Hi
Nun muss ich zu später Stunde doch noch mal meinen Senf dazugeben, obwohl ich mir geschworen habe, mich aus solchen Diskussionen künftig rauszuhalten.
Ich lese hier immer wieder, dass von den TÄ zur Kastration geraten wird, weil sie dadurch Geld verdienen. Das will ich als Tierarzthelferin aber nicht so pauschal stehenlassen.
Natürlich gibt es auch unter TÄ schwarze Schafe, die hauptsächlich an ihren Geldbeutel denken und dann erst ans Tier, aber alle über einen Kamm scheren kann man auch nicht (davon abgesehen, dass eine Kastration bei einer Hündin eine Sch***OP ist und im Endeffekt nicht so viel Geld als Gewinn dabei rauspringt, wie viele vielleicht meinen - der TA hat bei einer solchen OP auch Kosten)
Grundsätzlich klären wir in unserer Praxis die Hundebesitzer genau über Kastrationen auf (meistens wird das Thema von den Hundebesitzern selber angesprochen). Wir erklären, wie so eine OP abläuft, welche Risiken es gibt, welche möglichen Folgen eine Kastration hat, wir erklären den Leuten aber auch, was sie bei der Läufigkeit ihrer Hündin zu beachten haben und sagen ganz klar, dass eine Kastration nicht nötig ist, solange die Leute an den wenigen kritischen Tagen im Jahr eben auf ihre Hündin aufpassen.
Die Entscheidung müssen die Hundebesitzer treffen und wenn sie eine Kastration wollen, dann kastrieren wir den Hund.
ABER, selbst ich stelle bei mir inzwischen eine Tendenz fest, bei manchen Leuten eine Kastration der Hündin zu empfehlen.
Nicht, weil ich (oder mein Chef) dabei Unmengen Geld verdienen, oder weil ich, wie manche Tierschutzvereine leider heute auch noch, alles kastriert sehen will, was bei drei nicht auf den Bäumen ist, sondern weil man in einer Tierarztpraxis leider immer wieder schlechte Erfahrungen macht.
Es gibt leider nicht nur verantwortungsbewußte Hundehalter auf der Welt. Wenn wir mal die Realität sehen, gibt es eine ganze Menge Leute, bei denen der Hund so nebenher mitläuft, die sich nicht informieren, die auch kein Interesse haben sich zu informieren, denen es auf gut Deutsch scheißegal ist.
Und dann erlebt man eben den Fall, in dem die 10 Monate alte Hündin vom Rüden des Nachbarn gedeckt wird, der an schwerer HD leidet (die beiden spielen ja immer so nett miteinander und die Welpen werden sich ganz süß)
Oder den Fall, in dem eine 6 jährige Schäferhündin zum 5. Mal Welpen bekommt, weil die Besitzer es nicht gebacken bekommen, auf ihre läufige Hündin aufzupassen. Es gab schon Rottweiler-Schäfer Mischlinge, Labrador-Schäfer Mischlinge, dieses Mal war es wohl irgendein Jagdhund, der die Welpen produziert hat. Die Schäferhündin ist physisch und psychisch am Ende und sieht aus, als wenn sie 15 Jahre alt wäre.
Oder den Fall, in dem eine 12 jährige Cockerhündin mit Mammatumoren und einer Herzinsuffizienz trächtig zur Ultraschallkontrolle kommt. Die Hündin ist (für den Besitzer natürlich völlig unvorhersehbar) während der Läufigkeit einfach durch die offene (!!!) Haustür spaziert und hat den Rüden des Nachbarn besucht, als der Besitzer nur mal für 15 Minuten lüften wollte. Die Chancen, dass diese Hündin die Trächtigkeit übersteht (von der Geburt mal ganz abgesehen) kann sich jeder selber ausrechnen.
Oder den Fall, dass eine "Dame" anruft, am Telefon erklärt, dass ihre Hündin 7 Welpen geworfen hat, sie aber nur für drei der Welpen neue Besitzer gefunden hat. Ob sie die nächsten Tage vorbeikommen könnte, damit wir die restlichen 4 Welpen einschläfern.
Und das waren jetzt nur 4 Beispiele, die mir so auf die Schnelle eingefallen sind. Und die sind nicht über mehrere Jahre gesammelt, sondern sind alle aktuell von diesem Jahr.
Das soll jetzt nicht heißen, dass man Kastrationen grundsätzlich beführworten sollte. Sicher nicht. Aber ich habe manchmal das Gefühl, dass manche hier sich nicht im Klaren darüber sind, dass es Hundehalter gibt, die absolut nicht fähig sind (oder schlicht und einfach keine Lust haben), auf eine läufige Hündin aufzupassen und die Hündin (und natürlich auch die Welpen) das ausbaden müssen.
Wenn man als Tierarzt so etwas immer und immer wieder erlebt, finde ich es nicht erstaunlich, wenn man dann anfängt eine Kastration pauschal zu empfehlen. Denn, mal ganz ehrlich, so ein Elend geht an den meisten Tierärzten auch nicht einfach so spurlos vorbei. Die meisten haben dieses Fach nicht studiert um reich zu werden (da gäbe es jede Menge geeignetere Jobs), sondern weil sie Tiere lieben und ihnen helfen wollen.
Also bitte, nicht jeder Tierarzt der eine Kastration empfiehlt ist einfach geldgeil. In den meisten Fällen steckt einfach die eigene Erfahrung dahinter. Ein TA kann den Leuten, die mit einem Hund in seine Praxis kommen auch nur vor den Kopf schauen und nicht hinein. Er kann nicht auf den ersten Blick erkennen, ob diese Leute zu den verantwortungsvollen Hundehaltern gehören, oder nicht.
liebe und nachdenkliche Grüße
Steffi