Meine Tochter malt sogar eigentlich wirklich gerne, aber nach über einer Stunde Schreibübungen und einem Blatt Rechnen, ist bei ihr und vielen Kindern Ausmalen einfach keine Belohnung mehr.
Ich weiß nicht, wie das in anderen Bundesländern mit der Nachmittagsbetreuung geregelt ist, aber hier in Bayern empfinde ich das Verhältnis zwischen Aufenthalt in der Schule und sinnvollem Arbeiten dort als nicht gegeben. Unterricht ist bei uns, wie geschrieben erste Klasse, an drei Tagen bis um 12, an zwei Tagen bis um 11.15. Danach geht sie bis um 14.00 Uhr in die Betreuung, einfach auch, weil ich meinen Job wirklich mag und gerne Arbeiten gehe, von Altersvorsorge und Lebenshaltungskosten mal abgesehen. In die Betreuung gehen ca. die Hälfte aller Kinder. An den Tagen mit Unterricht bis um 11.15 wird sie also knapp die Hälfte der Zeit lediglich betreut und bekommt was zum Essen (und das mit dem Essen gilt auch nicht für alle bayrischen Grundschulen). Das ist kein Vorwurf an die Betreuung, die machen mit vorgegebenen Mitteln in bunt gemischten Gruppen ihren Job, aber das ist eine verlorene Chance den Kindern mit mehr Zeit den Schulstoff nahe zu bringen. Die Hausaufgaben der Parallelklasse lautete vor einigen Tagen „Sammel Herbstsachen“ (Blätter, Kastanien etc). Das wäre eine wunderbare Gelegenheit bei Sonnenschein im Zuge des Schulunterrichts zu machen, wenn Schule denn die Zeit hätte. Stattdessen müssen sich die Kinder im Laufe des Tages zwei sozialen Gruppen anpassen und kommen vollkommen erledigt nach Hause und müssen dann noch einen Teil des Lernstoffs der Schule erarbeiten. Dann ist vielleicht noch irgendein Sport angesagt und dann bitte bitte noch Blätter sammeln.
Die Realität in der viele Familien leben ist nicht mehr die, von vor dreißig Jahren, nur im Schulsystem, zumindest in Bayern, wird sich daran festgeklammert, dass Mama mit einem warmen Lächeln und heißen Mittagessen zur Mittagszeit daheim ihr Kind willkommen heißt.
Und ich persönlich glaube auch, dass mehr sinnvoll genutzte Zeit in der Schule zu mehr Bildungsgerechtigkeit führen würde. Diese „Lauterkennungs“-Hausaufgaben sind für Familien, die vllt selbst gerade mit dem Spracherwerb kämpfen nicht machbar. 30% aller bayrischen Grundschüler beendet die Grundschule mit nicht ausreichender Sprach- und Lesekompetenz (die Zahl stammt von der Frau, die bei meiner Tochter die Frühförderung im Kindergarten gemacht hat, ich kann die leider gerade nicht mit Quellen belegen). Meiner Einschätzung nach, verlieren wir diese Kinder nicht irgendwann in diesen vier Jahren sondern bereits sehr sehr früh.