@ Julia: Ui, toll, danke, dass du bei dem Stoff an uns gedacht hast. Freu ich mich total drüber!!! Das wird ganz doll hübsch :)
Über die anderen Dinge hab ich mir heute den ganzen Tag Gedanken gemacht.
Viele Sachen versteh ich einfach schlichtweg nicht. Wenn man sich das mal im Ganzen anschaut. Da hat man einen Hund, der sich wie ein Hund verhält. Er kennt sich in der Menschenwelt nicht aus und soll lauter Sachen tun, die er nicht versteht und die oft dem zuwiderlaufen, was eigentlich durch den Menschen in seine Gene gezüchtet wurde.
Jedes Lebewesen, der Mensch inklusive, strebt schlichtweg danach, mit dem kleinstmöglichen Aufwand das größte aktuelle Bedürfnis am besten zu erfüllen. Das ist evolutionär adaptiv und sorgt für das Überleben. Gibt es mehrere Reize, folgen wir dem, das unserem aktuellen Bedürfnis am meisten entspricht und welches wir am wahrscheinlichsten erreichen können. Das ist ganz normal, und im Gegensatz zum Menschen kann der Hund diesen Mechanismus nicht durch abstraktes Denken durchbrechen.
Warum sage ich dann nicht, Hallo mein Hund, ich weiß, diese Welt ist total kompliziert für dich und ich helfe dir jetzt, dich darin zurechtzufinden. Dazu braucht es keine Strafe. Der Hund ist nicht freiwillig bei mir, sondern ich habe entschieden, dass er bei mir zu leben hat. Und ich bin dankbar für jeden Tag, den dieser Hund mich begleitet. Er soll heutzutage in einer Welt leben, die nicht für ihn gemacht wurde. Er soll Verhaltensweisen, die arttypisch sind und die ihm angezüchtet werden, nicht ausleben. Und da er ein Hund ist, versteht er nicht, warum.
Natürlich muss man auch bei Cumcane seinen Hund einschränken. Natürlich kann er nicht alles ausleben, was er will. Mein Hund darf auch vieles nicht. Aber da er nichts dafür kann, dass er sich gerne so verhalten würde, weil er sich einfach nur verhalten will wie ein Hund, sehe ich da einfach keinen Grund für Strafe. Er tut nichts Schlimmes. Also helfe ich ihm, sich in dieser Welt zurechtzufinden und sich so zu verhalten, wie ich es mir wünsche. Warum muss man das denn "negativ" angehen? Diese Vermutung, dass ein Hund gerade keine Lust hat, etwas zu tun, stimmt so gut wie nie. Mal ein Vergleich. Wie gut könnt ihr euch auf ein Gegenüber bei einem Telefonat konzentrieren und aufmerksam sein, wenn gleichzeitig der Fernseher läuft, das andere Telefon klingelt, es an der Tür klingelt, Essen auf dem Herd überkocht, die Katze was vom Regal schmeißt, und der Freund oder die Eltern im Vorbeilaufen euch noch was mitteilen wollen. Habt ihr euch dann hinterher gemerkt, was das war? Vielleicht ja, aber eher nicht. Und war das dann Absicht? Nein, es waren zu viele Dinge, die zur gleichen Zeit eure Aufmerksamkeit beansprucht haben. Und was macht man dann, wenn man nicht alles gleichzeitig machen kann? Man ordnet die Dinge in eine Reihenfolge je nach Dringlichkeit, Motivation oder sonstiger Priorität. Und zwar nicht immer bewusst, sondern bei großem Stress und vielen Reizen erstmal rein instinktiv.
So ist das für den Hund jeden Tag. Er nimmt diese Welt auf eine Art wahr, die wir uns nicht mal annähernd vorstellen können. Am laufenden Band riecht, hört, sieht und spürt er Dinge, die wir nicht mal wahrnehmen und er misst all diesen Dingen eine ganz andere Bedeutung bei - weil er eben ein Hund ist und für den Hund Dinge einfach eine andere Bedeutung haben als für uns. Das ist vielleicht ärgerlich, weil wir es uns für die Erziehung anders wünschen, aber es ist nicht zu ändern und der Hund kann nichts dafür. Was ich jetzt tun kann, ist den Hund dazu zu bringen, dass ich in seinen Prioritäten ganz oben stehe. Und das geht. Ein Hund funkioniert leider einfach über Bedürfnisse und Motivationen, auch wenn das das menschliche Ego kränkt und man gerne "einfach so" die Nummer eins für seinen Hund wäre und der Hund einfach alles tut, nur weil man das sagt. Sich interessant machen zu müssen läuft vielen Menschen zuwider, weil man denkt, der Hund soll verstehen, dass er Dinge einfach tun muss, weil ich sie sage. Sonst fühlt sich der Mensch nicht ernst genommen. So funktionieren Hunde aber einfach nicht.
Es ist doch toll, wenn mein Hund etwas tut, weil er weiß, bei Frauchen ist es immer toll und ich tue gerne, was sie sagt. Ich würde mich schrecklich fühlen, wenn mein Hund etwas nur tut aus Angst vor mir. Charly ist mittlerweile soweit, dass er, wenn er etwas sieht, was ihn aufregt oder stresst, es schafft sich von alleine umzuwenden und zu mir zu kommen. Er hat gelernt, dass er sich mit allem, was ihn ängstigt, aufregt, verunsichert oder stresst an mich wenden kann und es ihm bei mir dann gut geht und ihm bei mir dann nichts Schlimmes passiert und er nicht noch mehr Stress zu erwarten hat. Weil er weiß, dass er mir absolut vertrauen kann und von mir keine Gefahr ausgeht. Wenn er nun etwas vor sich hätte, was ihn aufregt, und er wüsste, dass auf der anderen Seite ich stehe, von der auch öfter mal "Gefahr" ausgeht, warum sollte er sich dann für mich entscheiden?
Und ja, es gibt Dinge, die müssen funktionieren. Aber wenn ich mir nicht sicher bin, dann leine ich meinen Hund weiterhin an und übe weiter mit ihm. Und ich verstehe einfach nicht, warum es so oft heißt "er müsste das doch jetzt wissen, dass er das nicht darf". Daraus folgt dann der Schluss, dass er es wohl mit Absicht falsch macht. Wenn er es schon zweimal richtig gemacht hat und dann wieder falsch, muss es ja Absicht sein, weil man ja gesehen hat, dass er es eigentlich schon weiß.
Mal ehrlich: Wir Menschen sind kognitiv um ein Vielfaches höher entwickelt, und uns passiert eine Trillion mal dasselbe!
Eigentlich wissen wir, dass Rauchen schlecht ist, aber trotzdem ist es super schwer, es zu lassen, und viele brauchen mehrere Versuche und schaffen es nie. Und warum hat man überhaupt angefangen, obwohl man es doch eigentlich besser weiß?
Wir müssten für die Klausur lernen, und wir wissen, dass das sehr wichtig ist und gut wäre, und trotzdem schauen wir Fernsehen.
Wir wissen, dass Sport gesund ist, und machen auch manchmal welchen, aber oft genug können wir uns doch nicht aufraffen.
Wir haben schon das dritte mal beim Einkaufen dieselbe Sache vergessen, weil wir im Stress sind und uns nicht richtig konzentrieren konnten und mit unserer Aufmerksamkeit und unseren Gedanken einfach woanders waren, zb Ärger auf der Arbeit, und das auch nicht abschalten konnten.
Wir wollen abnehmen und wissen, dass die Schokolade dann besser ignoriert werden müsste. Manchmal schaffen wir das auch. Aber oft auch nicht, obwohl wir es besser wissen und es in der Vergangenheit auch schonmal geschafft haben, sie zu ignorieren! Warum gestehen wir solche Schwächen unserem Hund nicht auch zu?
Bringt es was, wenn wir uns dann bestrafen? Nein, denn eigentlich wissen wir ja Bescheid. Was machen wir? Wir motivieren uns positiv uns sagen uns, morgen versuch ich es nochmal. Warum bringen wir diese Einstellung nicht auch dem Hund entgegen? Warum sagen wir nicht, hey, er hat es jetzt schon oft geschafft, heute hat es nicht geklappt, die Versuchung war zu groß und die Umstände zu schwierig (wie bei uns die Schokolade an einem total beschissenen oder anstrengenden Tag), morgen ist ein neuer Tag, man kann es einfach nur immer und wieder neu probieren. Warum unterstellen wir dem Hund immer "keine Lust" oder dass er uns nicht ernst nimmt? Ich nehme meine Gesundheit und die Uni auch sehr sehr ernst und trotzdem handel ich oft wider besseres Wissen, weil ein anderer Reiz einfach zu groß war und meine Motivation nicht gestimmt hat.
Und die Vorstellung, dass der Hund immer alles machen muss, nur weil wir es sagen, entspringt meiner Meinung nach dem narzistischen Urpsung des Menschen an sich. Der Mensch selber hält sich für das höchste Wesen und denkt und möchte, dass alles sich um ihn dreht. Das steckt in uns ganz tief drin. Wenn das nicht so ist, empfindet man das schnell als Kränkung. So ist der Mensch veranlagt, ich auch. Das Problem ist aber, dass das das Leben doch ungemein stressig macht. Wie anstrengend ist es doch, bei allem was mein Hund tut, zu denken, das macht er jetzt mit Absicht, er respektiert mich nicht, es ist ihm egal, was ich sage, usw. Das kostet doch auch uns selber so viel Energie! Und de facto denkt der Hund nichts davon. In seiner Hundewelt kamen zurselben Zeit unterschiedliche Reize und prallten auf unterschiedliche Motive und Bedürfnisse und dann auch noch auf die Menschenwelt. Und er macht das, was jedes Lebewesen amcht, nämlich sich INSTINKTIV für das entscheiden, wofür er grad am meisten motiviert ist und was die größte Belohnnung für ihn darstellt. Es fällt dem Menschen an sich halt schwer, diese zentrale Wunschrolle aufzugeben und sich einzugestehen, dass es ganz normal und nichts böses und schlimmes ist, wenn der Hund sich zwischenzeitlich für etwas anderes mehr interessiert als für uns. Da wir Menschen uns aber für das wichtigste halten, widerstrebt es uns, mit Keksen und tausend anderen Belohnungen und Reizen dafür zu sorgen, dass wir für den Hund interessanter sind. Das widerstrebt natürlich dem Selbstbild, was der Mensch von sich hat im Verhältnis zum Rest der Welt. Aber leider tickt der Hund eben nicht so.
Es gibt Studien, die zeigen, dass positiv aufgebaute Signale bzw. Verhaltensweisen in sehr schwierigen oder ernsten Situationen vom Hund um ein Vielfaches zuverlässiger ausgeführt werden als Signale, die über Druck / Bedrohing / Strafe / Angst aufgebaut wurden.
Generell werden solche Verhaltensweisen zuverlässiger ausgeführt, die gerne gemachtwerden und mit positiven Emotionen verbunden sind. Das kann wohl auch jeder Mensch gut nachvollziehen.
Arbeitet man z.B. beim Leinepöbeln mit Strafreizen, verknüpft der Hund diese nicht mit seinem Verhalten, sondern mit dem Auftauchen des anderen Hundes. Er stellt die Verknüpfung her, anderer Hund = mir passiert was schlechtes und Herrchen regt sich ja auch so auf, also muss der andere Hund noch mehr vertrieben werden und wird als noch bedrohlicher wahrgenommen. Worauf noch mehr Strafe folgt. Ein Teufelskreis.
An dieser Stelle möchte ich das Buch "Verstehe deinen Hund" von Viviane Theby empfehlen. Die hat mit Cumcane nix zu tun und fasst einfach mal die neuesten Erkenntnisse darüber zusammen, wie Hunde lernen. Und wie nicht.
Das Problem bei vielen Arten von "Fehlverhalten" beim Hund ist ja, dass der Hund in irgendeiner Form gestresst oder aufgeregt ist. Also eben nicht aufmerksam. Je mehr Stress, desto schlechter die Aufmerksamkheit. Ist logisch. Mir will einfach diese Gleichung nicht aufgehen, wie ich mit noch mehr Stress einen schon gestressten Hund ruhig und aufmerksam kriegen will. Stress + Stress = Entspannt? Aufregung + Stress = Mehr Aufmerksamkeit? Das macht einfach keinen sinn, sorry.
Das Problem bei Strafen ist auch, dass sie IMMER in jeder Situation angwendet werden müssen, wenn der Hund das Verhalten zeigt. Gibt es nur eine Situation, in der der Hund das Verhalten zeigt und nicht dafür bestraft wird, zb weil der Besi nicht dabei war, es nicht gesehen hat oder zu weit weg war, setzt das Prinzip der "Slotmachine" ein. Wieso baggern Männer 999 Frauen an, obwohl sie immer einen Korb kriegen? Weil es vielleicht vor 10 Jahren schon einmal geklappt hat und die Tausendste vielleicht auch wieder Ja sagt.. Wieso schmeißen Leute Unmengen von Geld in Spielautomaten? Weil vielleicht einmal was rausgekommen ist und es ja in 3 Jahren nochmal Erfolg bringen könnte. Es spielen sogar Millionen Menschen Lotto, obwohl sie noch nie was gewonnen haben. Einmal Erfolg gehabt oder nah am Erfolg dran gewesen und das Verhalten wird immer wieder gezeigt. Das macht der Hund nicht mit Absicht oder eiskkalt kalkulierend, sondern ganz automatisch. Selbst wir Menschen handeln so, obwohl wir weitaus klüger sind. Zieht der Hund also an der Leine und wird nur jedes zehnte mal dafür bestraft, wird er das Verhalten trotzdem immer wieder zeigen. Und wir Menschen können einfach nicht gewährleisten, dass wir
- IMMER (manchmal sieht man etwas nicht oder ist zu weit weg)
- mit dem richtigen Timing (so dass der Hund noch verknüpfen kann)
- und in der richtigen Stärke (wir können letztlich nur ahnen, was den Hund wirklich stark genug beeindruckt)
bestrafen. Das dumme ist, NUR SO wirkt Strafe zuverlässig. Da das niemand gewährleisten kann, ist Strafe immer ineffektiv.
Bei der Belohnung kann man sich diese Prinzip genau gegenteilig zunutze machen. Für den Hund reicht schon alleine das Wissen, dass es von 100 Malen EINMAL eine tolle Belohung gab, um ihm zu motivieren, dieses Verhalten wieder zu zeigen. Auch die Belohung oder positive Motivation unterliegen bestimmten Regeln. Aber prinzipiell gilt dasselbe Prinzip: Einmal Erfolg gehabt, und der Hund wird das Verhalten immer weiter zeigen, wenn er kann.
Weiterhin ist Leinerucken oder ähnliches einfach für den Menschen sehr selbstbelohnend. Man baut Frust und Wut ab. Ich hätte Charly auch schon zig mal den Hals umdrehen können. Das Ding ist, er lernt dabei nix, außer dass auch von mir hin und wieder eine Bedrohung ausgeht, so dass er sich lieber nicht mehr mit allem an mich wenden wird. Manchmal fängt er ein unerwünschtes Verhalten schon an und schafft es erst ein paar Sekunden später, selber abzubrechen und zu mir zu kommen. Das würde er sich gar nicht mehr trauen, wenn er dann immer überlegen müsste, oh ich hatte aber schon angefangen, vielleicht krieg ich von der jetzt auch einen drauf. Dann kann ich auch gleich mein Verhalten durchführen, was ich eh geplant hatte, denn Ärger krieg ich jetzt ja sowieso. Mal vermenschlicht ausgedrückt.
Was ich auch nicht versteh, ist, dass Clickern gerne bei Tricks angwendet wird, aber nicht bei den "ernsten Sachen". Als würde man sich damit was vergeben oder Schwäche zeigen. Der Denkfehler dabei ist aber, dass für den Hund alles nur Tricks sind. Ob er nun Sitz oder Platz oder Männchen oder ne Rolle machen soll, das macht für den Hund überhaupt keinen Unterschied. Es sind alles Dinge, die er von sich aus nicht machen würde. Er kann ja nicht verstehen, warum das eine für uns wichtig ist und das andere nicht so sehr. Wie soll der Hund verstehen, dass wir ihn einmal loben und motivieren und locken und total Spaß mit ihm haben und total freundlich zu ihm sind, aber bei anderen Sachen so ernst und ihm weh tun. Das kann der Hund gar nicht begreifen, so dass er den Eindruck bekommt, dass wir irgendwie undurchschaubar und doch nicht so ganz koscher sind. Warum funktionieren Tricks oft viel schneller und besser als die "ernsten" Sachen? Weil man bei Tricks selber viel motivierter ist, selber Spaß hat, viel lockerer drauf ist und der Hund das spürt. Ich behandle zb den Rückruf so wie einen Trick. Für den Hund ist es dasselbe. Ich feuer ihn an mich "jaaa, du schaffst es!!!", wenn er etwas anschaut und ich ihm deutlich ansehe, wie schwer es ihm fällt, den Blick davon abzuwenden, weil der Reiz einfach sooo groß ist. Denn es schaffen können ist das, was er muss. Er muss es schaffen können. Er muss eine Million Reize, die ich nicht mal wahrnehme, ausblenden und es schaffen, geistig und körperlich zu mir zu kommen. Alleine das Abwenden von einem starken Reiz ist eine riesen schwere Sache und das Ankommen dann nochmal eine ganz andere. Und ich feuer ihn an und feier mit ihm und freue mich für ihn, wenn er es geschafft hat, weil es schwer war und ich verstehe, dass das andere, was ihn interessiert hat, aus Hundesicht einfach mal ne große Konkurrenz zu mir war. Damit kann ich gut leben. Dadurch kommt Charly aber auch super gerne zu mir, weil wir uns dann beide total freuen und allein das ihm richtig Spaß macht. Und wenn es mal nicht klappt, dann fühle ich mich nicht in meinem menschlichen Ego gekränkt. Wenn es mal nicht klappt, heißt das nicht, dass ich meinem Hund egal bin oder er mich nicht respektiert. Es heißt nur, dass die Hundwelt einfach einmal stärker war als die für ihn fremde Menschenwelt. Damit kann ich gut leben. Das hat nichts damit zu tun, dass mein Hund mich nicht ernst nimmt. Ich weiß, dass er sein bestes versucht und dass er genauso wenig immer alles steuern kann wie ich.
Warum kann das nicht einfach die Grundannahme sein: "Mein Hund gibt sein bestes. Er tut alles, was in seinen Möglichkeiten liegt, auch wenn das manchmal noch nicht viel ist. Aber ich kann ihm helfen, dass seine Möglichkeiten wachsen und er es immer besser schafft, in der Menschenwelt klazukommen. Und ich freue mich mit ihm über seine Erfolge, weil ich selber weiß, wie schwer es ist, gegen seine Motivation zu handeln."
Warum muss die Grundannahme sein "Mein Hund macht das mit Absicht, er nimmt mich nicht ernst, ich bin ihm nicht wichtig genug." Mit dieser Grundannahme ist man natürlich schnell gefrustet und es ist für einen selber voll anstrengend.
Und leider sprechen alle Forschungsergebnisse zum Thema Hund der ersten Grundannahme.
Was mich zudem höchst irritiert ist, dass die hier genannten Hundeschulen, die nach Grewe arbeiten, ja auch " Die Rechte des Hundes" nach Grewe auf ihren Internetseiten anführen. Darin heißt ein Artikel "Jeder Hund hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit." In den Ausführeungen dazu ist dann aber nur die Rede von Züchtungen, wo der Hund zu viele Falten im Gesicht hat und deshalb keine natürliche Mimik mehr hat. Was ist mit der körperlichen Unversehrtheit im Training? Das Zufügen von Schmerzen, das Rucken an der Leine, was nachgewiesenermaßen Nackenschmerzen, Kopfschmerzen und Verletzungen an der Luftröhre usw nach sich zieht, ist keine körperliche Unversehrtheit. Leider kann uns der Hund nicht sagen, ob er Nackenschmerzen oder Kopfschmerzen hat. Aber nur, weil man diese Dinge nicht sieht und dem Hund nicht anmerkt, heißt das nicht, dass sie nicht da sind.
Mich macht das alles so traurig. Warum muss der Mensch immer davon ausgehen, dass das Gegenüber etwas mit Absicht macht, einen ärgern will, einen nicht ernst nimmt, dass es nur mit Strafe geht. Warum ändern wir nicht unsere Grundhaltung und unterstellen dem Gegenüber nicht immer gleich die schlechtesten Motive, sondern einfach mal die guten, und sind geduldig und verständnisvoll, versuchen uns hineinzuversetzen in das Gegenüber und nehmen es nicht persönlich, wenn das gezeigte Verhalten nicht unseren Wünschen entspricht. Andere Menschen ärgern uns auch oft genug, viel mehr noch als Hunde, aber den Menschen gegenüber können wir uns meistens nicht so verhalten. Den Tieren gegenüber schon, denn die können sich nicht wehren.
Ja, ich zwinge meinen Hund mit mir zu leben, er macht das nicht freiwillig. Ja, er muss in einer Welt leben, die nicht für ihn gemacht wurde. Ja, deshalb muss ich ihn einschränken und ihm gewisse Verhaltensweisen untersagen. Das wird auch bei Cumcane gemacht.
Das Ding ist, nach dem heutigen Stand der Forschung gibt es kein einziges Argument mehr, was dafür spricht, mit Strafe, körperlicher Maßregelung, Bedrohung zu arbeiten. Man erreicht sicher das eine oder andere Meideverhalten und die eine oder andere Verhaltensänderung. Es ist aber einfach erwiesen, dass diese Änderungen nicht so stabil sind und nicht so langfristig wie bei positivem Training. Aber ja, das ist für den Menschen anstrengender. Er muss sich erstmal ne Menge Wissen über das Hundegehirn aneignen. Und in der Tat kann ein Hundegehirn gewisse Funktionen in bestimmten Situationen nicht leisten. Man weiß heute, dass bestimmte Hirnareale in solchen Situationen komplett ausgeschaltet sind. Andere Bereiche laufen dann auf Hochtouren. Und leider sind das dann nicht die Bereiche, in denen der Verstand sitzt. Das ist scheiße fürs Training, ist aber so. Das muss man als Tatsache akzeptieren und darauf dann sein Training aufbauen. Und dann gibt es keinen Grund mehr für die Grundannahme "Der hat grad keine Lust", "Der nimmt mich nicht ernst". Zu solchen Gedanken ist er gar nicht in der Lage, wenn sich in seinem Hirn bestimmte Areale ein- und andere komplett ausgeschaltet haben. Ein Hund, bei dem das Kleinhirn und die Amygdala die Kontrolle übernommen haben, denkt gar nichts mehr. Erst recht nicht sowas.
Um wirklich zu verstehen, muss man wie Ingrid2 schon sagte, sich erstmal viel Wissen aneignen. Das nervt. Leinenruck und sowas sind einfach unkomplizierter, holen aber nicht das Maximum an Lernerfolg aus dem Hund raus.
Ja, bei Cumcane (nicht nur dort) muss man erstmal viel lernen. Ich empfinde es aber nicht als Last, viel zu lernen über das Lebewesen, das ich zu mir geholt habe, das mich sein ganzes Leben lang begleiten soll und das im Durchschnitt 24 Stunden am Tag mit mir verbringt.
Und wünsche mir, dass kein Hund bedroht wird oder ihm Schnerzen zugefügt werden, nur weil für ihn seine Hundewelt nunmal so wichtig ist wie für mich meine Menschenwelt. Wir wissen noch so wenig über Hunde und können nur dunkel erahnen, wie die Welt durch seine Augen aussieht. Seine Welt werden wir nie ganz betreten können. Warum erwarten wir dann, dass der Hund sich in unserer Menschenwelt immer einwandfrei und absolut zuverlässig zurechtfinden muss (was nicht mal wir selber schaffen), und strafen ihn, wenn er das nicht schafft, anstatt ihm freundlich zu helfen.