Schon ziemlich... na ja, bemerkenswert:
Ich war heute wieder im Tierheim, danach muss ich mit dem Zug nach Hause fahren. Als ich am Bahnhof ankam, sah ich schon von weitem eine kupierte Dobermannhündin an der Straße rumrennen. Sie jagte einem Mann mit Terrier an der Leine kurz hinterher, bellte alles aus, was ihren Weg kreuzte, und überquerte mehrfach die ländliche, aber doch recht stark befahrene Straße (insbesondere zu Feierabend ist da einiges los). Um das Tier von der Straße wegzulocken, hab ich sie erst einmal angesprochen, wurde, wie erwartet, auch angekläfft, aber sie folgte mir in einem gewissen Abstand. Neben dem Bahnsteig stand ein Smart, darin eine ältere Frau, die mich mit panischen Augen ansah, ich glaube, die meinte, ich werde gleich gefressen von dem bösen, bissigen Kampfhund. Meine Angst hielt sich in Grenzen, ich kenne das Wesen der Dobis ein wenig, und diese Kleine hatte nichts als Angst. Okay, sie wollte keine Leckerlis, anfassen ließ sie sich auch nicht, tanzte immer nur in einem Abstand von zwei Metern um mich herum. Tja, was tun? Ich klingelte also bei dem einzigen Haus, in dem dort, in der Industriegegend, Licht brannte, und erkundigte mich, ob man den Hund kenne. Nein, nie gesehen. Der erste bemerkenswerte Satz kam von der Hausfrau: "Der flitzt hier schon seit Mittag rum!" Hmmm, warum hat dann noch niemand das keinen Kilometer entfernte Tierheim verständigt?
Ich erklärte, dass der Hund mir nach Ansprache jetzt in einigem Abstand folgte, aber sich nicht fangen ließe. Zweiter bemerkenswerter Satz, dieses Mal vom Hausmann: "Dann steigen Sie am besten gleich ganz schnell in die Bahn und hoffen, dass er Ihnen nicht hinterherkommt." Ah ja. Und wie löst das das Problem des ängstlichen Hundes, der panisch alles verbellt, was ihn erschreckt, kreuz und quer über die Straße rennt und nur durch pures Glück noch nicht unterm Auto gelandet ist?
Egal, sie schlossen die Tür, ich rief unsere TH-Chefin an, die dann vorbeikam. Auch zu zweit hatten wir keine Chance, das arme Tier zu erwischen, aber die Hündin war durch unsere Versuche so verunsichert, dass sie eine Straße weiter weg lief, auf einen Hof. Dort entdeckten wir ein offenes Tor und eine sperrangelweit aufgerissene Haustür, drinnen keine Menschenseele, aber die Hündin kam gerade wieder aus dem Haus gerast und nahm ihre panischen Runden auf der Straße wieder auf. Eine weitere Nachbarin, mit der TH-Chefin bekannt, wurde auf uns aufmerksam und wusste immerhin, dass die Hündin ins besagte Haus gehörte und der dort lebende Mann beim Baumarkt in der Nachbarstadt arbeitete, nicht aber den Namen des Hundes. Von ihr kam der dritte bemerkenswerte Satz: "Darf die überhaupt ohne Leine laufen? Das ist doch n Kampfhund!". Tja, erstens haben wir noch keine Rasseliste in Niedersachsen, und zweitens hätte auch die Leine nichts genützt, wenn niemand sie festhält.
Irgendwann kam der Besitzer der Hündin mit seiner Frau angefahren, Hund freute sich nen Keks, Herrchen weniger, denn der bekam zunächst mal ein paar gute Ratschläge bzgl. des Einsatzes eines Schlüssels an Haustür und Gartentor und durfte danach seine geschockte Frau beruhigen.
Nachdem also die Hündin gerettet war, konnte ich auf die nächste Bahn warten, denn meine hatte natürlich nicht gewartet, bis das arme Tier in Sicherheit war. Auf dem Weg zum Bahnsteig wurde ich von der Frau aus dem ersten Haus angesprochen, die wissen wollte, was aus dem Hund geworden sei. Ach, sie sei wieder zu Hause... Und nun der letzte bemerkenswerte Satz dieses Abends: "Aber wenn die noch mal hier herumrennt, was mache ich dann? Ich habe Angst um meine Kinder." <-- Ich würd es mit einem Anruf beim Tierheim versuchen, in der Gegend sind wir schneller vor Ort als die Polizei.
Bemerkenswert traurig fand ich, dass so viele Leute vorbei kamen, mit oder ohne Hunde, aber sicher alle mit Handys, und in dem kleinen Ort weiß auch jeder, dass das Tierheim nur einen Katzensprung entfernt ist, und das arme Tier musste dennoch den halben Tag als Verkehrshindernis durch die Gegend flitzen, ohne dass jemand was getan hat.