE-so lange ich dazu in der Lage bin,und so lange sie das noch möchte-all das zurückgeben,was sie mir in den vielen Jahren davor an Freude,Lebensqualität,Beistand,Trost,Aufmunterung,
Lachen,Gefühl und vor allem LIEBE im Übermaß zuteil werden hat lassen.
Diese Zeilen widme ich meinem Ein und Alles-meiner geliebten PIXI!