Nr.2.: Mein Collie-Schäfer-Mix-Rüde:
Ich sah ihn an einem Montag Abend am 3.2.97 das erste Mal im Wald, er kam hinter einer Spaziergängerin her, die mir sagte, dieser Hund würde schon seit ein paar Tagen immer, wenn sie vorbei ginge "dort hinten irgendwo" aus dem Gebüsch kommen und dann ein paar Meter hinter ihr her gehen.. Ich wurde hellhörig und stutzig - derweil attackierte meine Münsterländerin ihn kurz, weil das überaupt gar nicht ihr Typ war. Und er wehrte sich nicht einmal! Mein TRAUMHUND! Er hatte total verfilzte Fell, stank bestialisch und humpelte auf allen Vieren (was ich auf keinen Fall als Zweithund wollte war: ein großer Hund, ein Rüde und schon gar keinen langhaarigen - er WAR groß, Rüde, langhaarig :wink:). Mich wunderte nur, daß er noch nicht so grau war, weil ich ihn auf +/- 10 Jahre schätzte, so elendig schleppte er sich durch den Wald. Allerdings ließ er sich gar nicht anfassen und ich brachte meine Hündin nach Hause und ging mit Leckerchen bewaffnet zu der besagten Stelle und suchte ihn. Er lag tatsächlich ca. 20 Meter vom Weg im Laub... Seeeehr merkwürdig! Ich ging auf ihn zu, aber er ließ mich diesmal gar nicht in seine Nähe kommen. War nix zu machen. Ich suchte in der Umgebung nach einem Hinweis, vielleicht war sein Herrchen dort irgendwie gestürzt und lag verletzt oder womöglich tot im Wald? Aber nichts dergleichen!
Er war dann bei der Spätabendrunde nicht mehr auffindbar - schade, dachte ich, aber habe trotzdem am nächsten Morgen wie selbstverständlich Futter für zwei Hunde gemacht, ging mit einem langen Seil und Leckerlis in einer Rascheltüte bewaffnet in den Wald und siehe da: er war wieder da und kam auch sofort vorsichtig näher als ich raschelte. Offensichtlich traute er sich durch meine Hündin, die nur schwer davon abzuhalten war, ihn wieder zu plätten, aber ich konnte sie ablegen und so hatte er ein wenig Mut, sich die Leckerlis abzuholen. Als er genug Vertrauen hatte, war ich dann so fies und habe ihm das Seil übergeworfen und dann war er "gefangen", wehrte sich allerdings nur kurz und ging mehr oder weniger bereitwillig mit nach Hause. Erst als ich dann beim Füttern seine doch recht beeindruckenden Zähne sah, wurde mir ein wenig mulmig und ich wunderte mich über meine Unbefangenheit
Nach dem Frühstück lief er sofort den Gartenzaun ab und sah sich wohl nach Fluchtmöglichkeiten um, legte sich dann aber total erschöpft in den Pferdestall und schlief!
Meiner Mutter war er so unheimlich, daß sie mir empfiehl, ihm besser nicht zu nahe zu kommen Tja, nette Empfehlung...
Sie rief im Tierheim an um zu fragen, ob jemand einen solchen Hund vermißt gemeldet hätte: Ja! Das Tierheim vermißt ihn! Er sei 5 Tage vorher beim Spazierengehen abgehauen und ständig würde das Telefon klingeln, weil die Leute Angst vor dem Hund haben und inzwischen wäre ein Suchtrupp Freiwilliger täglich im Schichtwechsel unterwegs und die Polizei fuhr auch schon verstärkt Streife, der Hund sei "nicht ohne". Oups...
Jedenfalls rückte eine Delegation des Tierheims an, mit einer heißen Lockhündin. Der Hund stand gerade, nach seinem Nickerchen, im Garten hinter dem Tor vorsichtig, mißtrauisch bei mir, und wir hatten unsere ersten Streichelkontakte, die er sehr genoß, als die Tierheimleute aus dem Auto stiegen. Sein Körper versteifte sich sofort, weil er die Leute anscheinend sofort erkannt hat und er haute sofort in die entgegengesetzte Richtung ab! Über den Zaun und weg! Bin dann natürlich etwas blöd angemacht worden, daß ich ihn nicht festgehalten hatte - aber bin ich denn blöd und helfe "Hundefängern"???? Nö! Und das stellte sich auch als die beste "Unterlassung" meines Lebens raus! ich erfuhr, daß der Hund Gyros hieß und vom anderen Ende Kölns kam. Er sei dort Streuner/Straßenhund gewesen und da er hochaggressiv sei und gebissen habe, wurde er von der Feuerwehr kassiert und ins Tierheim gebracht. Er sei definitiv nicht vermittelbar, weil er so gefährlich sei! Und ich möchte ihn doch bitte ins Tierheim bringen, wenn ich ihn zu fassen kriegen würde, ich hätte ja offensichtlich einen guten Draht zu ihm. Ja, ja... bla, bla...
Gyros hieß er also? Komisch... Jedenfalls war er weg und ich wünschte ihm insgeheim noch eine glückliche Flucht!
Am nächsten Morgen hatte ich einen Geistesblitz und rief die Leiterin des Pferdeschutzhofs in Köln-Weidenpesch an, denn dort soll er sich ja rumgetrieben haben und ich fragte sie, ob sie was von einen Collie-DSH-Mix wüßte, der dort gelebt haben soll .... Nee, sagte sie, sie kennen keinen, der auf die Beschreibung paßt, und war auch sehr kurz angebunden, konnte gerade noch hinterschieben, daß dieser Hund angeblich Gyros heißen soll und da fiel sie aus allen Wolken!!!! "Der Gyros ist bei Ihnen??? Ach der arme Kerl!". Es stellte sich heraus, daß sie ihn von Welpen an kennt und zwar gehörte er einem älteren Herrn, der in der benachbarten Aussiedler-Siedlung lebte und die Kinder dort Gyros ganz furchtbar malträtiert haben. Sie schlugen ihn mit Eisenstangen, damit er aggressiv wurde, hetzten ihn auf jeden Fremden (Hund und Mensch), der vorbeikam, warfen ihm Katzenbabies vor und behandelten ihn wohl auch mit E-Schockern. Der Besitzer konnte sich auch nicht gegen die Kinder durchsetzen, sah ein, daß es dem Hund nicht gut ging, aber wollte sich auch nicht trennen. Gyros hatte einen Schlafplatz neben den Mülltonnen und war nie im Haus... Ich war entsetzt und auch gerührt, als die Frau erzählte, daß er in Wirklichkeit ein ganz, ganz toller Hund sei, der einfach nur mies behandelt wurde und das er so sensibel sei, daß ihn der Aufenthalt im Tierheim in Kürze umbringen würde - wenn ich ihn nochmal sehen würde, sollte ich ihr sofort Bescheid sagen, sie würde alle Hebel in Bewegung setzen, ihn wo anders unterzubringen (ich wollte ja eigentlich keinen solchen Hund haben...).
Das war wie gesagt Mittwochmorgen... es regnete, war saukalt und der Gedanke, daß da draußen irgendwo eine arme Hundeseele nicht weiß, wie das Leben weitergehen soll, war grauselig...
Ca. 15 Minuten später stand Gyros an meiner Gartentüre! Eine Pfote bittend hochgehoben, die Ohren angelegt, den Schwanz eingeklemmt.... Das Bild werde ich nie vergessen und in dem Moment war klar, daß er sich sein neues Zuhause selber ausgesucht hat!
Er hat 3 Tage durchgeschlafen, wollte gar nicht mit in den Wald, nur seine Schwanzspitze wedelte jedesmal ganz leicht, wenn er mich reden hörte oder ich vorbeiging...
Am 25. Januar diesen Jahres mußte ich ihn einschläfern lassen, er ist fast 12 geworden und hatte einen Herztumor, der seine Luftröhre zudrückte. Er war sonst niemals krank in den 8 Jahren...
Gyros war der beste Freund, den man sich vorstellen kann. Er war mein Beschützer, mein Lehrmeister für Hundeverständnis, trotz ein paar Macho-Allüren auch bis zum letzten Atemzug mein Traumhund. Er kam in mein Leben wie als wenn Lassie oder "Timmy, der Hund" auf einmal aus dem Fernseher klettert und sagt: "Jetzt bin ich Dein Hund!". Er hat in 2 Wochen die kompletten Grundkommandos wie Sitz, Platz, Bleib, Fuß etc. drauf gehabt, er hatte die sogenannte "Naturschärfe", die nicht immer einfach zu händeln war, wenn er meinte, er müsse mich vor jedem (inkl. Bruder, Vater, alle Besucher etc.) beschützen.
Und ich bin soooooo froh, daß ich ihn damals nicht festgehalten hatte :wink: