Na dann...
teile ich mich mal weiter mit.
Es folgt der erste Teil zum Thema Bedarf.
Vorweg:
Eine Diskussion über Sinn und Richtigkeit von Bedarfswerten würde an dieser Stelle zur Verwirrung führen, deshalb beruhen die folgenden Ausführungen einfach auf der Annahme, dass die Bedarfswerte von Meyer/Zentek „stimmen“.
M/Z habe ich gewählt, weil die TE/Lara das Buch besitzt (6.Aufl.?) und dort nachlesen kann. Man kann auch mit den Werten vom NRC rechnen. Zum großen Teil sind sie sehr ähnlich, wobei der NRC tendenziell von niedrigeren Werten ausgeht.
Ein weiterer Punkt ist, worauf man die Werte bezieht. Im M/Z finden sich sowohl Angaben bezogen auf das Körpergewicht als auch auf den Energiegehalt des Futters. Letzteres ist eher für die Futtermittelindustrie interessant. Für Privatmenschen ist der gewichtsbezogene Bedarf vor allem dann passender, wenn der Energiebedarf sehr von der „Norm“ abweicht.
Im Folgenden ist mit Bedarfswert immer der bei M/Z genannte Wert für einen gesunden, erwachsenen und normal aktiven Hund bezogen auf sein Körpergewicht gemeint, es sei denn, es wird explizit etwas anderes erwähnt.
Sämtliche Zahlen sind stark gerundet, manchmal bestimmt auch falsch. Es geht erstmal einfach ums Prinzip.
Der Bedarf an Nähr- und Vitalstoffen ist etwas sehr individuelles. Beeinflussende Faktoren sind neben Rasse, Alter, Geschlecht, Erkrankungen und geographischer Herkunft auch die konkreten Lebensumstände des Hundes, wie seine Verwendung und die unterschiedlichen Belastungen durch Umwelt und Umfeld.
Schon dadurch wird deutlich, dass der konkrete und µg-genaue Bedarf eines individuellen Hundes an irgendwelchen Substanzen nicht in einem Buch zu finden sein kann. Dort genannte Bedarfswerte kann man als errechnete Scheitelpunkte Gaußscher Normalverteilungskurven betrachten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
In diesem Sinne ist als erstes der Energiebedarf zu bestimmen, also in kcal ausgedrückt die Energiemenge, bei der der Hund sein „Ideal“-Gewicht hält.
Der ist natürlich schon deshalb nicht jeden Tag exakt gleich hoch, weil der Hund nicht jeden Tag exakt dieselbe Menge Energie verbraucht.
Es gibt auch individuell große Schwankungen. Außerdem scheint der Energiebedarf ganz allgemein insgesamt eher zu sinken. Jedenfalls benötigen immer weniger Hunde, mit denen ich zu tun habe, tatsächlich noch die im M/Z angegebene Menge (Tab.4.4. - S. 53).
Deshalb ist es immer gut, wenn man den Bedarf aus der bisherigen Fütterung ableiten kann.
Ich gehe mal der Einfachhalt halber davon aus, dass Mina nur die Dosen bekommen hat und damit tatsächlich auch ihr Gewicht hält.
Da auf den Dosen der Energiegehalt nicht angegeben ist und ich auch nicht weiß, welche Sorten Du gefüttert hast, habe ich jetzt mal willkürlich von 5 Sorten Lukullus den Energiegehalt ganz grob geschätzt und gemittelt, wenn man es genau wissen will, muss man den Hersteller fragen.
Wir gehen jetzt hypothetisch davon aus, dass Mina täglich ca. 760 kcal (um die 3,2 MJ) bekommen hat und das auch ihrem Bedarf entspricht.
Das ist für einen jungen, aktiven Hund eher wenig, passt aber zu: Osteuropa, Straßenhund, kastriert. Außerdem wird es vermutlich auch noch das ein oder andere Leckerli geben?
Als nächstes kommt der Proteinbedarf. Den liest man erstmal aus dem M/Z direkt ab (Tab. 4.9 – S. 63) oder berechnet ihn.
Ein 15 kg Hund braucht demnach unter Normalbedingungen (die unterstellen wir jetzt mal bei Dir
) 38 g verdauliches Rohprotein (im folgenden vRP). Proteine sind nie zu 100% verdaulich. Besonders hoch verdauliche Lebensmittel wie Fleisch kommen beim Rohprotein auf eine Verdaulichkeit von 98%, das Protein in Gemüse erreicht dagegen nur eine Verdaulichkeit von 63% (vgl. Tab. 3.9 M/Z S. 41). Dem Hund nutzt nur das Protein, was er auch verdauen kann, deshalb rechnet man beim Bedarf mit diesem Wert und nicht mit dem Gesamtprotein.
Die 38 g vRP sind nicht der Mindestbedarf, sondern der Normalbedarf. Die Höchstmenge (siehe S. 63 oben links) Rohprotein (im folgenden RP), also die Menge, die gerade noch für wahrscheinlich nicht gesundheitsschädlich gehalten wird für einen mittelgroßen Hund (das ist Mina) läge bei 15 x 5 = 75 g RP. Das ist allerdings schon eine Menge, die viele Hunde nicht gut vertragen, insbesondere dann nicht, wenn der Plan insgesamt energiearm ist. Abgesehen davon macht es unter gesundheitlichen und ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten zumindest keinen Sinn, absichtlich, längerfristig und deutlich über den Bedarf zu füttern.
Bei Mina gibt es, wenn das, was ich bisher weiß, alles ist, was ich wissen muss, keinen Grund, beim Protein von einer Abweichung vom Normal-Bedarf auszugehen. Allerdings würde ich ihr während des Fellwechsels etwa 20% mehr Protein gönnen. Sie ist zwar kein Langhaarhund, für den sich eine entsprechende Empfehlung im M/Z findet, aber die Masse an Unterwolle, die Du aus ihr rausgekämmt hast …
Für Fette an sich gibt es keine Bedarfswerte, lediglich für einige bestimmte Fettsäuren, nämlich die Linolsäure (O6) und die Alpha-Linolensäure (O3). Beides sind kurzkettige, mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die der Körper nicht selbst herstellen kann, die aber lebensnotwendig sind. Ganz grob gesagt sind es jeweils die Vorstufen für langkettige Fettsäuren, aus denen der Körper dann verschiedene Stoffe herstellt, die z.B. für Schmerz und Entzündungen zuständig sind (O6) oder im Gegenteil, entzündungswidrig wirken (O3). Die O6-Säuren sind aber deshalb nicht böse, auch sie erfüllen wichtige Aufgaben im Körper. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft sollte (je nach Autor) bei der Zufuhr auf ein Verhältnis zwischen 3 und 10 (O6) zu 1 (O3) geachtet werden.
Eine bekannte langkettige O6-Fettsäure ist die Arachidonsäure (ALA) und die wohl bekanntesten langkettigen O3-Fettsäuren sind die Eicosapentaensäure (EPA) und die Docosahexaensäure (DHA). Die Darstellung bei M/Z auf S. 93 ist eigentlich ganz gut verständlich.
Für einzelne Fettsäuren gibt es einen Bedarf bzw. wird ein Bedarf diskutiert.
Nach M/Z sind pro kg Hund 180 mg Linolsäure (M/Z, S. 94) und 50 mg Alpha-Linolensäure (M/Z, S. 93) vorzusehen, für Mina also 2,7 g Linolsäure und 750 mg Alpha-Linolensäure.
Der NRC hat inzwischen auch Empfehlungen für EPA und DHA ausgesprochen, dazu werde ich im Teil Lebensmittelauswahl noch etwas schreiben.
Bezüglich Mina hattest Du geschrieben, dass Du den Verdacht hast, dass sie Fett nicht so gut verträgt (orange-farbener, schleimiger Kot).
Für Kohlenhydrate gibt es ebenfalls keine Bedarfswerte, mit einer Ausnahme: Ballaststoffe, bzw. Rohfaser. Der Begriff Rohfaser ist veraltet und eigentlich nicht brauchbar, da er nur einen Teil der Ballaststoffe umfasst. Deshalb kann man eigentlich mit dem (M/Z, S. 96) genannten Wert nichts anfangen.
Jetzt müssen wir die benötigte Energie auf die Energieträger verteilen.
Auf jeden Fall müssen wir die Energie von 38 g verdaulichem Protein berücksichtigen. Dieses enthält (38 x 4) 153 kcal (0,63 MJ). Das sind etwa 20% der benötigten Energie. Diese Ungenauigkeit ist völlig ausreichend für den Hausgebrauch.
80% der Energie, also etwa 600 kcal (2,5 MJ) fehlen noch. Zur Deckung stehen uns Fette, Kohlenhydrate und Proteine zur Verfügung.
Von Proteinen (ab und an einfach nur P) wissen wir, dass sie nicht ganz unproblematisch sind und spätestens bei 75 g RP, was maximal (warum?) 294 kcal entsprechen würde, wäre absolut Schluss. Es bliebe immer noch ein Bedarf von 460 kcal, der anderweitig gedeckt werden müsste, also durch Fette (manchmal auch nur F) und/oder Kohlenhydrate.
Welche Verteilung ist sinnvoll und welche Kriterien spielen dabei eine Rolle?
Ebenso wie der Mensch ist auch sein Kulturfolger Hund über die Jahrtausende am ehesten eine Ernährung gewohnt, die in der geographischen Heimat seiner Vorfahren üblich war bzw. ist. Um mal zwei Extreme zu nennen: Das natürliche Nahrungsangebot in Tibet sieht ganz anders aus als in der Arktis. Während im Eismeer fettiger Fisch die Hauptnahrungsquelle bildete, ist es in Tibet immer noch die kohlenhydratreiche Gerste. OT: Wer sich bezüglich der menschlichen Ernährung nicht von einem, sagen wir mal „selbst- und fremdwortverliebten“ Schreibstil abschrecken lässt, wird mit den Arbeiten von Ströhle und Hahn, insbesondere der Diss. von Alexander Ströhle (mein Held! :herzen6: ) „sub specie evolutionis“, einer Studie zur evolutionären Ernährungswissenschaft, viele vergnügliche Stunden haben. Müsste man so ergoogeln können.
Es gibt eine Reihe spannender Aspekte, unter dem man sich diesem Thema widmen kann, für die Praxis und den Anfänger in der Frischfütterung mache ich es mal einfach: Im Prinzip spricht beim gesunden, erwachsenen Hund nichts gegen eine hälftige Verteilung der - nach Abzug der Proteine zu verteilenden – Energieprozente (E%) auf Fette und Kohlenhydrate (folgend oft KH), also 20 E% P – 40 E% F – 40 E% KH.
Üblicher in der heutigen Hunde- und Menschen-Fütterung sind höhere Kohlenhydratgehalte. Viele Hunde sind das gewohnt und haben trotz der Angabe im M/Z, sie würden 10 g Fett pro kg Körpergewicht vertragen, „schon“ ab 3 oder 4 g Fett Probleme, mal abgesehen davon, dass sich so jeder Hund vermopsen lässt.
Es ist sehr individuell.
Das ist das Stichwort. Bei Mina hast Du selbst schon vermutet, dass ihre Fettverträglichkeit nicht so besonders hoch zu sein scheint, deshalb würde ich nicht mit 40 % anfangen, sondern vielleicht mit 20 bis 25%. Dafür würde ich eventuell den Proteingehalt auch bei 25% ansetzen, dann verbleiben 50% auf den Kohlenhydraten.
Das ist einfach so. Irgendwie muss man auf 100% kommen, ob man will oder nicht.
Natürlich kann man, wenn man Kohlenhydrate so furchtbar findet, mit den Proteinen bis an die Grenze gehen und den Rest mit Fett auffüllen, bis die Bauchspeicheldrüse streikt. Man kann auch 33-33-34 verteilen und schauen was passiert, mir ist an der Stelle wirklich nur wichtig, dass der geneigte Frischfutterfütterer sich einfach mal klar macht, was passiert, wenn man ein Dreibein auf zwei Beine reduziert.
Und, nein! Du musst nicht ständig %genau rechnen. Die Energieträger sind freundlicherweise so in den Lebensmitteln verteilt, dass man bei ihrem Anblick genau genug abschätzen kann, was man da gerade füttert. Dazu muss man sie nur einmal etwas genauer kennen lernen.
Nun kommen die Vitalstoffe dran. Ich werde hier nichts über diese schreiben, was schon auf tausenden von Internetseiten viel hübscher geschrieben steht, sondern mich auf das beschränken, was abgesehen davon für den Hundefütterer in der Praxis relevant ist. Die Bedarfswerte stehen im M/Z. Die Seiten 67 bis 97 sollte man gerne einmal gelesen haben. Sofa-Einstellung reicht.
Bei vielen Vitalstoffen ist es nicht nötig, an diese zu denken, sondern es reicht, an Nahrungsmittel zu denken, in denen diese enthalten sind. Deshalb schreibe ich in dem Teil, wo es um die Auswahl von Lebensmitteln geht, etwas dazu und nicht hier.
Fangen wir mit den fettlöslichen Vitaminen an. Sie heißen A, D, E und K.
Hunde sind nicht so empfindlich, was die Vitamin A-Aufnahme anbelangt, wie Menschen, sie können es hervorragend ausscheiden. Deshalb ist eine Überdosierung unabhängig von der Fütterungsmethode eher unwahrscheinlich.
Mangel ist möglich bei Frischfütterung, wenn keine Leber gefüttert wird, bzw. Lebertran oder etwas aus dem Chemiebaukasten, aber nicht besonders wahrscheinlich, da Hunde auch aus Beta-Carotin, einer in bestimmten Gemüsesorten vorkommenden Vorstufe von Vitamin A dieses selbst herstellen können.
Ob der Hund Vitamin D mit Hilfe von UV-B-Strahlen selbst bilden kann, ist nicht geklärt. Nach dem derzeitigen Stand der Forschung ist eher davon auszugehen, dass Hunde es nicht können. Allerdings gibt es insgesamt zu wenig Studien mit zu wenigen Hunden aus einer zu geringen Rassenauswahl, um das sicher beurteilen zu können.
Vitamin D3 ist in winzigen Mengen in Milchprodukten enthalten, in kleinen Mengen in inneren Organen von Landtieren, in großen Mengen in bestimmten Kaltwasser-Fischen und in riesigen Mengen in Lebertran, weswegen nicht nur ich als Kind im Winter regelmäßig damit misshandelt wurde.
Eine Überdosierung von Vitamin D ist ungesund. Ab dem 10-fachen des Bedarfs wird es kritisch. Dafür müsste man zwar recht unwahrscheinlich große Mengen Lebertran verfüttern und/oder synthetisch hergestelltes verwenden, aber es hat Fälle von Vergiftungen gegeben, wo zum Fertigfutter noch Nahrungsergänzungen und Lebertran gegeben wurden.
Wesentlich wahrscheinlicher ist allerdings ein Mangel. Eine erhebliche Mangelgefahr besteht bei allen Formen der Eigenproduktion des Hundefutters, wenn man nicht bewusst regelmäßig bestimmte Fischsorten in nennenswerten Mengen füttert, Lebertran gibt oder auf eine Nahrungsergänzung zurückgreift.
Vitamin E ist insgesamt ein nicht ganz einfaches Thema. Die Bedarfswerte sind knapp erreichbar, wenn man Ölsaaten und/oder Getreidekeime füttert. Sobald man aber den Anteil ungesättigter Fettsäuren erhöht, z.B. durch Pflanzen- oder Fischöl, steigt der Vitamin E-Bedarf rapide an, da diese Fettsäuren sehr schnell oxidieren, also ranzig werden und damit gesundheitsschädlich. Vitamin E ist ein Antioxidans, das in der Lage ist, wie der Name sagt, einer Oxidation entgegen zu wirken.
Pflanzenöle enthalten unterschiedliche Mengen an Vitamin E, wovon sie immer einen Teil für sich selbst brauchen, so dass nur eine geringe Menge für Hund oder Mensch übrig bleibt, bei vielen Ölen ist die Bilanz sogar negativ, das heißt, das enthaltende Vitamin E reicht nicht einmal für das Öl selbst. Die Mangelwahrscheinlichkeit ist hoch, besonders bei bestimmten Erkrankungen.
Vitamin K ist mein Lieblingsvitamin. Es heilt von Aberglaube bis Zehenzwicken praktisch alles (kleiner Insider, sorry…). Ernsthaft. Es wird unterschätzt. Der Text im M/Z dazu ist *hüstel* und ich komme auf das Thema im Lebensmittelauswahl-Teil zurück. Es gibt meiner Meinung nach kein Fertigfutter, dass Vitamin K1 enthält, das ist verständlich, weil es nicht besonders stabil/haltbar ist und vermutlich auch teuer.
Fertigfutter enthält, wenn, dann K3, das ist eine synthetisch hergestellte, angebliche Vorstufe vom Vitamin. Es gibt in Foren ellenlange Diskussionen über diesen, in der Humanernährung NICHT zugelassenen Stoff. Man kann darüber diskutieren, ich habe da kein Verlangen mehr nach. Wenn das der einzige Kritikpunkt an einem Futter wäre, würde ich es füttern.
Bei selbst zubereitetem Futter ist ein Mangel bei einem gesunden Hund wohl eher unwahrscheinlich, anders sieht es aus bei einer gestörten Darmflora. In der Beratung hat sich der Einsatz von Vitamin K1 bei allen gastroenterologischen Erkrankungen bewährt, mit Ausnahme von ganz wenigen Fällen, in denen ein Bestandteil des Präparates (Sorbit) nicht vertragen wurde.
So, Pause. Demnächst folgt mehr.