Hallo zusammen
Ich bin mir nicht sicher, ob ich im richtigen Unterforum gelandet bin, aber eine psychische Erkrankung geht ja auch unter Gesundheit.
Eine enge hundeerfahrene Freundin von mir hat seit Januar einen Hund aus dem Tierschutz. Da wir viel zusammen unterwegs sind und ich ihn regelmässig hüte, kenne ich ihren Hund sehr gut. Es war immer ein sehr ängstliches Tier, auch als solches vermittelt durch das Tierheim (beschrieben wurde sie als zurückhaltend und unsicher, gegenüber Fremdpersonen ängstlich). Nach zwei Monaten in seinem neuen zu Hause empfahl ich der Freundin, dass sie den Hund einmal bei einer Tierärztin mit dem Fachgebiet Verhaltenspsychologie vorstellen solle, da ich das Gefühl nicht los wurde, dass das ein Hund mit mehr als "nur" Angst war.
Die niederschmetternde Diagnose war dann ein schweres Deprivationssyndrom (glaube auch Hospitalismus genannt). Die sehr erfahrene Tierärztin meinte auch, dass sie bisher nur einen ähnlichen Fall kenne und dort dauerte es 6 Jahre, bis es etwas besser wurde.
Seit nun fast einem halben Jahr bekommt der Hund der Freundin Medikamente, seit 2 Monaten auch Fluctine (Psychopharmakon). Es dauere noch etwas, bis dieses wirklich voll wirken würde, sagte die Tierärztin.
Wir sind viel am Disuktieren über den Zustand des Hundes, und die Situation belastet meine Freundin enorm. In dem halben Jahr, in welchem nun der Hund bei ihr ist, hat sich kaum etwas am Verhalten geändert. Anfassen kann sie den Hund nur an zwei Orten, sonst rennt er immer davon. Von Ableinen keine Rede, denn ein Einfangen wäre schlicht unmöglich. Unkontrolliert erschrickt der Hund vor Sachen, die an anderen Tagen kein Problem waren.
Am liebsten ist der Hund zu Hause an seinem Platz oder liegt im Garten. Wenn es um das Spazierengehen geht, kommt er freudig angelaufen, auch ins Autosteigen ist kein Problem. Das ist das kontroverse an der Situation. Dann kann man ihn auch anfassen zum Anleinen, abers sont nicht. Er weicht auch der Freundin im Haus/Garten sonst aus. Neue Situationen sind katastrophal für den Hund, man kann ihn nirgends mitnehmen. Einzig alleine die Runde Spazierengehen scheint er zu mögen, alles andere ist zuviel für ihn.
Die Vergangenheit ist grob bekannt, geboren und aufgewachsen bis 5 Jahre bei einem Tiermessie mit 47 Hunden, von einer Tierschützerin befreit. Bei dieser dann entwischt und 2 Monate herumgeirrt, bevor man das Tier vermutlich total entkräftet in einem Schopf einfangen konnte. Danach 3 Monate im Tierheim, bevor der Hund zur Freundin kam. Keiner konnte wissen, wie schwerwiegend "krank" der Hund tatsächlich ist, es wurde nicht abgeklärt. Die Freundin war sich bewusst, dass sie sich einen ängstlichen Hund anschaffen und das dies viel Geduld und Zeit beanspruchen würde. Aber irgendwann tritt ja Besserung ein... Diese Hoffnung war auch da, leider unerfüllt.
Gibt es hier vielleicht auch Leute, welche Erfahrungen mit dieser Erkrankung der mangelnden Sozialisierung im Welpenalter gemacht haben? Wie geht ihr damit um, was hat geholfen?
Die Hinrstrukturen, welche sich durch Sozialisierung im Welpenalter bilden, sind unwiderbringlich verloren, diese können nicht im adulten Alter nachgeholt werden. Das macht die Situation auch fast unerträglich. Man weiss nicht, wie man dem Tier noch helfen kann, wenn die Medikamente kaum anschlagen.
In langen Gesprächen hat meine Freundin auch angetönt, dass wenn nichts wirklich eine Besserung bringen würde, sie traurigerweise auch über eine Euthanasie nachdenken müsse (nicht dieses oder nächstes Jahr, aber eine Überlegung muss gemacht werden). Es würde ihr Herz zerreissen, aber dem Tier sei ja so auch nicht geholfen. Was meint ihr dazu?
Es wird einem enorm bewusst, was es heisst, einen Hund zu haben, welcher im Welpenalter einigermassen gut sozialisiert wurde!
Wäre schön, wenn ich mich hier mit einigen austauschen könnte, die eine Ahnung von der Thematik haben. Denn das Deprivationssyndrom ist doch noch etwas anderes, als "nur" Angst (bitte versteht mich nicht falsch, ich will Angsverhalten nicht verniedlichen, aber psychologisch und physiologisch gesehen gibt es Unterschiede).
Sorry, dass der Text so lange wurde. Ich bin sehr stark in die Situation involviert und daher froh um jedes Gespräch, welches sich hier ergeben könnte...
Liebe Grüsse
Ashira